Augsburger Allgemeine (Land West)
„Mit ihr geht eine wichtige Zeitzeugin“
Jettingen-Scheppachs Persönlichkeit Marie-Gabriele Schenk Gräfin von Stauffenberg ist mit 103 gestorben
Jettingen Scheppach Die Marktgemeinde Jettingen-Scheppach trauert um ihre älteste und wohl bekannteste Bürgerin: Marie-Gabriele Schenk Gräfin von Stauffenberg, Verwandte des Hitler-Attentäters Claus von Stauffenberg, ist am Dienstagabend im Alter von 103 Jahren gestorben. „Die Gemeinde verliert eine große Persönlichkeit, mit ihr geht eine wichtige Zeitzeugin“, sagte Bürgermeister Hans Reichhart. Für die Familie Stauffenberg ist es ein weiterer Schicksalsschlag: Erst im vergangenen September war Jettingens Ehrenbürgerin Anna Maria Rosa Elisabeth Schenk Gräfin von Stauffenberg im Alter von 94 Jahren gestorben. Ihre Schwägerin Marie-Gabriele hatte sie nur wenige Monate überlebt. Bis zuletzt hatte die unverheiratete Gräfin (Komtess) in einer Wohnung eines früheren Verwaltungsgebäudes nahe des Jettinger Schlosses gewohnt. Bürgermeister Reichhart beschreibt die verstorbene Gräfin als eine „großartige, warmherzige Frau“, die ihn vor allem durch ihre Bescheidenheit beeindruckt habe. Was Reichhart besonders in Erinnerung bleiben wird, ist die Liebe der Gräfin zur Musik.
Obwohl sie zuletzt sehr schlecht gehört hat, habe sie nie auf Musik verzichtet, vor allem Mozart hatte es ihr angetan. Die Gräfin wurde am 18. Juli 1914 in München geboren. Ihre Kindheit und Jugend verbrachte sie im Jettinger Schloss, wo sie auch immer wieder ihren Cousin Claus Schenk Graf von Stauffenberg traf, zu dem sie wegen des geringen Altersunterschieds von sieben Jahren ein besonders gutes Verhältnis hatte. Dass Claus zum Kopf der Widerstandsbewegung gegen Adolf Hitler zählte, hatte sie nach eigenen Angaben nicht gewusst.
Vom Attentat hatte sie sogar erst einen Tag später, am 21. Juli 1944, erfahren. Dabei hätte Marie-Gabriele durchaus etwas von den Attentatsplänen wissen können. Bis 1943 war sie für einige Monate mit Joachim Kuhn verlobt gewesen, dem Mann, der später den Sprengstoff für das Attentat beschafft hatte. Doch ihre Liebe zu Kuhn endete tragisch, im August 1943 löste er die Verlobung. Grund dafür waren die unterschiedlichen Konfessionen der beiden, die Gräfin war katholisch, ihr Geliebter evangelisch. Seine Mutter hatte ihr Veto gegen eine katholische Trauung eingelegt. Marie-Gabriele sollte Kuhn nach dem gescheiterten Attentat nie wiedersehen, er kam in sowjetische Gefangenschaft, starb 1994. Über diesen Verlust sei die Gräfin nie hinweggekommen, erzählt ihr Neffe Franz. Umso bewegender ist es für ihn, dass seine Tante „Gagi“, wie er sie liebevoll genannt hatte, am selben Tag wie Kuhn gestorben ist – am 6. März. Franz Schenk Graf von Stauffenberg ist sich sicher, dass seine Tante bewusst auf diesen Tag hingelebt und ein besonderes Vermächtnis habe hinterlassen wollen.
Seine Tante werde ihm sehr fehlen, sie sei eine „eindrucksvolle Persönlichkeit“gewesen, die ihresgleichen suche. Auch wenn ihr Leben nach dem Juli 1944 aus den Fugen geraten sei, habe sie nie jemandem Vorwürfe gemacht. Die Beisetzung findet vermutlich in der kommenden Woche in Jettingen-Scheppach statt.