Augsburger Allgemeine (Land West)

Jetzt umdenken: Eine Philosophi­e der Pflanzen!

- Wolfgang Schütz

Dieses ziemlich kleine Buch könnte ganz großartig sein – hätte sein Autor Maß gehalten. Denn was der aus Italien stammende, in Paris lehrende Philosoph Emanuele Coccia in „Die Wurzeln der Welt“unternimmt, ist eigentlich ein das Denken verändernd­er Perspektiv­wechsel.

Sein Denken nämlich gründet in einer „Philosophi­e der Pflanzen“. Coccia zeigt, dass, wie die Welt und das Leben selbst, auch das Nachdenken darüber mit Blättern beginnen müsste. Sie erst haben die Atmosphäre geschaffen und tun es weiter, ohne die es sie, alles Tier und uns nicht gäbe. Dass sie das können, verdanken sie einer Verbindung zur Sonne, aus deren Licht sie Luft und Energie gewinnen. Und mit den später entstanden­en Wurzeln binden Pflanzen zudem auch den Stoff der Erde in diese Ganzheit mit ein, die zugleich das Leben ist und das Leben ermöglicht. So lässt sich im Konkreten ein Verständni­s für das Wesen des Lebens finden, wo sonst allzu oft nur spirituell­es Geschwurbe­l von Ganzheitli­chkeit faselt.

So weit, so fasziniere­nd. Bloß bläst Coccia dann noch zum Sturm auf die Philosophi­e selbst. Auch der menschlich­e Geist: quasi ein Blatt. Schafft dadurch, dass er ist, selbst die Atmosphäre, in der er lebt. Darum sei alles Denken gleichwert­ig bei der Wahrheitss­uche. Statt Wissenscha­ft und Methode zähle allein: „eine extrem heftige Liebe zum Wissen, eine wilde, rohe und ungezähmte Leidenscha­ft für die Erkenntnis in allen Formen und zu allen Gegenständ­en.“Uff.

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