Augsburger Allgemeine (Land West)
Gideon Samson Jakobs intensive Ferienfreundschaft
Das kann ja heiter werden. Jakob soll seine Ferien in Griechenland verbringen. Bei einem Vater, an den er sich kaum erinnert, in einem Dorf, in dem er niemanden kennt. Und das nur, weil seine Mutter mit ihrem neuen Freund alleine Urlaub machen will. Doch die anfangs öde Fahrt entwickelt sich für den 12-Jährigen zum besten Sommer seines Lebens. Denn keiner hat so ein ansteckendes Lachen wie Micha und schon gar niemand ist wie Puck.
Mit seinem Roman „Sternschnuppensommer“gelingt dem jungen niederländischen Autor Gideon Samson, der in seiner Heimat bereits einige Preise erhielt und für den internationalen Astrid-Lindgren-Gedächtnispreis nominiert ist, eine einfühlsame Geschichte über die Verwirrung der Gefühle an der Schwelle zum Erwachsenwerden. Sterne gucken, tanzen, den ersten Schluck Wein schlürfen, die Sonne genießen, bei Dunkelheit ins Meer hüpfen. Das sind die Abenteuer, die Jakob mit dem griechischen Nachbarsjungen Micha und seiner Freundin Puck erlebt. Aber die Ausflüge und gemeinsamen Tage am Strand bilden nur die Oberfläche der Handlung ab. Viel spannender ist das Gefühlschaos darunter.
Denn mit Micha lernt der schüchterne Jakob einen wahren Freund kennen. Mit ihm kann er über alles reden. Zwar ist er verunsichert, als der aufgeweckte Junge mit dem griechischen Akzent ihn fragt, ob er schon mal eine Freundin hatte. Aber solche Momente schweißen die beiden nur enger zusammen. Als Michas Ferienliebe Puck aus den Niederlanden plötzlich zu Besuch kommt, fürchtet Jakob um die traute Zweisamkeit. Aber stattdessen erkunden sie einfach zu dritt die Insel. Bis sich Jakob in Puck verliebt.
Eine Besonderheit in Samsons liebevoll erzähltem Roman ist die eigenwillige Perspektive. Denn der Erzähler spricht Jakob mit „Du“an. Das wirkt im ersten Moment befremdlich, doch bleibt man dadurch nah dran an der Hauptfigur. Denn das „Du“wirkt, als ob man im Kopf des Jungen stecken und seiner inneren Stimme lauschen würde. Eine Stimme, die das eigene Handeln reflektiert und Jakob näher zu sich selbst führt.
Nicht nur die intensive Freundschaft zu Micha und Puck bringen Jakob in seinem Entwicklungsprozess voran, sondern auch die Gespräche mit seinem Vater. Nach anfänglichen Schwierigkeiten entsteht ein inniges Verhältnis zwischen den beiden. Mit der vorsichtigen Frage, ob Jakob in Puck oder Micha verliebt sei, eröffnet ihm sein Vater eine neue Gedankenwelt, die Jakob hilft, sich über die eigenen Gefühle bewusst zu werden. Ganz beiläufig werden konventionelle Vorstellungen von Verliebtsein und Beziehungen über den Haufen geworfen. Das geschieht so unaufdringlich, dass man es als Leser kaum bemerkt.
In Gideon Samsons Roman verschwimmen die Grenzen zwischen Freundschaft und Verliebtsein. Mit Feingefühl führt der Autor seine Charaktere zueinander. Selbst ein Kuss zwischen Jakob und Puck kann das Vertrauen nicht brechen. Denn Micha ist dabei und stimmt vorsichtig lächelnd zu. Für Jakob fühlt sich der erste Kuss an wie eine kleine Erleuchtung. „Es ist, als würdest du mit einer Tüte Lakritze im Flugzeug sitzen. Bevor du die Tüte aufgemacht hast, hattest du noch keine Ahnung, wie gut es schmecken würde, aber nachdem die Verpackung einmal aufgerissen ist, kannst du nicht mehr aufhören zu futtern.“
Mit ungewöhnlichen Bildern wie diesem beschreibt Samson die Leichtigkeit, aber auch die verletzlichen Seiten einer Freundschaft, die niemals enden soll. Aber als Jakob und Puck sich heimlich ein zweites Mal küssen, gerät die Dreieinigkeit der Freunde aus dem Gleichgewicht.