Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn ein Mädchen verschwindet
Sie war 13 Jahre alt, hatte dunkelblonde Haare, sie hieß „Rebekka, Becky, oder Bex“. Auf einer Wanderung mit ihren Eltern in den Ferien läuft Rebekka nach einem Streit davon und taucht nicht mehr auf. Hundertschaften durchkämmen die karstige Gebirgslandschaft voller Höhlen und Felsspalten. Jeder ist auf den Beinen. Es gibt kein anderes Thema. Bleierne Schwere legt sich in „Speicher 13“über ein Dorf.
Und doch schleicht sich das Leben zurück: Lämmer müssen geschoren, Kühe gemolken, Dinge erledigt werden. Füchse kommen auf die Welt, die Wacholderdrosseln fliegen in den Süden, von dem Mädchen keine Spur. Ein erstes Fest wird wieder gefeiert, nach einigen Jahren verlässt Rebekkas Mutter das Dorf, die Ferienfreunde von einst beginnen ein Studium, werden erwachsen, Paare trennen sich, Kinder werden geboren, Karrieren beendet. Von Seite zu Seite gibt der britische Autor Jon McGregor dem Leben der Dorfbewohner mit ihren Sorgen, Nöten und Affären mehr Raum und den Lesern Rätsel auf. Ein Pulli wird gefunden, eine Festplatte zerstört, ein Indiz?
Geschickt macht McGregor den Leser zum Beobachter, dazu trägt der klare Erzählton viel bei. Es gibt keinen eindeutigen Fall und keinen ermittelnden Kommissar, McGregor erzählt, wie Menschen mit einer Tragödie umgehen. Mögliche Rückschlüsse überlässt er den Lesern. Spannend! Das Buch war letztes Jahr für den Booker Prize nominiert.