Augsburger Allgemeine (Land West)
Endlich weg von der Mutter
Sofia begleitet ihre hypochondrische Mutter Rose in eine Spezialklinik nach Spanien, in der Hoffnung, deren gelähmten Beine mögen geheilt werden. Aber kann die Mutter wirklich nicht laufen oder täuscht sie die Krankheit nur vor, um die Tochter an sich zu binden?
Im Roman „Heiße Milch“entwirft die britische Schriftstellerin Deborah Levy eine Mutter-Tochter-Beziehung, die für beide Seiten lähmend ist. Bis sich die 25-jährige Sofia Schritt für Schritt aus der Abhängigkeit ihrer Mutter befreit. Die studierte Anthropologin entdeckt ihre Sexualität neu, wagt Alleingänge und handelt selbst, anstatt nur zu beobachten. Der Roman brachte Levy 2016 eine Nominierung für den Booker-Prize ein. Dabei ist es weniger die Handlung, die das Buch auszeichnet, als vielmehr der poetische Sprachstil, der von starken Bildern durchzogen ist. Immer wieder tauchen Milchmotive zum Zeichen der Abhängigkeit zwischen Mutter und Kind auf und Quallen lassen sich wie die Protagonistin selbst durch das Meer treiben, um von Zeit zu Zeit lästige Touristen mit einem Stich abzuwehren. Levy jongliert mit Worten, dreht sie weiter und bettet sie in neue Sinnzusammenhänge. Davon geht auch in der deutschen Übersetzung von Barbara Schaden nichts verloren. Doch manche Bilder und Erzählstränge bleiben unklar. Dadurch wirkt der Roman an manchen Stellen unschlüssig und fast schon überladen an rätselhaften Symbolen. Trotzdem liest man weiter.