Augsburger Allgemeine (Land West)
Schluss mit dem Kontrollzwang
Schaffner sollen nicht mehr alle Fahrscheine überprüfen
Augsburg „Noch jemand zugestiegen?“, ruft der Schaffner durch den Waggon. Was folgt, sind altbekannte Bahnszenen. Da gibt es zum Beispiel den Planer, der dem Kontrolleur mit seinem in Klarsichtfolie verpackten Ticket schon drei Reihen zu früh zuwinkt. Es gibt den Pendler, der die Monatskarte samt Bahncard routiniert aus dem Geldbeutel heraus vorzeigt. Klar, ab und zu gibt es auch den Schwarzfahrer, der seine Taschen unnötig lange durchsucht oder spontan auf die Toilette flüchtet. Immer häufiger findet man einen ganz anderen Typen: den Onliner.
Statt eines Tickets auf Papier zieht er sein Smartphone aus der Jackentasche. Für den Schaffner ist das praktisch. Wer ein Ticket mit dem Handy gekauft hat und in den Zug eingecheckt ist, soll künftig gar nicht mehr kontrolliert werden. Weniger Arbeit für den Kontrolleur also. Nur woher soll der eigentlich wissen, welcher Fahrgast ein Onliner ist und welcher ein Offliner? Bahnkontrolleure scheinen ja einen siebten Sinn dafür zu haben, wer ihnen etwas vormacht. Die Profis rufen jedenfalls spätestens beim zweiten Rundgang nicht mehr nach den Zugestiegenen. Sie erinnern sich an den Herren im dunklen Anzug oder die Dame mit dem kleinen Hund, die ihr Ticket schon vorgezeigt haben. Erkennen sie künftig also auch den Studenten, der mit seinem Tablet dasitzt und bestimmt online eingecheckt hat? Starren Schwarzfahrer künftig total digital in technische Endgeräte, um so auszusehen, als seien sie eh den ganzen Tag im Netz unterwegs und würden dort auch ihre Zugfahrkarten buchen? So einfach ist das neue Kontrollprinzip dann doch nicht. Wie es funktioniert, erfahren Sie auf
Augsburg Während die einen im Zug ihr Ticket vorzeigen müssen, können sich die anderen künftig entspannt zurücklehnen. Denn wer sein Ticket mit dem Smartphone gekauft hat, soll im Zug bald nicht mehr kontrolliert werden. Dahinter steckt ein neues Fahrkartensystem bei der Deutschen Bahn.
Wie funktioniert der Fahrkartenkauf mit dem Smartphone?
Um eine Fahrkarte mit dem Smartphone zu kaufen, benötige man die App der Deutschen Bahn – den DB Navigator, erklärt ein Sprecher der Bahn. Über Lastschriftverfahren, Kreditkarte oder PayPal können die Kunden das Online-Ticket damit bezahlen. Die App ist kostenlos. Für Karl-Peter Naumann, Vorsitzender des Fahrgastverbandes Pro Bahn, ist dieser Service ein gutes Angebot. Dennoch sei es wichtig, auch die klassischen Kaufoptionen weiterhin anzubieten. „Es gibt genug Menschen, die kein Smartphone haben oder sich im Internet nicht auskennen“, sagt Naumann. Sie können weiterhin am Schalter, am Automaten oder telefonisch Tickets kaufen, versichert die Bahn.
Was soll das Handyticket kosten?
Das Ticket koste nicht mehr als eine Fahrkarte am Schalter oder auf der Website der Deutschen Bahn, sagt der Sprecher der Bahn. Wer allerdings den neuen Service nutzen möchte und nicht mehr kontrolliert werden will, müsse eine Sitzplatzreservierung haben. Nur so könne man online einchecken. Das kostet – je nach Zug und Strecke – einen Aufpreis.
Woher weiß der Schaffner, dass ich bereits online eingecheckt habe?
Sobald der Kunde den Zug betritt, könne er mittels Smartphone einchecken, erklärt der Sprecher. Das funktioniert über die App der Deutschen Bahn. Das Smartphone muss dabei mit dem Internet verbunden sein. Einchecken kann man erst, wenn man sich im Zug befindet. Nach dem Check-in wird der Zugbegleiter darüber informiert. Der Kontrolleur sieht dann auf seinem Kontrollgerät eine Übersicht über die Passagiere, die bereits einge- checkt haben. Sie sollen nicht mehr kontrolliert werden. Sollte man während seiner Reise jedoch umsteigen, muss beim Einstieg in den anderen Zug erneut eingecheckt werden, erklärt der Bahnsprecher.
Was passiert, wenn die Reservierung nicht zum Platz passt?
Leider komme es ab und zu vor, dass ein Zug ausfalle und stattdessen ein Ersatzzug fährt, sagt der BahnSprecher. Dann passen die Reservierungen nicht mehr zu den Plätzen im Zug. Auch das Online-Check-in funktioniert dann nicht mehr. In diesem Fall müssen Kunden, die ihr Ticket mit dem Smartphone gekauft haben, das elektronische Ticket vorzeigen. Die Gebühr für die Reservierung wird nicht erstattet.
Welche Züge sind betroffen?
Das neue Fahrkartenprinzip wird von der Deutschen Bahn bereits seit Juli vergangenen Jahres auf sechs Strecken getestet. Ab Mai soll der Service sukzessive auf alle ICE-Strecken in Deutschland ausgeweitet werden. IC-Züge und Bahnen im Nahverkehr seien vom neuen Service ausgenommen.
Was tut der Schaffner, wenn er nicht mehr kontrollieren muss?
Der Sprecher der Bahn erklärt, dass auch in Zukunft nicht auf Kontrolleure verzichtet werden soll. Zugbegleiter sollen künftig mehr Zeit für den persönlichen Service haben. Sie sollen sich zum Beispiel mehr um die Fragen der Passagiere zum Reiseverlauf kümmern. Darauf hofft auch Karl-Peter Naumann von Pro Bahn. Er begrüßt eine mögliche Entlastung der Zugbegleiter.
Wie viele Menschen fahren bereits heute mit Onlinetickets Bahn?
Nach Auskunft der Bahn fahren bereits heute etwa 40 Prozent der Bahnkunden mit Tickets, die online gekauft wurden. Also über Website oder App auf dem Smartphone. Rund ein Viertel der Passagiere kauft sein Zugticket am Automaten. Darunter seien jedoch hauptsächlich Kunden im Nahverkehr, erklärt der Sprecher. Im Zug selbst kaufen nur noch sehr wenige Menschen ihr Ticket. Die Zahl liege im niedrigen einstelligen Prozentbereich, erklärt der Sprecher. Allerdings ist das auf vielen Strecken der Bahn auch nicht mehr erlaubt.