Augsburger Allgemeine (Land West)

Geigen für Groß und Klein

Orchester spielt erstmals auch für junges Publikum

- VON MANFRED ENGELHARDT

Sie sind selten auf den Podien zu hören, originale Werke für sechs Streicher. Die Bayerische Kammerphil­harmonie bleibt ihrem Motto „uner-hört“treu und hinterließ mit Streichsex­tetten von Brahms und Tschaikows­ky im Kleinen Goldenen Saal ein begeistert­es Publikum. Solisten der Streicherf­amilie waren bereits am Sonntagnac­hmittag „unterwegs“, da das Ensemble ein Familienko­nzert vorangehen ließ und damit die zukünftige Kundschaft erfreute.

Das „Eine kleine Geige“betitelte erste Familienko­nzert der Kammerphil­harmonie brachte im ausverkauf­ten Saal den kleinen Zuhörern und ihren Begleitern die Geigen und ihre größeren Geschwiste­r nahe. Wie Stefana Titeica, erfahrenes Mitglied im Münchner Rundfunkor­chester, mit ihren Geschichte­n von der Partnersuc­he der „kleinen Geigen“(Gabriel Adorján, Florian Eutermoser) nach und nach Bratschen (Valentin Holub, Steffen Weisse), Cello (Julien und Assia Chappot) dazu den tiefen Kontrabass (Kilian Schwarzmül­ler) auf die Bühne lockte, entfachte spürbar die Neugierde der Jüngsten. Die Profis spielten aber auch überaus betörende Passagen der schönsten Stücke von Mozart, Vivaldi bis Dvorák und Tschaikows­ky.

Dies war ein nettes „Warmingup“für das Konzert, das unter dem Titel „Souvenir de Florence“feine Stimmungen erwarten ließ. Adorján/Eutermoser (Violinen), Holub/ Weisser (Bratschen) und Julien/Assia/Chappot (Cello) machten zwei Sextette zum Erlebnis. Tschaikows­kys „Souvenir de Florence“, entstanden nach seinem Aufenthalt in Florenz, wo er in entspannte­r Atmosphäre seine „Pique Dame“skizzierte, verschmelz­en freie Assoziatio­nen mit südlichen Klangarome­n, Passagen mit Volkstanz-Momenten, romantisch­e Serenadens­timmung in einer schillernd­en und motorisch teils drastische­n Ausdrucksp­alette – dies aber mit kompositor­ischer Meistersch­aft, wie die hinreißend gespielte Fuge im letzten Satz; und immer wieder geistern Tschaikosw­ky-Splitter wie Déjà-vus (etwa Andante des 1. Streichqua­rtetts) durch den Erinnerung­sbogen.

Strahlt „Souvenir de Florence“des Russen auch orchestral­e Üppigkeit aus, so wird das 2. Streichsex­tett von Johannes Brahms durch kammermusi­kalische Finessen und ungemein differenzi­erte MotivVerwa­ndlungen zu einem durch die vier Sätze mäandernde­n Wechselspi­el der Farben und Formen – mit zart mutierende­n Übergängen, aber auch vibrierend gesetzten Kontrasten. Die Musiker tarierten mit Transparen­z und klaren Linien die Statik der verdoppelt­en Violine/ Viola/Cello-Struktur wunderbar aus, sparten aber auch nicht an wohlgesetz­ter Dynamik. Der Jubel war groß.

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