Augsburger Allgemeine (Land West)
Wo ist die gefühlte Mitte von Neusäß?
Ein Immobilienfachmann sieht große Chancen für die Zukunft im alten Gewerbegebiet. Doch nicht nur Wohnraum könnte dort entstehen. Es komme es auch darauf an, passende Unternehmen für die Zukunft anzuziehen
Neusäß Wo ist in Neusäß eigentlich die gefühlte Mitte? Für Immobilienfachmann Maurizio Siniscalchi ist das ganz einfach: Es ist der Bereich des heutigen Gewerbegebiets Mitte. Deshalb ist ihm schon seit vielen Jahren klar: Hier muss eine Wohnbebauung hin, und zwar im Einklang mit den Firmen, die dort ihren Sitz behalten wollen. Der Neusässer versteht deshalb nicht, warum die Stadt sich nicht regelrecht um die Grundstücke der Eigentümer reiße, die bei der Interessensgemeinschaft für die Umwandlung des Gewerbegebiets in eine Lösung mit Wohnbebauung unterschrieben haben. „Mir war schon vor 20 Jahren klar, dass es in der Stadt einmal Probleme mit Grundstücken für Wohnhäuser geben werde“, sagt er.
Und jetzt biete sich eine einmalige Gelegenheit: „Wo gibt es das schon, dass 95 Prozent der Grundstückseigentümer an einem Strang ziehen?“, beschreibt er.
Maurizio Siniscalchi ist einer von jenen, die mit Edwin Ferhadbegovic die Idee des urbanen Wohnens oder eines Mischgebiets in der Mitte von Neusäß vorantreiben wollen. Dabei ist das Modell des urbanen Wohnens rechtlich ganz neu. Erst seit wenigen Monaten ist es damit möglich, Gewerbegebiete und Wohnungen näher aneinanderrücken zu lassen. Ähnlich ist das in einem Mischgebiet, in dem sowohl Wohnen als auch Arbeiten möglich sind. „Voraussetzung ist aber, dass das Gewerbe die Nachbarn nicht stört“, erinnert Bürgermeister Richard Greiner. Er sieht eine kurzfristige Umwandlung skeptisch und setzt auf eine schrittweise Veränderung. Er weiß von Firmen, die sich nicht jetzt, sondern vielleicht in zehn Jahren verändern wollen. „Aber das ist dann von der Konjunktur abhängig“, so der Bürgermeister.
Zudem fallen strategische Entscheidungen nicht überall vor Ort. Erst seit wenigen Wochen ist Michael Marien Geschäftsführer bei Columbus-Treppen. Das Unternehmen gehört zur Roto-Gruppe und beschäftigt in Neusäß rund 70, teilweise langjährige Mitarbeiter. Für viele von ihnen sei die Nähe von Arbeitsplatz und Wohnen ein Vorteil, hat er bereits erfahren. Und auch Richard Greiner weiß, dass etwa die Nähe zur Thomas-MorusKindertagesstätte oder zur Eichenwaldschule für arbeitende Eltern in dem Gewerbegebiet als Vorteil angesehen wird.
Dennoch ist auch für ein Unternehmen wie Columbus-Treppen die in die Jahre gekommene Infrastruktur in den Betriebsabläufen spürbar. So wird das etwa einen Hektar große Betriebsgelände von der Dieselstraße zerschnitten. „Sicher, da muss man jedes Mal schauen, dass man unfallfrei über die Straße kommt. Das ist schwierig, da brauchen wir nicht diskutieren“, so Michael Marien. Das sei auch dem Vorstand des Unternehmns bewusst, der durchaus über das Thema spreche. Generell könne es für ein Unternehmen wie die Treppenfirma, die in der ganzen Welt Kunden hat, etwa von Vorteil sein, in der Nähe eines Flughafens zu produzieren. Für eine Zukunftsentscheidung wolle der Vorstand sich jedoch die nötige Zeit nehmen.
Sollten Unternehmen in Zukunft einen anderen Standort finden, könnte sich Immobilienfachmann Maurizio Siniscalchi durchaus eine passende Nachnutzung vorstellen, die eine Art Puffer zwischen neuem Wohnen und altem Gewerbe darstellen könnte: Labors und Büros, die im Zusammenhang mit der Uniklinik entstehen.