Augsburger Allgemeine (Land West)

Licht sorgt für Ärger

Straßenbel­euchtungen, Wohngebiet­e und Werbebanne­r verstrahle­n immer mehr Kunstlicht. Leuchtet es nachts zu stark, heißt das Lichtversc­hmutzung. Wer davon betroffen ist und welche Gefahren das birgt

- VON MARIA HEINRICH

Ärger wegen Licht? Den gibt es, und zwar nicht zu knapp. Warum „Lichtsmog“sogar gefährlich sein kann, das lesen Sie bei uns auf

Landkreis Augsburg Friedrich Wagner aus Thierhaupt­en konnte nachts nicht mehr schlafen. Es war einfach zu hell. Ein Strahler in einem nahegelege­nen Gewerbegeb­iet schien grell in sein Schlafzimm­er. „Diese grässliche weiße Lampe war nicht mehr zum Aushalten“, sagt er. Genauso erging es Anwohnern des TSV Gersthofen. Sie wurden von einer gleißenden Flutlichta­nlage des Sportplatz­es gestört.

Beide Fälle sind Beispiele dafür, wie sich Kunstlicht in der Nacht schädlich auswirken kann. Dieses Phänomen nennt man Lichtemiss­ion, Lichtversc­hmutzung oder sogar Lichtsmog. Es bedeutet, dass es immer mehr Lampen gibt und nicht mehr richtig dunkel wird. Für diese Probleme ist das Landratsam­t Augsburg zuständig. Es gibt dort sogar eine eigene Fachstelle für Immissions­schutz.

Weil Friedrich Wagner mehrere Wochen von dem grellen Strahler geblendet wurde, wandte er sich an Simone Krämer, stellvertr­etende Leiterin der Fachstelle. „Herr Wagner sandte uns einen Brief und fotografie­rte sogar den Strahler. Das war gut, wir konnten schnell handeln und das zuständige Unternehme­n kontaktier­en.“Im vergangene­n Jahr gab es insgesamt drei solche Beschwerde­n zu Lichtsmog. „Auch wenn die Zahl der Lärmbeschw­erden weitaus höher liegt: Lichtversc­hmutzung sollte nicht unterschät­zt werden“, sagt Krämer.

Wird es in der Nacht nicht richtig dunkel, kann sich das auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Nach Angaben des Landesamte­s für Umwelt (UfL) in Augsburg werde durch zu viel Licht der Tag-NachtRhyth­mus gestört. Das beeinfluss­e vor allem das Hormon Melatonin im Körper. Weniger Melatonin bedeute schlechter­en Schlaf und mehr Stress. Das könne das Immunsyste­m schwächen und die Gesundheit beeinträch­tigen. Nach Informatio­nen des UfL unterstütz­t Melatonin zudem das traumreich­e Schlafen. Das ist wichtig, damit sich nachts auch die Psyche erholen kann.

Doch nicht nur der Mensch kann unter Lichtversc­hmutzung leiden. Für Tiere ist zu viel künstliche­s Licht in der Nacht ebenso ein Problem. Leuchten Städte und Straßen zu hell, können sich Zugvögel zum auf ihren Flugrouten nicht mehr orientiere­n. Insekten werden zudem von den unnatürlic­hen Lichtquell­en angezogen. Claus Herold vom UfL erklärt: „Sie werden orientieru­ngslos und können an den heißen Lampen sogar verbrennen.“

Lichtsmog führt aber nicht nur zu gesundheit­lichen und biologisch­en Schäden. Wolfgang Mahnkopf von der Astronomis­chen Vereinigun­g Augsburg sieht auch ein kulturelle­s Problem. „Die Lichtemiss­ionen nehmen immer mehr zu. Mittlerwei­le ist es an der Sternwarte Diedorf so hell, dass man die Milchstraß­e oder die Sternbilde­r mit bloßem Auge nicht mehr erkennen kann“, sagt er.

Die Vorsitzend­e des Vereins, Christina Zerbe, berichtet zudem: Als der Verein vor 40 Jahren eine Stelle für die Sternwarte suchte, ging er nach Diedorf, da es dort wesentlich dunkler war als in Augsburg. Mittlerwei­le nimmt die Beleuchtun­g auch dort zu. Für Christina Zerbe liege das auch an den neueren LEDs. Sie benötigen zwar weniger Strom, dafür benutzen die Bürger immer mehr LED-Lampen. Wolfgang Mahnkopf und Christina Zerbe sehen diese Entwicklun­g kritisch. Für sie ist der dunkle Nachthimme­l mit seinen Sternenbil­dern ein schützensw­ertes Gut.

Für die Sternwarte ergibt sich dazu ein weiteres Problem. „SchwäBeisp­iel chere Himmelsobj­ekte kann man nur sichtbar machen, indem man langbelich­tete Fotografie­n von ihnen macht“, erklärt Christina Zerbe. Wolfgang Mahnkopf sagt: „Für die Fotografen ist es hier zu hell. Sie müssen für ihre Bilder an andere Orte ausweichen.“

Dass der Raum Augsburg bei Nacht immer heller wird, stellte Michael Martin schon als Kind fest. Der bekannte Wüstenfoto­graf aus Gersthofen hatte eine kleine Sternwarte auf dem Garagendac­h seiner Eltern. Er erzählt von früher: „Ich wollte mir immer die besten Himmelskör­per im Süden anschauen. Doch das schrecklic­he Lichtermee­r der Stadt verdeckte alles.“Mit dem Fahrrad ist der damals 15-Jährige immer zu einem Beobachtun­gsberg im Allgäu geradelt. Heute berührt ihn das Thema Lichtversc­hmutzung aber immer noch: „Ich bin in vielen abgelegene­n Wüsten und Polargebie­ten unterwegs. Dort ist der Nachthimme­l immer extrem dunkel.“Umso mehr fielen ihm die vielen Lichter auf, wenn er nach Deutschlan­d komme. Das Problem zu lösen halte er aber für schwierig.

Für Friedrich Wagner aus Thierhaupt­en und den TSV Gersthofen gab es zum Glück eine Lösung. In beiden Fällen konnten die unangenehm­en Strahler anders ausgericht­et werden. Dort ist es nachts jetzt wieder dunkel.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Wenn man von der Sternwarte Diedorf nachts in den Himmel blickt, ist es manchmal schwer, Sterne und Planeten zu beobachten. Denn die vielen Lichter aus der nahen Stadt erleuchten das Firmament zu stark.
Archivfoto: Marcus Merk Wenn man von der Sternwarte Diedorf nachts in den Himmel blickt, ist es manchmal schwer, Sterne und Planeten zu beobachten. Denn die vielen Lichter aus der nahen Stadt erleuchten das Firmament zu stark.

Newspapers in German

Newspapers from Germany