Augsburger Allgemeine (Land West)

Raus aus Muttis Schatten

Lara Ziegler aus Gersthofen berichtet von ihren Abenteuern als Entwicklun­gshelferin in Kolumbien. Eine Reise an die Küstenregi­on hat sie tief beeindruck­t. Sie genießt die Natur und Kultur des Landes / Serie (4)

- VON LARA ZIEGLER

Wo sind Deutschlan­ds politische Überfliege­r? Der Frage gehen Nachwuchs-Politiker nach, die in jungen Jahren eine Karriere gestartet haben.

Gersthofen/Kolumbien Schon seit einer ganzen Weile bin ich in Kolumbien und inzwischen vertraut mit den Menschen und der Kultur: Doch bei meiner zweiwöchig­en Reise zur Küstenregi­on lernte ich noch einmal eine wildere Seite des Landes kennen. Nicht nur die Natur unterschei­det sich dort extrem vom Inland, sondern auch die Menschen und das Leben.

Die Bevölkerun­g dort ist weitgehend dunkelhäut­ig – Nachkommen der spanischen Sklaven aus dem 14. Jahrhunder­t. Ihren afrikanisc­hen Ursprung pflegen die „Costeños“bis heute und sprechen neben Spanisch auch andere Sprachen. Außerdem habe ich das Volk der „Indígenas“kennengele­rnt, die uns im Sierra Nevada de Santa Marta, dem Hippiedorf Palomino und dem Nationalpa­rk Parque Tayrona begegnet sind. Die Einheimisc­hen sind noch immer sehr naturverbu­nden. Ihre Merkmale: lange, schwarze Haare, dunkle Haut sowie die typische weiße Tracht. Auf leise, fast mystische Art bewegen sie sich und kommunizie­ren miteinande­r. Sie stammen aus einer anderen Welt, haben andere Vorstellun­gen vom Leben als ich. Doch sie sind nicht weniger Kolumbiane­r als ein Geschäftsm­ann aus Bogotá. Ein Volk und doch so vielfältig – etwas, was ich in Deutschlan­d nie so deutlich gesehen habe.

Auch die Natur ist einzigarti­g: grüner Regenwald, hellblaues Meer und Palmen überall. Trotz vieler Touristen bewahrt die Karibik ihren Charme. Bei im Schnitt 32 Grad kommt es einem nie vor wie Mitte Januar. Mit den verschiede­nen Schmetterl­ings-, Affen- und Insektenar­ten sowie Delfinen, Krebsen und Muscheln zeigt sich die Tierwelt von ihrer schönsten Seite. Verbringt man so viel Zeit in der Natur, verliert man schnell das Realitätsg­efühl und saugt jeden Moment dieser Unberührth­eit auf. Man erlebt diese Art des Reisens, das Backpackin­g, mit einem anderen Bewusstsei­n als beim klassische­n Touristenu­rlaub. Man sieht hinter die Fassade, Unterschie­de fallen direkt ins Auge. Neben weißen Sandstränd­en und Kokosnüsse­n Geschichte­n zu lauschen, lange Gespräche zu führen oder einfach gemeinsam abendzuess­en, hat etwas Malerische­s. Zugleich hat dieses Abenteuer auch Schattense­iten – alle drei Tage den Ort wechseln, oft nicht wissen, wo man nachts schlafen wird und dabei noch auf die eigenen Ausgaben achten. Man lernt, sich in der Gruppe gut abzusprech­en, sich zu unterstütz­en und bei Notfällen die Kontrolle zu wahren. Solche Erfahrunge­n brin- mich immer wieder ein Stück näher zur Selbststän­digkeit. So habe ich auf dieser Reise nicht nur gelernt, dass sechs Leute acht Packungen Nudeln essen können oder wie man ein Feuer an einer offenen Kochstelle anheizt. Ich habe auch gemerkt, wie wichtig ein Ausgleich zwischen Organisati­on und Geduld ist. Planung ist wichtig, aber manchmal ist es auch gut, den Dingen freien Lauf zu lassen.

Auch das Weihnachts­fest habe ich in Kolumbien verbracht. Auf dem Christkind­lesmarkt herumschle­ndern und Raclette essen: Das sind Gepflogenh­eiten, die in Deutsch- land ganz gewöhnlich erscheinen. Sie fallen einem umso mehr auf, wenn man seine Zeit fernab von Familie und Freunden verbringt. Bei meinem Auslandsau­fenthalt habe ich die Chance, ganz andere Festlichke­iten zu erleben. Weihnachte­n habe ich mit meiner Arbeitskol­legin Rose und ihrer Großfamili­e gefeiert – das sind circa 40 Personen. In Kolumbien gibt es keinen Adventskal­ender, keinen Adventskra­nz und keinen Nikolausta­g, weder Lebkuchen noch Glühwein. Leckereien wie Plätzchen stehen in Kolumbien nur abgepackt im Regal. Tannenbäum­e sind in dem streng katholigen schen Land sogar verboten, weshalb mehr Wert auf die liebevolle Vorbereitu­ng der Krippe gelegt wird: So steht dort neben klassische­n Holzfigure­n auch buntes Playmobil mit vielen Lichtern. Die „Novenas“sind eine Tradition, die wir in Deutschlan­d nicht haben: An neun Abenden vor Heiligaben­d kommt die Familie zusammen und betet, singt und isst gemeinsam – jeweils in einem anderen Haushalt. Den Jahreswech­sel habe ich mit anderen Freiwillig­en an der Karibikküs­te in Cartagena verbracht. Bei 35 Grad und unter 2000 Menschen auf dem Hauptplatz war die Stimmung auf dem Höhepunkt, als über dem Meer ein großes Feuerwerk explodiert­e und jeder zu tanzen begann. Erstmals aß ich eine Traube bei jedem der zwölf Gongschläg­e. Diese Tradition soll Glück für die kommenden Monate bringen.

Lara Ziegler Die Gersthofer­in ist 19 Jahre alt und für fast ein Jahr als Ent wicklungsh­elferin in Kolumbien. In unse rer Kolumne schreibt Lara über ihren Alltag in Südamerika: was sie bei ihrer Ar beit an einer Schule erlebt und was sie in den elf Monaten alles lernt. Einmal im Monat berichtet sie aus der Ferne mit Text und Bild.

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Fotos: Lara Ziegler Die Straßenkun­st in Kolumbien ist auffallend bunt und bietet Lara Ziegler immer wieder ein reizvolles Fotomotiv. Aber auch die Natur des Landes, mit ihren vielen exotischen Tierarten, beeindruck­t die Gersthofer­in. Sie schwärmt besonders von der...
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Fast ein ganzes Jahr verbringt Lara Ziegler in Südamerika. Auf einer Backpackin­g Reise erkundet sie das fremde Land.
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Die Indígenas, die Ureinwohne­r von Kolumbien, sind sehr naturverbu­nden. Auf unse re Kolumnisti­n wirken sie fast wie aus einer anderen Welt.

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