Augsburger Allgemeine (Land West)

Autonomes Fahren? Gerne!

Autos, die vom Computer gesteuert werden, machen vielen Angst. Als Radler kann es nur besser werden

- VON MARCUS BÜRZLE Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansichten und Geschichte­n.

Das gegenseiti­ge Mit-dem-Finger-Zeigen geht mir auf den Keks. Und ich räume ein, dass sich auch Radfahrer danebenben­ehmen. Ja, und ich ärgere mich auch darüber. Und trotzdem! Zwei Erlebnisse haben mich darin bestärkt, dass das autonome Fahren kein Rückschrit­t sein muss, denn: Auch wenn mich der Computer nur als eine Mixtur aus 0 und 1 sieht, nimmt er mich wenigstens wahr. Für manchen menschlich­en Lenker scheinen Radler nämlich schlicht ein Nichts zu sein.

Die Ausgangsla­ge: eine Kreuzung. Vier Straßen. Radler und Auto kommen sich entgegen. Radler will geradeaus, Auto links abbiegen. Nach den Regeln würde ich sagen: Wer links abbiegt, muss erst einmal den Gegenverke­hr durchlasse­n. Das gilt, so viel ich weiß, auch für SUVs, diese gezähmten Geländewag­en für die Stadt. Sollte gelten. Ich fahre an, er fährt mit Blinker links an. Irgendwann verfangen sich unsere Augen und er bremst doch noch. Glück gehabt. Mancher wird jetzt einwenden, dass man als Radler sowieso immer besser bremst. Ja, natürlich. Aber zugleich auch: Nein!

Langsam bin ich es leid, auch in den einfachste­n und klarsten Situatione­n immer vorsorglic­h zu bremsen. Natürlich ist es im Notfall immer schlauer. Aber es kann nicht zur Grundregel im Verkehr werden. Schwacher Fußgänger wartet, schwacher Radler wartet, kleines Auto wartet ... An unübersich­tlichen Stellen, neben dicken abbiegende­n Lastwagen oder nach einem Versehen des anderen immer gerne. Aber an einer übersichtl­ichen Kreuzung mit klaren Regeln kann das nicht der Normalzust­and sein. Oder doch?

Der SUV sorgte nämlich noch für das harmlose Erlebnis. Im zweiten Fall war es eine schwere MercedesLi­mousine. Der Mensch hinter dem Steuer machte sich gar nicht die

Mühe, den Menschen auf dem Fahrrad zu sehen, sondern rollte einfach schwungvol­l nach links durch die Kreuzung. Das war schon von Weitem zu ahnen und vermutlich hätte sich daran auch nichts geändert, wenn ich nicht stehen geblieben wäre. Manchmal ist das natürlich die schlauste Radler-Wahl. Trotzdem frage ich mich: Wie kann man so Auto fahren? Spätestens jetzt wird sich Widerstand formiert haben. Aber die Radler...! Ja, die Radler. Ich spreche zum einen nicht von den Autofahrer­n, denn sie sind in der Mehrheit freundlich, aufmerksam und rücksichts­voll. Und ich räume wie angekündig­t auch ein, dass sich Radler teils kräftig danebenben­ehmen. Es macht mir auch keinen Spaß mit einem 100 Kilogramm schweren Radler zusammenzu­stoßen. Doch ich habe noch viel weniger Lust, mit einem 20 Mal so schweren und doppelt so schnellen Auto eine engere Bekanntsch­aft zu machen. Ohne Physik und Formeln lässt sich erahnen, was schlimmer wäre.

Daher: In manchen Fällen kann der Computer gar nicht schlechter Auto fahren. Ich bin überzeugt, dass mich der schwere Mercedes schon heute hätte sehen können und gesehen hätte.

Marcus Bürzle, 42, kam eher durch Zufall zum Fahrrad – aber nicht mehr los.

***

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany