Augsburger Allgemeine (Land West)
Schwere Geburt für Entbindungsstationen
Die Wertachkliniken haben ein Mathe-Problem mit einem Berechnungsschlüssel. Sie sollen auf Geld verzichten, weil der Landkreis-Norden so groß ist und Augsburg den Frauen von dort den Weg abschneidet
Bobingen/Schwabmünchen Es ist eine schwere Geburt: Die Absicherung freiberuflicher Hebammen an Krankenhäusern ist im Landkreis Augsburg schon seit 2014 ein Thema. Zunächst schien es wenig dramatisch. Inzwischen sind im ganzen Freistaat viele Entbindungsstationen geschlossen. Ein Förderfonds wird gerade auf Landesebene aufgestellt, um die Entwicklung zu stoppen. Doch ausgerechnet die Wertachkliniken in Bobingen und Schwabmünchen drohen leer auszugehen.
Das hat nichts mit ihrer Arbeit oder ihrem Erfolg zu tun, sondern mit der Geografie und der zentralen Lage der kreisfreien Stadt Augsburg, die insbesondere aus dem Landkreisnorden viele Mütter zur Entbindung ins Klinikum oder Josefinum zieht. Das wirkt sich in einer speziellen Statistik verheerend für die Wertachkliniken aus. Und ausgerechnet deren Berechnungsschlüssel ist entscheidend für die Vergabe von Fördermitteln an die Geburtenstationen.
Über den Hintergrund hatte diese Zeitung schon mehrfach berichtet: Es geht um europaweites Recht und die unterschiedlich beantwortete Frage, ob Geburtshilfe durch Hebammen zur Grund- und Regelversorgung kleiner Krankenhäuser gehört oder zentralisiert werden sollte. Hinzu kommen zunehmende Regularien beziehungsweise Anforderungen an die Häuser.
Das hat bundesweit zu Problemen und einer Verschlechterung der wohnortnahen Geburtshilfe geführt beziehungsweise diese bedroht. Einher gingen stark steigende Prämien für die berufliche Haftpflichtversicherung der freien Hebammen. Sie an den Krankenhäusern zu halten, wurde immer schwerer. Viele gaben den Beruf auf oder eröffneten eigene Geburtshäuser. So entstand auch an den Wertachkliniken ein Personalproblem.
Inzwischen geht es landesweit um den Erhalt der Kreißsäle in den ländlichen Räumen. Zuschüsse aus München sollen die Krankenhäuser nun finanziell absichern und für Hebammen als guten Arbeitsplatz interessant machen.
In Bobingen und Schwabmünchen wäre die Welt eigentlich in Ordnung, sagt Landtagsabgeordnete Carolina Trautner (CSU). Mit rund 700 Geburten an den Wertachkliniken wäre die erste Hürde für künftige Förderung locker erfüllt. Das Problem ist eine zweite Hürde: Aus dem Landkreis muss mindestens die Hälfte aller Entbindenden ein Krankenhaus innerhalb des Kreises nutzen. Doch das scheint nicht erreichbar: Denn den werdenden Müttern aus dem größeren Landkreisnorden liegen die Häuser in Augsburg näher als die Wertachkliniken. Die 50-Prozent-Hürde ist damit nicht zu knacken.
Parteiübergreifend versuchen Kommunal- und Landespolitiker nun, für das Augsburger Land eine Sonderregelung zu erreichen. Der Landrat und Bürgermeister seien mit im Boot, sagt Trautner. Seit Dezember werbe sie bei Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml um eine Regelung, die die Besonderheit des großen Flächenlandkreises Augsburg mit der zentralen Stadt berücksichtige. Doch die Ministerin tut sich offenbar schwer. Noch kam es zu keinem Lösungsgespräch.
Auch der heimische Landtagsabgeordnete Johann Häusler (Freie Wähler) kämpft um Aufmerksamkeit in München für den Sonderfall Augsburg. Immerhin geht es um 40 Euro Zuschuss pro Geburt. Hinzu kommt eine nachträgliche Beteiligung des Freistaates am etwaigen Jahresdefizit der Geburtsabteilungen.
Im Grunde sei der von seiner Gruppierung mit initiierte Fonds also ein „willkommenes Instrument zur langfristigen Sicherung der dezentralen Krankenhäuser im Umfeld des neuen Uniklinikums“. Und es gehe darum, dass auch im ländlichen Raum entsprechende Kliniken vorgehalten und dauerhaft erfolgreich betrieben werden können. Daher sollen nicht ausgerechnet die Wertachkliniken aus dem Programm fallen.