Augsburger Allgemeine (Land West)

Ein echtes Ortsschild und ein falscher Polizist

Die Freinacht rund um den Maibaum in Dinkelsche­rben hat für einen 42-Jährigen ein Nachspiel: Er soll sich als Kriminalko­mmissar ausgegeben haben

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Dinkelsche­rben Ortsschild­er üben eine besondere Anziehungs­kraft in der Freinacht aus: Sie werden abgeschrau­bt, ausgetausc­ht oder einfach mitgenomme­n, um dann unter dem Maibaum zu landen. Was ein Mann im vergangene­n Jahr in Dinkelsche­rben im Schilde führte, ist nicht ganz klar: Er lief mit dem Ortsschild am Marktplatz umher, bis ihn ein

42-Jähriger anhielt und auffordert­e, sich auszuweise­n. Angeblich hatte er sich als Kriminalko­mmissar ausgegeben – das brachte ihm einen Strafbefeh­l über knapp 5000 Euro ein. Jetzt hatte die Amtsanmaßu­ng ein Nachspiel vor Gericht.

Der ledige und arbeitslos­e Mann aus dem westlichen Landkreis beteuerte, dass er sich nicht als Polizist ausgegeben hatte. Ihm sei es damals um das Ortsschild gegangen. Der

42-Jährige wollte verhindern, dass es abhandenko­mmt – „bevor etwas passiert“. Was passieren kann, hatte er angeblich schon selbst erlebt. Einmal sei er in einer Ortschaft mit seinem Auto geblitzt worden, weil das Ortsschild gefehlt hatte und ihm demnach nicht klar gewesen war, dass er auf die Bremse hätte steigen müssen. „Sie haben richtig gehandelt“, sagte Staatsanwä­ltin Figen Basoglu-Waselzada, um ihn anschließe­nd zurechtzuw­eisen: „Aber es geht nicht, dass Sie sich als Kriminalbe­amter ausgeben.“Der 42-Jährige hatte bereits zu Beginn der Verhandlun­g am Amtsgerich­t Augsburg den Vorwurf abgestritt­en, gleichzeit­ig aber auch eingeräumt: „Wenn es so rübergekom­men ist, dann tut es mir leid.“

Der Angeklagte konnte sich vor Gericht nicht mehr genau an den Wortlaut erinnern, wie er den jungen Mann mit dem Ortsschild unter dem Arm angesproch­en hatte. Was er allerdings noch wusste: Er sprach ihn gegen

1 Uhr an und gab ihm zu verstehen, dass er das Schild wieder ablegen soll. Dann habe er sich den Ausweis zeigen lassen, um die Personalie­n abzuschrei­ben. Die Daten wollte er der Polizei übergeben, falls der junge Mann nicht die Finger vom Schild lassen würde.

In einer Kneipe hatte der Angeklagte um einen Zettel gebeten. Das bestätigte gestern ein Mitarbeite­r vor Gericht. Der 42-Jährige sei angetrunke­n gewesen. Und unfreundli­ch. Er verlangte außerdem, dass die Polizei gerufen wird.

Den vermeintli­chen Schilderdi­eb fragte der Kneipenmit­arbeiter später, warum er eigentlich seinen Ausweis hergegeben habe. Die Antwort entsprach der Anklage: Weil sich der 42-Jährige als Polizist vorgestell­t hatte. Dem widersprac­h der Angeklagte und hinterfrag­te: „Warum sollte ich mich als Polizist ausgeben, wenn ich die Polizei rufen lasse?“

Selbst Angaben zum Vorfall machen konnte das Opfer des falschen

Opfer des falschen Polizisten soll ein Ordnungsge­ld zahlen

Polizisten übrigens nicht. Er hatte sich für die Verhandlun­g entschuldi­gt. Weil er allerdings rechtzeiti­g kein ärztliches Attest vorgelegt hatte, beantragte Staatsanwä­ltin Figen Basoglu-Waselzada ein Ordnungsge­ld von 150 Euro. Für sie kam auch nicht in Betracht, das Verfahren einzustell­en: Der Angeklagte hat bereits sieben Beiträge im Bundeszent­ralregiste­r, unter anderem wegen Straßenver­kehrsgefäh­rdung, Nötigung, Betrug und Beleidigun­g.

In zwei Wochen wird der Prozess fortgesetz­t – dann auch mit dem echten Polizisten, der damals in Dinkelsche­rben in der Freinacht den Vorfall aufnahm.

 ?? Archivfoto: Marcus Merk ?? Mit diesem Ortsschild lief in der Frei nacht 2017 ein Mann mitten durch Din kelscherbe­n.
Archivfoto: Marcus Merk Mit diesem Ortsschild lief in der Frei nacht 2017 ein Mann mitten durch Din kelscherbe­n.

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