Augsburger Allgemeine (Land West)
Wenn die Haselnuss blüht, wird’s Frühling
Heute ist kalendarischer Frühlingsanfang. Draußen liegt zwar immer noch Schnee, doch die Natur macht sich trotzdem schon bereit. Was in den nächsten Wochen alles im Wald passieren wird
Landkreis Augsburg Man will es nicht wahrhaben. Heute ist kalendarischer Frühlingsanfang. Doch draußen ist von der Jahreszeit noch keine Spur. Der Winter hat das Augsburger Land mit Kälte und Schnee fest im Griff. Pentti Buchwald winkt ab, der Förster und Waldpädagoge vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Augsburg (AELF) sagt mit einem Zwinkern: „Auf das Datum kann man nichts geben. Erst wenn die Haselnuss blüht und die Allergiker niesen, dann wird es Frühling.“
Zusammen mit Ralf Gang, dem Abteilungsleiter für Forsten des AELF, steht er im Wald in der Nähe der Klosterabtei Oberschönenfeld. Gang sagt: „Schnee und Kälte machen der Natur nichts aus. Sie lässt sich einfach ein bisschen mehr Zeit. Und in drei bis vier Wochen wird dann alles nachgeholt.“Die beiden Förster schauen hoch zu den Baumkronen, durchstöbern Sträucher, begutachten Blüten und erklären, was im Frühling im Wald passieren wird.
● Die Ersten „Für den Wald bedeutet Frühlingsanfang: Es ist Zeit, um aufzuwachen“, erklärt Ralf Gang. „Der Saft in den Bäumen beginnt zu fließen, die Knospen schwellen auf und die Blätter treiben.“Der Haselnussstrauch beginnt als Erster. „Wenn er blüht, ist der Frühling nicht mehr weit“, sagt Pentti Buchwald. Die männlichen Blüten des Strauchs schauen aus wie kleine gelbliche Würstchen. Sie heißen Kätzchen und verteilen den Pollen. Die Weide gehört auch zu den Frühjahrsblühern, ebenso wie die gelben Anemonen, kleine Blümchen, die in den Laubwäldern schon sehr früh sprießen. Sie locken die ersten Hummeln und Bienen an und müssen bald aus der Erde kommen. Denn wenn die Bäume erst mal ihr Laub tragen, dringt kein Licht mehr durch deren Kronen.
● Die Letzten Noch im Winter bei Frost müssen die reifen Bäume geerntet werden. Zu dem Zeitpunkt sind sie zwischen 80 und 150 Jahre alt. „Die meisten alten Bäume, die hier in den Westlichen Wäldern wachsen, wurden noch im alten Königreich Bayern gepflanzt“, sagt Pentti Buchwald. Tragen die Bäume ein Nest in der Krone, bleiben sie im Frühjahr stehen. Genauso wie tote kranke Bäume. Sie werden zu sogenannten Biotopbäumen und schaffen neuen Lebensraum für Insekten und Vögel.
● Die Nächsten Im Frühling beginnt die Balz- und Paarungszeit. Ralf Gang zählt auf: „Mitte März kommt der erste Nachwuchs von Hasen und Kaninchen. Die Rehe sind erst später dran. Die Geißen setzen ihre Kitze erst in den nächsten Wochen. Und auch die Füchse warten erst noch die Kälte ab.“
Bei den Vögeln gehören die Spechte und Eulen zu den Ersten, die ihre Eier legen. Auch die Zugvögel kommen im Laufe der nächsten Wochen wieder zurück, der Kuckuck Anfang Mai, der Pirol um herum. „Hört man in den Wald hinein, dann zwitschern schon Amsel und Buchfink. Ebenso der Eichelhäher, der viele verschiedene Vogelstimmen nachahmen kann. Und zwischendrin flitzen die ersten Eichhörnchen über die Äste“, beobachtet Buchwald.
Wildschweine machen sich ebenso für die Kinderstube bereit. In den Westlichen Wäldern leben zudem als Raubtiere Wiesel, Marder, Füchse und Dachse. „Wir haben sogar schon Spuren einer Wildkatze gefunden“, sagt Förster Gang. „Von dieser Art gibt es nur noch 600 bis
700 Stück in ganz Bayern. Die Tiere sind stark gefährdet.“
● Die Beständigen Förster Buchoder wald betont: „In Zeiten des Klimawandels kann man sich nicht mehr auf den genauen Jahreszeitenwechsel verlassen. Sicher ist nur, dass nichts mehr sicher ist.“
Als CO2-Speicherort ist der Forst für den Klimawandel wichtig. Deshalb müssen die Augsburger Förster den Wald für die nächsten Jahrzehnte wappnen. Kollege Gang bemerkt dazu: „Schon in den 1970erJahren haben wir angefangen, den Wald umzubauen.“Das bedeutet, den Fichtenwald mit Laubbäumen anzureichern. „Fichten sind zwar toll und bringen viel Geld“, sagt Gang, „Mischwälder sind aber viel stabiler. Sie ertragen besser Stürme, Temperaturschwankungen und BePfingsten fall durch Schadinsekten.“Im Frühjahr ist die große Arbeit der Förster getan. Jetzt müssen sie nur noch neue Bäume pflanzen. Das gehört für die beiden Männer zur Grundidee der forstlichen Nachhaltigkeit. Gang erklärt: „Wir fällen die Bäume gezielt. Wir spielen dabei mit Licht und Schatten und gestalten den Wald der Zukunft.“Etwa 60 heimische Baumarten gibt es derzeit in den Wäldern in Bayern. Besonders gefördert beim Neupflanzen werden zum Beispiel Tanne, Eiche, Lärche und Buche. Damit der Wald sich besser durchmischt und für die Zukunft stabiler wird – und auch kommende Klimaextreme gut überstehen kann.