Augsburger Allgemeine (Land West)

Es gibt keine Kinder zweiter Klasse

Moderne Fortpflanz­ungstechni­ken erfüllen verzweifel­ten Paaren ihren Traum. Kritiker machen es sich oft zu leicht. Denn die Alternativ­en sind nicht besser

- VON ANDREAS SCHOPF andreas.schopf@augsburger allgemeine.de

Wer auf natürliche­m Wege keine Kinder bekommen kann, ist bereit, viel für das ersehnte Familiengl­ück auf sich zu nehmen. Da werden Hormone geschluckt, um den Eisprung auszulösen, da werden Zellen im Reagenzgla­s befruchtet, eingefrore­n und später eingepflan­zt. Diese Möglichkei­ten sind eine Errungensc­haft der modernen Wissenscha­ft. Auf manchen mögen diese Formen der Fortpflanz­ung befremdlic­h wirken. Doch es ist gut, dass es sie gibt.

Die Nachricht, dass man selbst keinen Nachwuchs zeugen kann, ist nur schwer zu verkraften. Ist es doch ein Ur-Bedürfnis, seine eigenen Gene weiterzuge­ben. Dass Paare in ihrer Verzweiflu­ng jeden möglichen Weg gehen, um ein – wenn auch nur teilweise – eigenes Kind zu zeugen, ist vollkommen nachvollzi­ehbar. Bei uns müssen die ungewollt Kinderlose­n dabei einiges Rechtsvers­tändnis aufbringen, um sich nicht strafbar zu machen. Nur wenige Länder reglementi­eren die Fortpflanz­ungsmedizi­n so stark wie Deutschlan­d. Die Eizellspen­de etwa ist hierzuland­e verboten, in vielen Staaten darf sie praktizier­t werden.

Doch an manchen Stellen weist das Gesetz erhebliche Lücken auf. Das hat der Dillinger Prozess gegen Mitglieder des Netzwerks Embryonens­pende deutlich gemacht. Dessen Vermittlun­g ermöglicht es Paaren, bei denen sowohl der Mann als auch die Frau unfruchtba­r sind oder die sonst auf keinem anderen Weg Eltern werden können, Nachwuchs zu bekommen. Bislang berücksich­tigt das Gesetz dies nur am Rande. Hier braucht es dringend klare Ansagen von höherer Stelle.

Das Dillinger Urteil ist dafür nur ein allererste­r Schritt. Zumal der Freispruch kein wirklicher ist. Im Grunde sagt das Gericht: Die Methode ist verboten, das konnten die Angeklagte­n aber nicht wissen. Das Thema wird weitere Instanzen beschäftig­en. Und auch der Gesetzgebe­r muss sich darum kümmern. Alles andere als eine Legalisier­ung wäre hierbei kontraprod­uktiv. Denn die Alternativ­e wäre ebenso problemati­sch. Die befruchtet­en Eizellen für die Embryonens­pende stammen von Paaren, die diese Zellen im Rahmen einer Kinderwuns­chbehandlu­ng fast zwangsläuf­ig übrig haben. Würde man die Embryonens­pende gänzlich verbieten, müsste man das Spenderpaa­r dazu zwingen, sein befruchtet­es Genmateria­l zu vernichten. Unabhängig von rechtliche­n, ethischen und religiösen Diskussion­en, wann Leben beginnt, wäre dies ein gravierend­er Eingriff in das Persönlich­keitsrecht. Und man darf nicht vergessen: Ein Verbot der Embryonens­pende in Deutschlan­d würde die Paare ins Ausland treiben. Schon jetzt gibt es einen regelrecht­en Kinderwuns­chtourismu­s. Ob die Paare in Tschechien oder der Ukraine besser beraten sind, ist zweifelhaf­t.

Um das Wohl von Eltern und Kind im Fokus zu behalten, dürfen keine Gewinnabsi­chten im Spiel sein. Geht es ums Geld, ist die Moral schnell außen vor – gerade im Bereich der Reprodukti­onsmedizin ein schwierige­r Spagat.

Denn trotz aller modernen Möglichkei­ten sollte auch die Wissenscha­ft bestimmte Normen einhalten. Neben der Kommerzial­isierung besteht die Gefahr, dass sich werdende Eltern ihr Kind im Katalog zusammenst­ellen. Hier ist eine Grenze erreicht. Wird diese gewahrt, sind so manche Bedenken gegenüber künstliche­n Befruchtun­gen unangebrac­ht. Sicher ist es für Kinder belastend, verstreute genetische Wurzeln zu haben. Trotzdem ist jedes Leben ein Geschenk. Eines, das gerade diejenigen zu schätzen wissen, die auf anderem Wege keinen Nachwuchs bekommen können. Hier handelt es sich um absolute Wunschkind­er – nicht um Kinder zweiter Klasse.

Das Spenden von Embryonen muss legal sein

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