Augsburger Allgemeine (Land West)
Grüne wollen Parken in der City massiv verteuern
Die Tarifreform bei Bus und Tram beschäftigt weiter die Augsburger und die Parteien. Die erste Bilanz der Stadtwerke wird mitunter skeptisch gesehen. Sollen die Autofahrer für mehr Nahverkehr bezahlen?
Rund zwei Monate, bevor die Stadtwerke Vorschläge zu Änderungen an der umstrittenen AVV-Tarifreform vorstellen wollen, eröffnen die Regierungsparteien die Diskussion. Wie berichtet wollen CSU, SPD und Grüne geprüft haben, was eine Ausweitung des Kurzstreckentickets von momentan fünf Haltestellen kostet. SPD und Grüne als lautstärkste Kritiker haben jetzt weitere Vorschläge entwickelt, wobei deren Gegenfinanzierung unklar ist.
Die Grünen möchten als einen Beitrag die kommunalen Parkgebühren in der Innenstadt von bisher zwei auf drei Euro pro Stunde erhöhen. Zudem solle die Semmeltaste – sie war ein Wahlversprechen von Oberbürgermeister Kurt Gribl (CSU) im Jahr 2008 – wegfallen.
Die Argumentation der Grünen lautet: Die Preise für den öffentlichen Nahverkehr stiegen aufgrund von gestiegenen Energiepreisen und Personalkosten seit 2012 im Barver- kauf um 18 Prozent und bei Abos um 9 Prozent, während die Parkgebühren seit 2012 gleich blieben. Mit einer Verkehrspolitik, die Bus und Tram stärken wolle, habe das wohl kaum etwas zu tun.
Mit den Mehreinnahmen könne man etwa einen Teil der Kosten auffangen, die für eine Vorverlegung der Gültigkeitsgrenze von 9 auf 8 Uhr beim 30-Euro-Spar-Abo nötig wären. Ein am Mittwochabend gefasster Beschluss der Parteibasis besagt aber, dass sich die Fraktion ohnehin für die Einführung eines 365-Euro-Spar-Abos ohne Sperrzeit einsetzen soll. Die seit Januar mit der Umsetzung der Reform geltende Benachteiligung von Gelegenheitsfahrern passe nicht in die Zeit, so Grünen-Chef Peter Rauscher.
Dass sich die Grünen, deren Stadträte der Tarifreform im vergangenen Sommer zugestimmt hatten, nun für so massive Änderungen einsetzen, liegt wohl am Aufruhr bei Teilen der Fahrgäste in den ersten Januarwochen. Stadträtin Stephanie Schuhknecht sagt, dass man die Tarifreform schon immer nur als einen Einstieg in eine Verkehrswende gesehen habe. Die SPD, die gegen die Reform gestimmt hatte, habe nur blockiert, statt ihren Einfluss im AVV frühzeitig geltend zu machen. Von der Parteibasis mussten sich die Stadträte trotzdem Kritik gefallen lassen. Man sei auf die „Nebelkerzen und Blendgranaten“der Stadtwerke hereingefallen, denen es eigentlich nur um höhere Erträge bei gleichbleibender Leistung gehe, so Grünen-Mitglied Deniz Anan.
Die SPD hält auch nach der Vorstellung der ersten Tarifreform-Bilanz durch die Stadtwerke an ihrer Kritik fest. Wie berichtet hatten die Stadtwerke vor zwei Wochen erste Zahlen zu den Tarifen veröffentlicht. Demnach gehen die Verkehrsbetriebe davon aus, in diesem Jahr vier Prozent mehr Fahrgäste als im vergangenen Jahr (62 Millionen) zu befördern. Während es im Januar und Februar im Vergleich zum Vorjahresvergleichszeitraum bei den Abos ein Plus von 14 Prozent gab (allerdings begünstigt durch eine neue Förderung von Schülerabos), sank die Zahl der verkauften Einzelfahrscheine um acht Prozent.
Ein Grund ist sicher, dass ein Teil der Gelegenheitsfahrer aufgrund der Zusammenlegung der Zonen 10 und 20 das Doppelte bezahlen muss. Die Zahl der verkauften Streifenkarten stieg um fünf Prozent, was zum einen am Wegfall der Wochenkarte liegen dürfte, zum anderen daran, dass ein Teil der Gelegenheitsfahrer jetzt mehr Streifen braucht. Wer früher mit der Preisstufe 1 hinkam, braucht jetzt in der Stadt zwei Streifen, sofern die neue Kurzstreckenregelung nicht greift.
Herbert König, der früher SPDStadtrat in Augsburg war und zuletzt mehr als 20 Jahre Chef der Münchner Verkehrsbetriebe, sagte nun auf einer Veranstaltung der SPD-Fraktion, dass er die Zahlen der Stadtwerke bezweifle. Für die Stadtwerke-Prognose von vier Prozent mehr Fahrgästen (die es in den vergangenen Jahren auch ohne Tarifreform gab) sei es nach zwei Monaten zu früh. Gerade bei Abo-Neukunden, die bisher im Einzeltarif fuhren, sei nicht klar, wie häufig diese ihr Abo tatsächlich nutzen. Beim 9-Uhr-Abo für 30 Euro gestehen die Stadtwerke auch zu, dass es noch eine gewisse Unschärfe gibt.
König schlägt als mögliches Szenario eine Rückkehr zum alten Zonen-Modell vor oder alternativ eine Änderung der Kurzstreckenregelung: keine Haltestellenzahl als Grenze, sondern feste Grenzen, die zumindest das Erreichen von Stadtteilzentren ermöglichen.
Über Änderungen zur Tarifreform diskutiert wird im Mai im Stadtrat, wenn mehr Zahlen vorliegen. Bis dahin veranstalten die Stadtwerke ein Bürgerforum, bei dem Fahrgäste Anregungen geben können. Dann ist auch das klar, was Änderungen zugunsten von Fahrgastgruppen kosten – und wie viel Geld die Politik dafür ausgeben will. » Kommentar