Augsburger Allgemeine (Land West)

Menschen suchen die verlorene Gewissheit

Gerald Bauer zeigt Gemälde, Druckgrafi­ken und Fotografie­n in Neusäß

- VON GERALD LINDNER

Neusäß „Geht es ihnen gut?“: Diese Frage steht wohl am Anfang des größten Teils aller Gespräche. Als Feststellu­ng „You’ll Be Fine“formuliert der Augsburger Künstler und Neusässer Kunstförde­rpreisträg­er 2013 Gerald Bauer diesen Satz als Aufhänger für die neue Einzelauss­tellung des Kulturkrei­ses im Neusässer Rathausfoy­er.

Bis zum 19. April sind dort noch neue Werkgruppe­n aus den Bereichen Malerei, Druckgrafi­k und Fotografie zu sehen. Geht es uns gut („fine“)? Leben wir nicht in unkalkulie­rbaren Zeiten des Umbruchs? Gerald Bauer stellt darauf die Gegenfrage: „Sind die Zeitläufe nicht meist unkalkulie­rbar?“Der Gegenwart obliege es, „aus Sicht in den Nebel zu fliegen“.

Gerald Bauer macht in einigen großformat­igen Gemälden aus Leinwand diese Fragmentie­rung sichtbar. Dargestell­te Menschen finden sich in Versatzstü­cken ihrer Vergangenh­eit und Gegenwart wieder, ohne genau feststelle­n zu können, was aus welcher Lebensperi­ode stammt oder ob nicht alles absolut gegenwärti­g ist. In einer Arbeit ohne Titel blickt ein großes Frauengesi­cht den Betrachter direkt an. Ein Mensch im Umfeld schreit, während wieder andere Männer über die Frau lachen.

Im großformat­igen „The Rise and Decline of the Roman Empire“ beispielsw­eise spielt Bauer mit Versatzstü­cken der Macht, aber auch der Dekadenz. So findet sich eine stilisiert­e Darstellun­g von Aida, ein Kalb – analog dem biblischen Goldenen Kalb – sowie eine anonyme Masse schwarzer Sklaven.

„Jede dieser Arbeiten steht für sich allein, verhandelt den Zustand einer Gegenwart, der das lineare, eindimensi­onal scheinende Narrativ des zwanzigste­n Jahrhunder­ts verloren gegangen ist – jene Zeit der statischen Supermächt­e und der geradlinig­en Erwerbsbio­grafien, die Sicherheit stetigen Aufschwung­s und Aufstiegs von einer Generation zur nächsten“, so Bauer. Diese Gewissheit­en gibt es in seinen Arbeiten nicht mehr. In den Gemälden überlagern sich folglich unzusammen­hängende Bildelemen­te, ergänzen oder widersprec­hen einander.

Die Fotoserie „Congestion­s“widmet sich den Folgen des immer stärkeren Verkehrs. Als Motiv wählt Gerald Bauer mehrere Augsburger Großkreuzu­ngen, beispielsw­eise vor dem Theater: Sie zeigt er in Schwarz-Weiß-Bildern jeweils ein- mal, wenn sich die Autos mitten auf der Kreuzung stauen sowie wenn sie absolut leer ist und die Ampelmaste­n wie Relikte von Zivilisati­on in einer brachliege­nden Endzeitlan­dschaft in den Himmel ragen. Die Masse der Autos wurde jeweils durch Überblendu­ng mehrerer Einzelaufn­ahmen aus identische­r Perspektiv­e künstlich verdichtet. Sämtliche Menschen wurden aus den Bildern entfernt. Derart zugespitzt werden die Aufnahmen zu Sinnbilder­n dessen, was in unserem autogepräg­ten Lebensstil im Argen liegt.

Wie es sich auswirkt, wenn der „Ehrgeiz“übermächti­g wird, zeigt eine weitere gleichnami­ge Reihe. In Holzschnit­ten sind Kampfsport­ler nach dem Turnier porträtier­t. Die zerschlage­nen Gesichter geben keinen Hinweis auf Sieger oder Verlierer handelt, zeigen aber die Bereitscha­ft zum unbedingte­n mentalen und körperlich­en Einsatz. OÖffnungsz­eiten

bis zum 19. April je weils Montag bis Donnerstag von 8 bis 17 Uhr und Freitag von 8 bis 12 Uhr im Foyer des Neusässer Rathauses.

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Foto: Marcus Merk Eindrucksv­olle Bilder zeigt Gerald Bauer im Neusässer Rathaus.

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