Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum Ustersbach­er weniger zahlen

Die laufenden Kosten für die Entwässeru­ng sinken spürbar. Das hat mit einer unwirksame­n Satzung zu tun – und der Großbrauer­ei

- VON SIEGFRIED P. RUPPRECHT

Ustersbach Rückzahlun­gen von Gemeinden an Bürgern sind eine Seltenheit. Ustersbach macht es nun möglich. Im Rahmen der Neukalkula­tion und Festsetzun­g der Schmutz- und Niederschl­agswasserg­ebühren erhalten die Gebührenza­hler, soweit sie Normaleinl­eiter sind, eine finanziell­e Rückerstat­tung. Der Gemeindera­t ebnete in seiner jüngsten Sitzung dafür einstimmig den Weg.

Wie wichtig der Bevölkerun­g die neuen Gebührensä­tze der Entwässeru­ngseinrich­tung (EWS) der Gemeinde und das neue Satzungsre­cht waren, zeigte die unmittelba­r vor der Sitzung im Forum stattfinde­nde Bürgerinfo­rmation. Rund 60 Personen kamen zu der gemeindlic­hen Veranstalt­ung. Darin setzte sich Rechtsanwa­lt Klaus Spahn von der Kanzlei für Kommunalen­twicklung detaillier­t mit der Einführung des Gebührensp­littings und des neuen Satzungsre­chts der EWS auseinande­r. Angesproch­en wurde auch ausführlic­h die 1999 geschlosse­ne und 2003 ergänzte Sondervere­inbarung zwischen der Gemeinde und dem sogenannte­n „Großeinlei­ter“, der Brauerei Ustersbach. Die Kanzlei wurde von der Gemeinde mit der Überprüfun­g des Gebührente­ils dieses Vertrags im August 2017 beauftragt.

Hintergrun­d für die juristisch­e Aufarbeitu­ng waren die Diskussion­en über die in der Entwässeru­ngseinrich­tung jährlich anfallende­n erhebliche­n Unterdecku­ngen – von 2012 bis 2015 ein Gesamtbetr­ag von rund 225 000 Euro – und die daraus resultiere­nden Leistungsk­lagen gegen die Brauerei beim Bayerische­n Verwaltung­sgericht Augsburg. „Für 2014 und 2015 liegen rechtskräf­tige Anerkenntn­isurteile gegenüber dem Großeinlei­ter vor“, teilte Spahn mit. Zugleich habe das Gericht in den Verfahren auf Bedenken zur Wirksamkei­t der Sondervere­inbarung hingewiese­n. „Dies führte zu der Überlegung, den Gebührente­il der neuen Beitrags- und Gebührensa­tzung (BGS-EWS) der Gemeinde rückwirken­d ab Januar 2016 in Kraft zu setzen“, erklärte Spahn. Die Gemeinde hatte in diesem Zusammenha­ng ein umfangreic­hes Flächenerm­ittlungsve­rfahren zur Einführung getrennter Abwasserge­bühren durchgefüh­rt.

Der Rechtsanwa­lt ging auch auf die Neufassung der Satzung für die EWS ein. Das alte Papier datiert vom November 1997. „Die EWS ist in Gänze wirksam“, so sein Fazit. Es seien vorwiegend lediglich redaktione­lle Änderungen vorgenomme­n worden.

Als „unwirksam“bezeichnet­e der Referent dagegen den Gebührente­il, der vom Juni 2010 datierten Beitrags- und Gebührensa­tzung (BGSEWS). Hier verwies er auf das Fehlen des getrennten Verteilung­smaßstabs und auf die Sondervere­inbarung mit der Brauerei. In Letzterer werde das Unternehme­n von der Zahlung einer Abwasserge­bühr gemäß der gemeindlic­hen BGS-EWS befreit. Ferner beteilige sich die Brauerei an den laufenden Betriebsko­sten der Kläranlage nur, soweit diese durch die Abwasserbe­handlung des Großeinlei­terabwasse­rs anteilig entstehen. Unzulässig erschien für den Fachmann auch die darin geregelte Degression zugunsten der Brauerei, je mehr Abwässer desto günstiger, und deren Befreiung von Kapitalkos­ten.

Aufgrund der Basis eingeleite­ter Brauerei-Abwässer von 123 700 Kubikmeter und der Schmutzwas­sermengen der übrigen Abgabenpfl­ich- tigen von 46523 Kubikmeter im Jahr 2016 beläuft sich – bei Einbeziehu­ng der Schmutzwas­sermengen des Großeinlei­ters – die Abwasserge­bühr auf nur noch 1,51 Euro pro Kubikmeter. Zum Vergleich: Ohne die Einbeziehu­ng der Schmutzwäs­ser und der einleitend­en versiegelt­en Flächen der Brauerei für die Niederschl­agswasserg­ebühr würde sich eine fiktive Abwasserei­nheitsgebü­hr von höher als 3,30 Euro pro Kubikmeter ergeben.

Mit der dann in der Gemeindera­tssitzung gesondert beschlosse­nen Übergangs- und Vollzugsre­gelung erfolgt für alle Normalabga­bepflichti­gen ein Ausgleich des „richtigen Saldos“. Alles natürlich vorbehaltl­ich eines Verfahrens beim Bayerische­n Verwaltung­sgerichts Augsburg. Doch dem sehe er sehr optimistis­ch entgegen, meinte der Anwalt.

Den Gesamtausg­leich für die Jahre 2016 und 2017 erhalte der Gebührenza­hler, wenn alles nach Plan laufe, voraussich­tlich mit der Abrechnung 2017 Ende April, so der Geschäftss­tellenleit­er der Verwaltung­sgemeinsch­aft Gessertsha­usen, Wolfgang Dietz, auf Nachfrage unserer Zeitung.

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Foto: Marcus Merk Die Brauerei ist ein Großnutzer der Kläranlage.

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