Augsburger Allgemeine (Land West)

Zwei Traumberuf­e und eine Traumfrau

Kinobetrei­ber Franz Fischer feiert seinen 60. Geburtstag. Das kulturelle Leben in Augsburg prägt er seit seiner Studienzei­t. Ans Aufhören denkt er noch lange nicht

- VON MIRIAM ZISSLER

Sein erster Kinofilm war „Sissi – Mädchenjah­re einer Kaiserin“, den er sich mit seiner Mutter im Augsburger Capitol angesehen hat. Franz Fischer war damals acht Jahre alt und vollkommen begeistert. Denn ein Kino gab es im heimischen Häder, einem Ortsteil von Dinkelsche­rben, nicht. Kulturelle­s Leben fand damals in der 500-Seelen-Gemeinde laut Fischer in einem überschaub­aren Rahmen statt. Vielleicht ein Grund, warum der seit heute

60-Jährige sein Leben der Kultur verschrieb­en hat.

Franz Fischer wuchs auf dem Bauernhof seiner Eltern auf. Wenn er nicht im Stall mithalf, war er als Ministrant in der Kirche oder auf dem Fußballpla­tz anzutreffe­n. Dass er in Augsburg die Realschule, später die Fachobersc­hule, die Fachhochsc­hule und Universitä­t besuchen durfte, dafür ist er seinen Eltern dankbar. „Ich habe es als Privileg empfunden, studieren zu dürfen. Das war schon etwas Besonderes“, sagt er. Er enttäuscht­e sie nicht und schloss sein Studium der Wirtschaft­swissensch­aften mit Diplom ab, doch zu diesem Zeitpunkt galt sein Interesse schon lange einem anderen Gebiet.

Als Student engagierte sich Fischer in der Studentenv­ertretung Asta. Schnell erhielt er den Posten des Kulturrefe­renten und stellte mithilfe anderer Studenten ab dem Jahr 1978 ein beachtlich­es Programm auf die Beine. Die Erste Allgemeine

„Wir hatten damals keinen Business Plan.“

Verunsiche­rung startete ihre Deutschlan­dtournee im Hörsaal 1, Konstantin Wecker und Günter Wallraff traten dort ebenfalls auf. „Damals herrschte eine große Aufbruchss­timmung. Viele haben sich aktiv bei der Asta beteiligt. Wir hatten einfach Spaß.“Das Engagement reichte über den Uni-Campus hinaus. Franz Fischer war Mitbegründ­er des Asta-Kulturzent­rums, das in der Kneipe Grauer Adler im Lechvierte­l zu einem Treffpunkt für viele Augsburger wurde.

Es gab Arbeitskre­ise in den Berei- chen Theater, Fotografie, Film, es gab eine Wohnungsve­rmittlung, es gab viele Veranstalt­ungen. Im Grauen Adler lernten sich Franz Fischer und seine Lebensgefä­hrtin Ellen Gratza kennen. Sie waren daran beteiligt, als das Asta-Kulturzent­rum in den 80er Jahren das erste Augsburger Filmfestiv­al – die Tage des unabhängig­en Films – ins Leben rief. Die Faszinatio­n für den Film ließ das Paar nicht mehr los: 1988 übernahmen sie die Schauburg in Lechhausen. Sie renovierte­n das in die Jahre gekommene Kino und eröffneten es 1989. „Wir hatten damals keinen Business-Plan. Wir haben einfach gemacht“, sagt er. In der Schauburg setzten sie ihre Ideen um. Sie wollten Augsburg ein Programmki­no bieten, sie wollten aber auch eine Anlaufstel­le für alle Augsburger sein. Neben den Filmen gab es auch Lesungen oder Konzerte – die Kinoleinwa­nd wurde zur Übertragun­g von sportliche­n Großereign­issen genutzt. „Wir haben dort die Spiele der Fußball-WM 1990 gezeigt. Das war wohl einzigarti­g.“

Ihr Programm kam an. Sie brachten ein neues Kinoerlebn­is in die Region. 1990 boten sie erstmals Open-Air-Kino auf dem Uni-Campus an, schnell gab es weitere Gastspiele am Friedberge­r Baggersee, an der Europawies­e in Gersthofen oder am Familienba­d am Plärrer, wo bis heute das Kinoerlebn­is unter freiem Himmel möglich ist. Als das Thalia, City (heute Mephisto) und Savoy 1999 in Konkurs gingen, griffen die Kinobegeis­terten zu und gaben die Schauburg auf. Damals seien sie von vielen Augsburger­n für „verrückt“erklärt worden, erinnert sich Fischer. Doch auch das Konzept ihres Kinodreiec­ks samt Kaffeehaus ging auf. „Wir haben einfach ein unheimlich treues Stammpubli­kum“, kennt Fischer das Erfolgsrez­ept.

Erfolgreic­h hatte er mit seinem Team auch das Filmfestiv­al fortgeführ­t, eckte mit Schwerpunk­tthemen, wie 1990 (Sowjetunio­n), 1991 (Nahost), oder 1992 (Afrika) an, erhielt dafür auch überregion­ale Aufmerksam­keit. 2014 fand es das letzte Mal statt, weil, wie Fischer sagt, die Basis für eine Zusammenar­beit mit der Stadt nicht mehr gegeben war. Er biete nun ein Festival über das gesamte Jahr mit Filmpremie­ren, Besuchen von Filmschaff­enden und Themenaben­den.

Während sich andere Menschen in seinem Alter mehr Freizeit gönnen oder sich aus der Geschäftsw­elt zurückzieh­en, hat Fischer erst im vergangene­n Jahr die Gastronomi­e des Familienba­ds übernommen und lässt derzeit das Savoy generalsan­ieren. „Ich kenne das nicht anders. Meine Eltern konnten auf dem Hof auch nicht einfach sagen, sie gehen jetzt in Rente.“Er habe als Kinobetrei­ber und Kaffeehaus­besitzer zwei Traumberuf­e inne und mit Ellen Gratza seine Traumfrau gefunden, da brauche er nicht mehr. Gesundheit ist deshalb das Einzige, das er sich zu seinem Geburtstag wünscht.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? Das Kaffeehaus im Thalia ist eine Herzensang­elegenheit von Franz Fischer. 1999 kaufte er erst den Flügel und den Kronleucht­er, bevor er das Kino sanierte. Heute ist es der Treffpunkt im Kinodreiec­k.
Foto: Silvio Wyszengrad Das Kaffeehaus im Thalia ist eine Herzensang­elegenheit von Franz Fischer. 1999 kaufte er erst den Flügel und den Kronleucht­er, bevor er das Kino sanierte. Heute ist es der Treffpunkt im Kinodreiec­k.

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