Augsburger Allgemeine (Land West)
Fesche Dirndl und Lederhosen
Wie sich junge Leute ihre Tracht für den Volksfest-Bummel zusammenstellen
Seit gut zehn Jahren kündigen junge Menschen in Dirndl und Lederhosen im Stadtbild an: Es ist wieder Plärrerzeit. Alexander Scherer vom Ausstatter Scherer, Tradition & Landhaus bestätigt diesen Trend und nennt dafür das Münchner Oktoberfest als Trendsetter. „Das Oktoberfest ist eine weltweite Marke geworden“, sagt Scherer. „Davon profitieren auch alle anderen Volksfeste. Augsburg hat aber auch eine hohe Dichte an Traditionsvereinen“, betont er zudem.
Allerdings ist Trachtenmode inzwischen auch für viele Leute erschwinglicher geworden. „Durch die hohe Nachfrage nach Dirndlgewändern und Lederhosen kann günstiger produziert werden und eine gute Lederhose ist ab 140 Euro zu bekommen“, sagt Christa Huber von Leder und Trachten Huber. Tatsächlich ist es so und das bestätigen sowohl Huber als auch Scherer, dass Menschen aus allen erdenklichen Nationen zu ihnen kommen, um sich für den Plärrer oder andere Volksfeste mit Dirndl, Tracht und Lederhose einzukleiden.
Das Dirndl, eigentlich Dirndlgewand, war ursprünglich die Arbeitskleidung der bayerischen Bauersfrau. Nach 1918 kam es auch in anderen sozialen Schichten in Mode. Aber nicht nur Kleidung ist Moden ausgesetzt. Auch das soziale Verhalten ist Teil des wandelbaren Zeitgeistes. Ob das alles so stimmt, soll ein Rundgang auf dem Augsburger Osterplärrer klären. Es gibt eben nicht nur den einen Grund, eine Tracht, ein Dirndl oder eine Lederhose zu tragen. Die Motivation ist vielschichtiger. Tradition wurde durchaus erkennbar. Es ist ein bisschen mehr als nur trendiges Outfit und schon gar keine billige Staffage. Damit würde man den jungen Leuten nicht gerecht werden.
Aitana Wirz, Fränzi Müller und Lara Gobel sind zum ersten Mal im Dirndl auf dem Plärrer. Sie kommen nicht aus Bayern und Tradition beim Tragen ihrer Kleider spielt für sie keine Rolle. Sie wissen aber, dass die Schleife links getragen bedeutet: Ich bin ledig. Fränzi Müller trägt sie in der Mitte. Entweder möchte sie über ihren Beziehungsstatus nichts verraten oder sie will an dem Dirndl, das sie sich von einer Freundin aus München ausgeliehen hat, einfach nichts verändern.
Natascha Nick ist im Dirndl ihrer Großmutter auf den Plärrer gekommen. Es könnte aus den 1960er Jahren stammen, meint sie. Es ist nicht offenherzig geschnitten, aber auch nicht hochgeschlossen. Modisch liegt es also in der Mitte. Ein interessanter Kompromiss. David Walter sieht seine Kleidung als Teil bayerischer Tradition. Er trägt die klassisch geschnittene Lederhose aber nur auf Volksfesten, erzählt er.
Ruth Kerstin und Isabell Hartung haben ihre Dirndl in Augsburg gekauft und halten Ausschau nach neuen Kollektionen. Hochgeschlossen mögen sie nicht so. Sie haben sich farblich orientiert. Ruth Kerstin fand Dirndl früher furchtbar. Das sagt sie, als wäre sie über ihren Wandel selbst erstaunt. Heute gefällt es ihr und sie würde sich am liebsten noch fünf weitere kaufen. Beide tragen ihre Dirndl auch zu anderen Anlässen wie Hochzeiten oder Geburtstagen. Saskia Korper hat den pinkfabenen Trachtenhut vor ein paar Jahren für die Münchner Wiesn gekauft. Sie sagt ganz selbstbewusst, ein Dirndl solle ausgeschnitten sein, „damit man zeigt, was man hat“. Das Dirndl und die Schuhe hat sie passend zum Trachtenhut ausgesucht.
Manuel Auer ist traditionsbewusst. „Wenn man auf ein Volksfest geht, gerade hier in Bayern, in Schwaben“korrigiert er sich, „gehört es für mich dazu, dass man eine Tracht trägt.“Das Hemd hat er sich bei der Wehringer Firma Von G’Wild gekauft. Die Leinenweste ist aus Augsburg. Seine Lederhose trägt er etwas kürzer, also modischer. „So viel Kompromiss muss sein“, sagt er lachend. Paula Borst kommt aus Rosenheim und da ist das Tragen von Tracht und Dirndl eine Selbstverständlichkeit. „Dirndl habe ich schon immer getragen, sogar zur Abiturfeier“, sagt sie. Auf dem Plärrer kombiniert sie es mit einer schwarzen Lederjacke.
Maren Spindler trägt wahrscheinlich das Schnäppchen des Tages. Das Dirndl hat ihre Freundin für zwei Euro auf dem Flohmarkt gekauft. Es soll aus den 1940er Jahren stammen. Dazu trägt sie moderne Doc Martins-Schuhe. Dirndl tragen, das gehört doch in Bayern dazu, sagt die gebürtige BadenWürttembergerin.
Anna Baumgartner kommt aus Rain am Lech und hat bei Lechtaler Dirndl & Tracht in Genderkingen gearbeitet. Im letzten Jahr, sagt sie, hatten sie viele hochgeschlossene Dirndl im Angebot, „die mir gefallen haben. Solche Dirndl kann man auch ohne Bluse tragen.“Auch Alina Peuker fühlt sich hochgeschlossen wohl und trägt schon lange Dirndl. Für sie ist es überhaupt keine Mode, sondern nur Tradition. Sie kommt aus Landshut und studiert in Augsburg.
Manuel Prieß geht schon seit ein paar Jahren in Tracht auf den Plärrer. Die klassische, dreiviertellange Lederhose muss, so lange er hineinpasst, halten, sagt er. Das Hemd wird natürlich gewechselt. Er trägt diese Tracht auch auf normalen Volksfesten.