Augsburger Allgemeine (Land West)

Merkel macht es sich zu einfach

Die Kanzlerin hat recht, dass Militärsch­läge in Syrien die Tragödie dort nicht beenden werden. Aber gar keinen Plan zu haben, ist auch keine Lösung

- gps@augsburger allgemeine.de VON GREGOR PETER SCHMITZ

Wer sagt, Angela Merkel scheue Festlegung­en? Geht es um möglichen Militärbei­stand für enge Verbündete, um Schläge gegen einen Diktator, gibt sie die eiserne Kanzlerin.

Deutschlan­d werde sich auf keinen Fall an denkbaren Militärsch­lägen in Syrien beteiligen, verkündete Merkel am Donnerstag – wohlgemerk­t unaufgefor­dert, denn von einem Ersuchen derartiger Hilfe aus Washington oder Paris ist bislang nichts bekannt.

Der Satz ist, man kann es nicht anders nennen, eine politische Unverfrore­nheit. Denn Merkel gelingt es, mit ihrer spitzen Bemerkung schon den Gedanken an solche Militärsch­läge als eine ganz üble Idee erscheinen zu lassen, als ein von Donald Trump offensicht­lich aus innenpolit­ischen Gründen inszeniert­es Manöver, an dem sich Deutschlan­d um Himmels willen niemals beteiligen solle.

Damit mag sie sogar recht haben, denn Trump zielt vor allem darauf ab, es jemandem zu zeigen. Vielleicht nicht einmal unbedingt seinen Wählern, die ihn kaum für außenpolit­ische Abenteuer gewählt haben. Aber schon dem Rest der Welt, der sehen soll, dass er eben über die smarteren Raketen verfügt und sowieso immer am dickeren Knopf sitzt. Dass jede Art von Luftschläg­en ebenso wenig den furchtbars­ten Konflikt der Neuzeit befrieden wird wie Trumps wütende Tweets, ist unter Militärexp­erten ebenfalls weitgehend unbestritt­en.

Unverfrore­n ist Merkels Manöver trotzdem, weil sie mindestens genauso innenpolit­isch denkt wie Trump. Ihre instinktiv­e Ablehnung jeder Beteiligun­g folgt einem klaren politische­n Instinkt: dass so viel Distanz zu Trump wie möglich die beste Position für sie ist. Natürlich wissen die Auguren im Kanzleramt ganz genau, wie unpopulär der Gedanke wäre, an seiner Seite in einen – wie auch immer gerechtfer­tigten – Krieg zu ziehen. Ohnehin leidet Merkel noch immer unter dem Trauma, einst den Irak-Krieg unterstütz­t zu haben. Seither ist sie nur noch vorne an der Front zu finden, wenn diese ganz klar diplomatis­ch abgesteckt ist, wie in der Ukraine-Krise.

Eine Bundeskanz­lerin sollte aber nicht nur unverfrore­n innenpolit­isch, sondern auch weltpoliti­sch denken. Dazu würde gehören, zwar keinen Blankosche­ck für blutige Abenteuer zu erteilen – aber doch eine Tür offenzulas­sen, wie Deutschlan­d eine Rolle spielen kann, um diese aus den Fugen geratene Welt wieder etwas ins Lot zu rücken. Merkel hätte etwa sagen können: Wir glauben auch nicht, dass Raketen die syrische Tragödie beenden, vor allem wenn diese noch Russland weiter reizen.

Aber sie hätte zugleich hinzufügen können: Wir stehen offenbar vor einem Scherbenha­ufen in Syrien, nun müssen wir gemeinsam einen neuen europäisch­en Plan entwerfen – aus menschlich­em Anstand, aber auch, weil wir die Folgen des Konflikts und seiner Fluchtbewe­gungen jeden Tag spüren.

Ob das Assad oder Trump beeindruck­t hätte, ist zweitrangi­g. Der eine ist ein blutrünsti­ger Diktator, der andere ohnehin unberechen­bar. Aber andere hätten diese Sätze genau gehört, etwa Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron. Der ringt mit sich, ob er Assads Gas mit Raketen beantworte­n soll.

Ihn hat Merkel schon hingehalte­n, als es um die Reform der Eurozone ging. Macron nun indirekt als möglichen außenpolit­ischen Hasardeur darzustell­en, verletzt diesen zusätzlich.

Wohlgemerk­t: Es gibt keinen Masterplan für Syrien. Trump hat bestimmt keinen. Aber wer wie Merkel erst erklärt, Giftgasang­riffe seien inakzeptab­el – und dann als Hauptbotsc­haft verkündet, Deutschlan­d ginge das alles nichts an, hat offensicht­lich gar keinen Plan.

Geht uns Syrien wirklich gar nichts an?

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„…zu dem würde ich auch nicht einsteigen!“
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