Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Facebook (fast) unsere Wahl entschied

Der Konzern soll mit deutschen Behörden einen Angriff auf Bundestags­wahl vereitelt haben. Russland unter Verdacht

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Für den CSU-Abgeordnet­en Hansjörg Durz hat sich nach seinem Besuch bei Facebook im amerikanis­chen Silicon Valley der Verdacht bestätigt: Auch die deutsche Bundestags­wahl im Herbst sollte mit Angriffen über das Internet manipulier­t werden: „Wie eng das Bundesamt für Sicherheit in der Informatio­nstechnik mit Facebook zusammenge­arbeitet hat, um einen groß angelegten Versuch zu vereiteln, den Ausgang der Bundestags­wahl zu beeinfluss­en, hat mich beeindruck­t“, sagt der Vize-Vorsitzend­e des Digitalaus­schusses des Bundestags.

Der Politiker aus Neusäß bei Augsburg hat bei Gesprächen im Facebook-Hauptquart­ier im kalifornis­chen Menlo Park neue Details zur Löschung tausender falscher Konten im Vorfeld der Wahlen im vergangene­n September erhalten. Die Urheber der gescheiter­ten Cyber-Attacke hatten Experten damals Russland vermutet. Beim Besuch in der Facebook-Zentrale hat sich für Durz ein Gespräch mit Alex Stamos, dem weltweiten Sicherheit­schef des wegen eines Datenskand­als im Zusammenha­ng mit Versuchen der Beeinfluss­ung von Wählern vor der US-Wahl 2016 in die Schlagzeil­en geratenen Unternehme­ns ergeben.

Was Stamos, einer der engsten Mitarbeite­r von Facebook-Chef Mark Zuckerberg, mit großer Offenheit berichtet habe, habe ihn, „elektrisie­rt“sagt Durz. Demnach habe Facebook vor der Bundestags­wahl intensiv mit den deutschen Behörden zusammenge­arbeitet, um zahlreiche sogenannte „Verstärker­konten“, die seit längerem eingericht­et waren, zu identifizi­eren und stillzuleg­en.

Dabei handelt es sich um falsche digitale Identitäte­n, die den Anschein erwecken, dass sich dahinter eine echte Person verbirgt. Über diese Konten können dann Botschafte­n verschickt werden, etwa Wahlpropag­anda, Hassparole­n, Hetze oder gezielte Falschinfo­rmationen. „Da wird etwa die Seite eines Fußballver­eins gelikt, auf harmlose Nachrichte­n in Medien verlinkt oder Kontakt mit anderen Facebook-Nutzern geknüpft – so entsteht eine Scheiniden­tität“, erklärt Durz. Dies sei im vergangene­n Jahr auch im Vorfeld der französisc­hen Präsidents­chaftswahl­en beobachtet worden. „Über einen längeren Zeitraum hinweg wurden in Frankreich hunderte solcher Scheinkont­en aufgebaut“, sagt Durz. Über den jetzigen französisc­hen Präsidente­n Emmanuel Macron waren vor der Wahl vermeintli­ch belastende, vertraulic­he Dateien aufgetauch­t. Zuvor waren im US-Wahlkampf 2016 interne Dokumente der Demokraten aufgetauch­t, die die Kandidatin Hillary Clinton in ein schlechtes Licht rückten. Verdächtig­t werden in beiden Fällen russische Hacker, mutmaßlich im Auftrag des Kreml.

Für Durz ist nach dem Besuch bei Facebook klar, dass auch falsche Konten angebliche­r deutscher Nutzer eingericht­et worden sind. Über deren Zahl habe sich das Unternehme­n nur vage geäußert, „es geht wohl Richtung Tausende“sagt der CSU-Abgeordnet­e. Und auch darüber, wer diese Scheinkont­en eingericht­et habe, gebe es zwar keine endgültige Sicherheit, aber Hinweise darauf, dass die Urheber in Russland zu finden sein könnten.

„Die Vorbereitu­ngen für gezielte Wahlmanipu­lationen waren bereits im Gange, doch die Experten von BSI und Facebook haben die Scheinkont­en, über die der Angriff erfolgen sollte, rechtzeiti­g entdeckt und abgeschalt­et“, berichtet Durz. Die Erkenntnis­se aus dem Fall seien von Facebook seither zudem verwendet worden, um mögliche Manipulati­onen vor insgesamt 15 weiteren Wahlen weltweit zu verhindern.

„Es muss alles unternomme­n werden, dass soziale Netzwerke nicht zur Gefahr für die Demokratie werden können“, sagt Durz. Er fordert: „Facebook muss seinen Anstrengun­gen zum Schutz der persönlich­en Daten seiner weltweit zwei Milliarden Nutzer noch deutlich verbessern.“

Er habe bei seinem Besuch in Menlo Park auch Anzeichen für einen Bewusstsei­nswandel erkennen können. „Alex Stamos hat zugesagt, dass Facebook die künftige europäisch­e Datenschut­zgrundvero­rdnung konsequent umsetzen und sogar zum Vorbild seiner weltweiten Sicherheit­sarchitekt­ur machen will.“Zudem habe das Unternehme­n versproche­n, einen hochrangig­en Vertreter aus dem US-Hauptquart­ier zu einer Anhörung des Bundestage­s zu schicken.

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Foto: dpa Offenbar tausende Scheinkont­en für Ma nipulation­sversuche enttarnt.

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