Augsburger Allgemeine (Land West)
Kettenbrief bedroht Kinder mit dem Tod
Eine Computerstimme kündigt über WhatsApp Morde an. Jetzt greift die Polizei ein
Krumbach/Augsburg Das Mädchen konnte tagelang nicht richtig schlafen. „Sie schaut ständig, ob ich da bin“, erzählt Bianca Müller von ihrer Tochter. „Und wenn sie in den Garten geht, will sie, dass die Terrassentür offen bleibt.“Vor ein paar Tagen habe das angefangen, an dem Abend, als die Zehnjährige eine Sprachnachricht aufs Handy bekam, bei der es sogar ihre Mutter gruselte. Eine Computerstimme droht darin, das Mädchen, ihre Freunde und Eltern „in einer brutalen Weise umzubringen“, wenn sie die Nachricht nicht an „mindestens 20 Leute“weiterschicke.
Über den Messenger-Dienst WhatsApp verbreitet sich der Kettenbrief schnell. Müllers Tochter besucht die Mittelschule Krumbach, doch auch Kinder in Bad Wörishofen haben ihn bekommen. Aus dem Kreis Landsberg berichten Eltern von der gruseligen Sprachnachricht, rund um Schwabmünchen im Landkreis Augsburg und im Kreis Donau-Ries, überall sind Fälle bekannt.
Auch die Polizei kennt den Inhalt der Nachricht, die meist als unkommentierte Audiodatei verschickt wird. „Ich werde in einer Ecke stehen und dich die ganze Nacht lang beobachten“, heißt es da. Nach den Todesdrohungen zählt die abgehackte Computerstimme Kindernamen auf, die den Brief angeblich nicht beachtet und das mit dem Tod bezahlt haben. „Deswegen noch mal: Schicke diesen Brief weiter, ansonsten: Du weißt, was passiert. Mit blutigen Grüßen… Damian.“In einer anderen Version der Nachricht nennt sich der Absender Jeff.
Auf einen Hinweis unserer Zeitung hin hat das Polizeipräsidium Schwaben-Nord gestern über die sozialen Netzwerke begonnen, Eltern und Kinder über die gefälschte Nachricht aufzuklären. „Prävention steht in solchen Fällen an erster Stelle“, erklärt Markus Trieb vom Präsidium in Augsburg. Woher der Brief kommt, sei im Moment „absolut nicht eingrenzbar“. Der Urheber könne schließlich überall sitzen, auch im Ausland. Um zu ermitteln, braucht die Polizei konkrete Ansätze. Außerdem sei nicht klar, wann die Nachricht verfasst wurde. Sie kursierte offenbar schon mehrfach – mal als Textbotschaft, mal als Sprachnachricht, wie Eltern gegenüber unserer Zeitung berichten. Auf den Urheber, wenn er denn jemals gefunden werden sollte, wartet ein Verfahren. „Er bedroht in seiner Nachricht aktiv Menschen mit dem Tod. Das ist definitiv eine Straftat“, erklärt der Polizeisprecher. Den Kindern könne man keine Vorwürfe machen. „Sie schicken den Brief schließlich nur aus Angst weiter.“
Kettenbriefe über WhatsApp sind nicht selten. Manche versprechen mehr Smileys, wenn man sie verbreitet, andere eine neue Farbe für die Smartphone-Tastatur. Um Silvester kündigte eine Pseudo-Botschaft „ein schlechtes Jahr“für den Empfänger an, sofern er sie ignoriere. Kettenbriefe mit so krassem Inhalt kommen weit seltener vor.
Bianca Müller aus Oberegg (Landkreis Günzburg) hat sich sofort an die Schule gewandt, nachdem ihre Tochter auf mehrfache Nachfrage doch noch verraten hatte, warum sie sich fürchte und nur noch bei Licht schlafen wolle. Karin Virag, Leiterin der Mittelschule Krumbach, hat daraufhin einen Warnbrief an die Eltern aufgesetzt. Der Schulsozialarbeiter berät Familien dazu, was am besten zu tun ist. „Es ist wichtig, dass Eltern ihre Kinder nicht unter Druck setzen und neugierig alle Inhalte auf deren Handy überprüfen“, sagt Virag. Im jetzigen Fall aber sollten sie schon kontrollieren, ob ihre Kinder die schockierende Ankündigung bekommen haben. „Die beste Lösung ist, sie sofort zu löschen.“Bianca Müller hat mit ihrer Tochter über die Nachricht gesprochen. „Ich habe ihr gesagt, dass der Absender nur ein dummer Mensch ist, der anderen Angst machen will und dass niemandem etwas passieren wird. Aber aus einem Kinderkopf bekommt man so was nur schwer heraus.“
Kettenbriefe über WhatsApp sind weitverbreitet