Augsburger Allgemeine (Land West)
Sie machen den Echo zur Farce
Kollegah und Farid Bang erhalten einen der wichtigsten Musikpreise. Mit Songzeilen über „Auschwitzinsassen“. Warum das Publikum den Toten-Hosen-Sänger Campino feiert
Berlin Campino, der Sänger der Toten Hosen, steht am Donnerstagabend in Berlin auf der Bühne – und sagt, was aus Sicht vieler Kritiker der diesjährigen Echo-Verleihung gesagt werden muss. Er kenne sich mit Provokation aus. Aber: „Wenn es um frauenverachtende, homophobe, rechtsextreme und antisemitische Beleidigungen geht“, sei für ihn die Grenze überschritten. Das Publikum reagiert mit Applaus, mit stehenden Ovationen. Die Preisverleihung aber ist damit nicht zu retten – sie wird zur Farce.
Seit Wochen schon gibt es Diskussionen wegen der Nominierung der Rapper Kollegah und Farid Bang. In deren Song „0815“gibt es unter anderem die Zeile: „Mein Körper definierter als von Auschwitzinsassen.“Für Kritiker ein klarer antisemitischer Ausfall.
Für einen unabhängigen EchoBeirat, eine Art Ethikkommission, nicht. Am Donnerstag teilte der Veranstalter des wichtigsten deutschen Musikpreises, die Deutsche Phono-Akademie, mit: Die Entscheidung, an der Nominierung der Rapper in den Kategorien „HipHop/Urban National“und „Album des Jahres“festzuhalten, sei „eine mehrheitliche Entscheidung im Sinne der Kunstfreiheit“gewesen. Wenngleich „ganz deutlich ver- knüpft mit klarer Missbilligung der Sprache und der in dem Song getroffenen Aussagen“. In dem Beirat „sollten“, so formuliert es die Geschäftsund Verfahrensordnung, auch „Vertreter der Kirchen oder der jüdischen Kultusgemeinden“sein. Der Sprecher des Beirats, der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen, sprach von einem „absoluten Grenzfall zwischen Meinungs- und Kunstfreiheit“. Farid Bang hatte sich zuvor von „jeglicher Form des Antisemitismus“distanziert.
Am Donnerstagabend gewinnen er und Kollegah dann tatsächlich den Echo – in der Kategorie „Hip-Hop/ Urban National“. Und Kollegah feixt später: Campino habe sich als moralische Instanz aufgespielt, das gebühre einem so großen Musiker nicht. Das Berliner Publikum jedenfalls buht und pfeift, als Kollegah eine Karikatur des Toten-HosenSängers mit Heiligenschein hochhält. Er wolle sie für einen wohltätigen Zweck versteigern. Eine weitere geschmacklose Provokation.
Die Reaktionen auf diese EchoVerleihung, über die auch im englischsprachigen Ausland berichtet wird, sind deutlich – in Deutschland sind die Rüpel-Rapper am Freitag
Diskussionsthema. Wo endet die Kunstfreiheit? Wie gehen wir mit Antisemitismus um? „Dass ausgerechnet am 12. April, dem Holocaust-Gedenktag in Israel, die EchoVerleihung von dieser Nominierung überschattet wird, ist makaber und beschämend“, sagte Rockstar Peter Maffay schon vor der Verleihung. Nach der Verleihung schließen sich ihm viele an. SPD-Bundesaußenminister Heiko Maas twittert: „Antisemitische Provokationen haben keine Preise verdient, sie sind einfach widerwärtig.“Die anderen Preisträger wie Ed Sheeran oder Mark Forster spielen keine Rolle.