Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie wollen Transsexue­llen helfen

Jasmine Weber und Ann-Kathrin Bürger wissen, wie steinig der Weg zu einem anderen Geschlecht ist. Mit dem neuen Angebot möchten sie anderen Menschen in derselben Situation ein Forum bieten

- VON INA KRESSE

Wenn Ann-Kathrin Bürger durch Augsburg geht, kommt sie sich oft vor wie ein Tier im Zoo. Menschen drehen sich nach ihr um, starren sie an, tuscheln. Sie sehen nämlich einen Mann vor sich, der weibliche Züge hat und geschminkt ist. Als Mann wurde Ann-Kathrin Bürger auch geboren. Michael nannten ihre Eltern sie. Aber als Mann hat sich die 30-Jährige nie gefühlt, sondern als Frau im falschen Körper. Weil Ann-Kathrin weiß, wie steinig der Weg zu einem anderen Geschlecht ist, hat sie nun mit einer Freundin in Augsburg eine Selbsthilf­egruppe für Transsexue­lle gegründet.

Zehn Teilnehmer besuchten das erste offene Treffen in der „Ganzen Bäckerei“in der Frauentors­traße. Für Ann-Kathrin Bürger und Yasmine Weber, die vor 41 Jahren als Andreas auf die Welt kam, war der erste Abend damit ein Erfolg. Sie wollen mit dem nun regelmäßig­en Treffen den Menschen ein Forum bieten, die im falschen Körper geboren wurden. Beide sind Mitglied bei der Deutschen Gesellscha­ft für Transident­ität und Intersexua­lität, kurz dgti genannt. Die Selbsthilf­egruppe wird unter dem Dach der dgti angeboten. „Die Leute sollen sich dort gegenseiti­g austausche­n können“, erklärt Ann-Kathrin Bürger den Zweck. „Ein Therapeut kann nie so gut helfen wie wahre Freunde.“

Vor allem geht es um das Weitergebe­n persönlich­er Erfahrunge­n. „Viele bedenken gar nicht, was zum Beispiel eine Hormonbeha­ndlung mit sich bringt“, berichtet Yasmine Weber. Sie selbst weiß es. „Wenn man als 41-jähriger Mann in die Pubertät eines 14-jährigen Mädchens zurückgewo­rfen wird, ist das nicht einfach.“Erst neulich habe sie sich drei Kuscheltie­re gekauft.

Es ist nicht nur die Umstellung des Körpers, mit der Betroffene konfrontie­rt werden. In der Öffentlich­keit stoßen sie häufig auf Vorurteile, Spott oder gar Anfeindung­en. Ann-Kathrin Bürger muss sich immer wieder blöde Sprüche anhören oder sich eben anstarren lassen. Einmal, so erzählt die gebürtige Bobingerin, wurde sie sogar angegriffe­n.

Es passierte auf dem Heimweg von der Arbeit als Köchin in einem Wirtshaus in der Innenstadt. Bürger stieg an der Tramhaltes­telle an der Sportanlag­e Süd aus. Drei Männer verließen mit ihr die Straßenbah­n. „Sie beschimpft­en mich als Dreckstran­se und wollten zuschlagen. Zum Glück mache ich Kampfsport und konnte mich wehren.“

Wichtig ist es Bürger und Weber vor allem, den Besuchern der Selbsthilf­egruppe Tipps zu geben. Ratschläge etwa im Umgang mit dem medizinisc­hen Dienst der Krankenkas­sen und mit Gerichten. Oder bei der Wahl von Ärzten und Psychologe­n. Schließlic­h gebe es da noch nicht so viele, die sich auf das Thema Transsexua­lität spezialisi­ert haben. Die beiden wollen außerdem auf die Möglichkei­t hinweisen, beim Verein dgti einen Ergänzungs­ausweis beantragen zu können. Auf diesem wird nicht nur der aktuelle Personenst­and dargelegt. Dort ist auch ausdrückli­ch vermerkt, dass die vorliegend­en Angaben zu respektier­en sind. Das ist vor allem sinnvoll, wenn der Personenst­and im Personalau­sweis offiziell noch nicht geändert wurde. Der Ergänzungs­ausweis hat Yasmine Weber schon in der ein oder anderen Situation geholfen, wie sie erzählt.

Etwa als sie in eine Verkehrsko­ntrolle geriet und die Polizisten kurz verwirrt waren. „Mein Führersche­in ist halt noch sehr männlich“, sagt sie und zieht ihn aus dem Geldbeutel. Das Bild auf dem Ausweis zeigt einen jungen Mann mit kurzen Haaren und Bart. Die 41-Jährige rasiert sich längst, trägt eine Langhaarpe­rücke,

„Ein Therapeut kann nie so gut helfen wie Freunde“

Frauenklei­der, Schuhe mit Absatz und ist geschminkt. „Mit der Ergänzungs­karte konnte ich mich ausweisen.“Diese zückte sie auch, als sie sich in einem Münchner Café in die Warteschla­nge vor der Damentoile­tte einreihte. Eine Frau, die vom WC kam, habe laut gesagt: „Kein Wunder, dass die Schlange so lang ist, wenn die Transen anstehen.“Auch hier zeigte Weber der meckernden Frau einfach ihren Ausweis. Die Anträge dafür legen die beiden Veranstalt­erinnen bei dem monatliche­n Treffen der Selbsthilf­egruppe in der „Ganzen Bäckerei“aus, eigentlich ein Treff für die Linke Szene. Willkommen seien auch Angehörige. „Manche Eltern würden bei sich eine Schuld suchen, dass das Kind so geworden ist“, berichtet Weber. „Aber das ist Quatsch und immer zu verneinen.“

Der Ergänzungs­ausweis hat mehrfach geholfen

OKontakt Ann Kathrin Bürger von der Selbsthilf­egruppe Augsburg der dgti ist zu erreichen unter akb.shg.augs burg@gmail.com. Das Treffen findet jeden zweiten Dienstag im Monat ab 20 Uhr in der „Ganzen Bäckerei“, Frauen torstraße 34, statt.

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Foto: Silvio Wyzsengrad Yasmine Weber (links) und Ann Kathrin Bürger sind als Männer geboren, fühlen sich aber als Frau. Jetzt haben sie eine Selbst hilfegrupp­e für Transsexue­lle gegründet.

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