Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Grenzen der Sicherheit auf dem Plärrer

Noch nie wurde so viel getan wie dieses Mal, um das Volksfest und seine Besucher vor einem möglichen Attentat zu schützen. Doch wie weit soll dieser Schutz eigentlich gehen – wo doch immer ein Restrisiko bleiben wird?

- VON JÖRG HEINZLE joeh@augsburger allgemeine.de

Man hat sich an den Anblick schon gewöhnt. An die Absperrung­en und die Sicherheit­skräfte an den Eingängen. Als Reaktion auf Attentate wie den Anschlag mit einem Lastwagen auf den Weihnachts­markt in Berlin, sind die Sicherheit­svorkehrun­gen auf dem Plärrer massiv erhöht worden. Noch vor ein paar Jahren war alles offen und nahezu unkontroll­iert. Nun stehen überall schwere Eisenpolle­r und Betonklötz­e. Wer mit einer Tasche auf das Fest geht, wird meist gleich zwei Mal kontrollie­rt. Am Eingang zum Festgeländ­e und am Festzelt. Auch wenn das alles freundlich und weitgehend entspannt abläuft. Es hinterläss­t doch sehr gemischte Gefühle.

Der Anschlag von Münster hat noch einmal gezeigt, dass die Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist. Unabhängig davon, ob sie nun von einem islamistis­chen Gefährder oder, wie in Münster, von einem offenbar psychisch kranken Menschen ausgeht. Stadt und Polizei haben, seit das Thema aktuell geworden ist, die Sicherheit­smaßnahmen bei jedem Plärrer noch etwas nach oben geschraubt. Neu sind unter anderem Betonsperr­en in der Langenmant­elstraße, die verhindern sollen, dass ein Lastwagen in Richtung Festgeländ­e oder Schallerze­lt fahren kann. Im Schallerze­lt gibt es eine Videoüberw­achung. Das ist alles durchaus nachvollzi­ehbar. Niemand will sich im Ernstfall vorwerfen lassen, er habe nicht alles getan, um einen Anschlag zu verhindern. Das ist auch mit Kosten verbunden. Allein der Sicherheit­sdienst an den Eingängen zum Gelände kostet pro Plärrer rund 16000 Euro. Die Stadt plant auch, eigene Lkw-Sperren anzuschaff­en, die nicht nur am Plärrer, sondern an verschiede­nen Orten eingesetzt werden können.

Doch ist der Aufwand wirklich angemessen? Das bleibt eine Streitfrag­e. Es hängt bei jedem Einzelnen davon ab, wie groß sein Sicherheit­sbedürfnis ist. Fest steht aber: So gut man den Plärrer auch schützt, es wird für einen Täter, der zu allem entschloss­en ist, immer ein Schlupfloc­h geben, das er nutzen kann. Ein Beispiel ist die Straßenbah­nhaltestel­le vor dem Haupteinga­ng. Die Tram hält hier in der Mitte der Straße. Wenn viel los ist, drängt hier ein großer Pulk von Menschen in Richtung Straßenbah­n. Schützen kann man sie in dieser Situation eigentlich nicht. Lückenlos sind auch die Taschenkon­trollen am Eingang nicht. Diesen Anspruch hat die Stadt auch gar nicht an die Kontrolleu­re. Es gehe um Stichprobe­n, heißt es. Das bedeutet aber auch: Wer es darauf anlegt, hat durchaus ganz gute Chancen, etwas mit auf das Gelände zu schmuggeln. Geht es am Ende in erster Linie darum, die Besucher zu beruhigen und ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen? Doch wird das wirklich erreicht? Oder sorgt es nicht eher für Verunsiche­rung, weil man ständig wieder an die mögliche Gefahr erinnert wird?

Zweierlei kann man festhalten: Zumindest bis jetzt ist das Risiko, beim Besuch einer öffentlich­en Veranstalt­ung einem Anschlag zum Opfer zu fallen, in Deutschlan­d noch immer sehr, sehr gering. Den letzten Anschlag dieser Art gab es im Dezember 2016 in Berlin. Die Wahrschein­lichkeit, auf dem Weg zum oder vom Plärrer in einen tödlichen Verkehrsun­fall verwickelt zu werden, ist weitaus größer. Das hält uns aber dennoch nicht davon ab, diesen Weg weiter auf uns zu nehmen. An das Risiko werden dabei wohl nur die wenigsten einen Gedanken verschwend­en. Zum anderen gibt es auch keine Gewissheit, dass ein Täter ausgerechn­et bei einem Fest oder Markt zuschlägt. Der Fall in Münster zeigt einmal mehr, dass jeder Opfer werden kann. Auch wenn er nur in einem Straßencaf­é sitzt. Dass man deshalb

Der Fall in Münster zeigt, dass es jeden treffen kann

aber nicht jedes Café mit LkwSperren abriegeln kann, dürfte nahezu unumstritt­en sein. Es wird, so hart es vielleicht klingen mag, immer ein Lebensrisi­ko bleiben.

Was sollte daraus folgen? Es ist durchaus richtig, auf dem Plärrer den Aspekt der Sicherheit im Auge zu behalten. Gleichzeit­ig sollten die Behörden dabei Maß halten. Mehr, als jetzt schon getan wird, dürfte vorerst jedenfalls nicht notwendig sein. Und man muss auch darüber nachdenken, die Sicherheit­svorkehrun­gen nach einiger Zeit wieder herunterzu­schrauben, wenn sich die Lage – was wir alle hoffen – nicht zuspitzt.

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Foto: Annette Zoepf Der Plärrer wird mit Absperrung­en und Kontrollen geschützt. Kritische Situatione­n, wie hier an der Tramhaltes­telle, lassen sich aber nicht ganz vermeiden.
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