Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Grenzen der Sicherheit auf dem Plärrer
Noch nie wurde so viel getan wie dieses Mal, um das Volksfest und seine Besucher vor einem möglichen Attentat zu schützen. Doch wie weit soll dieser Schutz eigentlich gehen – wo doch immer ein Restrisiko bleiben wird?
Man hat sich an den Anblick schon gewöhnt. An die Absperrungen und die Sicherheitskräfte an den Eingängen. Als Reaktion auf Attentate wie den Anschlag mit einem Lastwagen auf den Weihnachtsmarkt in Berlin, sind die Sicherheitsvorkehrungen auf dem Plärrer massiv erhöht worden. Noch vor ein paar Jahren war alles offen und nahezu unkontrolliert. Nun stehen überall schwere Eisenpoller und Betonklötze. Wer mit einer Tasche auf das Fest geht, wird meist gleich zwei Mal kontrolliert. Am Eingang zum Festgelände und am Festzelt. Auch wenn das alles freundlich und weitgehend entspannt abläuft. Es hinterlässt doch sehr gemischte Gefühle.
Der Anschlag von Münster hat noch einmal gezeigt, dass die Gefahr nicht aus der Luft gegriffen ist. Unabhängig davon, ob sie nun von einem islamistischen Gefährder oder, wie in Münster, von einem offenbar psychisch kranken Menschen ausgeht. Stadt und Polizei haben, seit das Thema aktuell geworden ist, die Sicherheitsmaßnahmen bei jedem Plärrer noch etwas nach oben geschraubt. Neu sind unter anderem Betonsperren in der Langenmantelstraße, die verhindern sollen, dass ein Lastwagen in Richtung Festgelände oder Schallerzelt fahren kann. Im Schallerzelt gibt es eine Videoüberwachung. Das ist alles durchaus nachvollziehbar. Niemand will sich im Ernstfall vorwerfen lassen, er habe nicht alles getan, um einen Anschlag zu verhindern. Das ist auch mit Kosten verbunden. Allein der Sicherheitsdienst an den Eingängen zum Gelände kostet pro Plärrer rund 16000 Euro. Die Stadt plant auch, eigene Lkw-Sperren anzuschaffen, die nicht nur am Plärrer, sondern an verschiedenen Orten eingesetzt werden können.
Doch ist der Aufwand wirklich angemessen? Das bleibt eine Streitfrage. Es hängt bei jedem Einzelnen davon ab, wie groß sein Sicherheitsbedürfnis ist. Fest steht aber: So gut man den Plärrer auch schützt, es wird für einen Täter, der zu allem entschlossen ist, immer ein Schlupfloch geben, das er nutzen kann. Ein Beispiel ist die Straßenbahnhaltestelle vor dem Haupteingang. Die Tram hält hier in der Mitte der Straße. Wenn viel los ist, drängt hier ein großer Pulk von Menschen in Richtung Straßenbahn. Schützen kann man sie in dieser Situation eigentlich nicht. Lückenlos sind auch die Taschenkontrollen am Eingang nicht. Diesen Anspruch hat die Stadt auch gar nicht an die Kontrolleure. Es gehe um Stichproben, heißt es. Das bedeutet aber auch: Wer es darauf anlegt, hat durchaus ganz gute Chancen, etwas mit auf das Gelände zu schmuggeln. Geht es am Ende in erster Linie darum, die Besucher zu beruhigen und ein Gefühl von Sicherheit zu schaffen? Doch wird das wirklich erreicht? Oder sorgt es nicht eher für Verunsicherung, weil man ständig wieder an die mögliche Gefahr erinnert wird?
Zweierlei kann man festhalten: Zumindest bis jetzt ist das Risiko, beim Besuch einer öffentlichen Veranstaltung einem Anschlag zum Opfer zu fallen, in Deutschland noch immer sehr, sehr gering. Den letzten Anschlag dieser Art gab es im Dezember 2016 in Berlin. Die Wahrscheinlichkeit, auf dem Weg zum oder vom Plärrer in einen tödlichen Verkehrsunfall verwickelt zu werden, ist weitaus größer. Das hält uns aber dennoch nicht davon ab, diesen Weg weiter auf uns zu nehmen. An das Risiko werden dabei wohl nur die wenigsten einen Gedanken verschwenden. Zum anderen gibt es auch keine Gewissheit, dass ein Täter ausgerechnet bei einem Fest oder Markt zuschlägt. Der Fall in Münster zeigt einmal mehr, dass jeder Opfer werden kann. Auch wenn er nur in einem Straßencafé sitzt. Dass man deshalb
Der Fall in Münster zeigt, dass es jeden treffen kann
aber nicht jedes Café mit LkwSperren abriegeln kann, dürfte nahezu unumstritten sein. Es wird, so hart es vielleicht klingen mag, immer ein Lebensrisiko bleiben.
Was sollte daraus folgen? Es ist durchaus richtig, auf dem Plärrer den Aspekt der Sicherheit im Auge zu behalten. Gleichzeitig sollten die Behörden dabei Maß halten. Mehr, als jetzt schon getan wird, dürfte vorerst jedenfalls nicht notwendig sein. Und man muss auch darüber nachdenken, die Sicherheitsvorkehrungen nach einiger Zeit wieder herunterzuschrauben, wenn sich die Lage – was wir alle hoffen – nicht zuspitzt.