Augsburger Allgemeine (Land West)
Dreifache Mutter – Chefärztin – Powerfrau
Julia Welzel war erst 35, als sie in Lübeck ihren Doktor machte. Nun leitet sie seit 14 Jahren die Dermatologie am Klinikum Süd. Warum sie keine Praxis eröffnen wollte, wie sie ihr Familienleben organisiert und wie ihr Mann ihr hilft
Neusäß Westheim „Ich bin ein norddeutsches Gewächs“, sagt Professor Dr. Julia Welzel gleich eingangs. Das ist nicht zu überhören. Sie spricht ein klares Hochdeutsch. Als die Medizinerin aus dem hohen Norden 2004 als Chefärztin der Klinik für Dermatologie und Allergologie ans Klinikum Augsburg kam – übrigens damals dort die erste weibliche Chefin –, musste sie auch lernen, „dass man in Bayern Dialekt sprechen darf“. Dass es ein bisschen wie „auswandern“sei, wenn man von Schleswig-Holstein nach Bayern käme.
Obwohl ja laut Glücksatlas 2017 in Schleswig Holstein die Menschen am zufriedensten sind, fühlt sich Julia Welzel hier mitten in Bayern inzwischen sehr wohl. Sie lebt mit Ehemann Rüdiger Pein und den drei Kindern in Westheim, in der Nähe des Klinikums. Inzwischen ist die Dermatologie in Haunstetten am Klinikum Süd untergebracht, die Professorin hat einen etwas weiteren Weg zur Arbeit.
Mit 20 Jahren hat sie ihren Mann kennengelernt, mit 25 Jahren schon fertig studiert, 1995 mit 30 Jahren geheiratet. Damals war sie schon Fachärztin. Mit 32, 34 und 36 Jahren dann die Kinder – zwei Jungs, ein Mädel – bekommen und mit Familie im eigenen Haus am Timmendorfer Strand gewohnt; mit 35 Jahren bereits in Lübeck die Habilitation geschafft und dann die erfolgreiche Bewerbung als Chefärztin nach Augsburg: Das klingt nach Vollgas!
Die sicher damit verbundene Anstrengung sieht man der zierlichen Powerfrau aber nicht an. Im Gegenteil. Sie wollte ja Karriere machen, nicht in eine Praxis gehen, sondern im Team arbeiten, forschen, nicht fremdbestimmt sein. Und das scheint ihr Spaß zu machen. Zumal ja gute Aussichten bestehen, dass am künftigen Universitätsklinikum Augsburg neben der direkten Krankenversorgung noch mehr Wert auf Forschung und Lehre gelegt wird. „Beides finde ich sehr spannend“, sagt Julia Welzel. „Man kann innovativ sein, neue Ideen anbieten.“
Ein Tag wie dieser ist durchgetaktet für die Ärztin, die seit 2014 das Gold „Top Mediziner 2014 Hautkrebs“führen darf am Klinikum Süd Chefin über 53 Mitarbeiter, darunter 15 Ärzte, ist.
Kurz vor acht Uhr morgens schon ist sie in der Klinik. Krankenversorgung, Sprechstunde, Visite, Operationen. Nebenbei Vorstellungsgespräche, Mitarbeitergespräche, Auswertung von Daten aus Studien, Vorstandssitzung des BRK Augsburg-Stadt, wo sie ehrenamtlich erste stellvertretende Vorsitzende ist. Ach ja, abends noch ein ärztlicher Vortrag im Bürgersaal Stadtbergen, an einem der nächsten Wochenenden eine Tagung in Nizza über photodynamische Therapie.
Bei Kongressen ist Professor Welzel eher Referentin als Zuhörerin. Alles, was sie an Projekten etwa in der Forschung macht, erfolge zu Hause. „Für diesen Beruf muss man ein bisschen hyperaktiv sein“, lacht Julia Welzel. „Es ist kein Beruf, wo man am Morgen keine Lust zur Arbeit hat. Die Leute, die zu uns kommen, haben ein Problem, und meist können wir es lösen. Ich mach’ das sehr gern und freue mich auf jeden Tag!“
Die Frage, wie man das alles schafft, wenn man doch Familie hat, ist natürlich völlig überflüssig bei so viel Zielstrebigkeit und Begeisterung. Ein Mann muss sich diese Frage auch nicht stellen lassen. Trotzdem: Rüdiger Pein, freiberuflicher Ingenieur, ist zu Hause der starke Mann hinter einer starken Frau. „Er hat seine beruflichen Aktivitäten zurückgefahren“, räumt Julia Welzel ein. Einer der Partner müsse „zurücksetzen“, meint sie, wenn der andere eine zeitlich so anspruchsvolle Tätigkeit ausübt. Die Kinder waren sowohl in Lübeck als auch dann in Augsburg, als die Familie nach einem halben Jahr nachzog, im Betriebskindergarten des jeweiligen Klinikums. In Lübeck waren zudem die Großeltern der Kinder einsatzbereit.
Als Julia Welzel ihre Sprösslinge einmal mittags von der Grundschule Westheim abholen wollte – schnell mal von Haunstetten nach Westund heim gefahren ist – und diese dann wegen Hitzefrei nicht antraf, wurde eine andere Lösung gefunden: Die International School Augsburg bot Ganztagsbetreuung.
Im Büro im Klinikum Süd zeigt eine Fotowand fröhliche Aufnahmen der Familie Welzel/Pein. Jedes Jahr wird ein Foto der inzwischen großen Kinder gemacht, ein Foto im gelben Rapsfeld: „Zu Hause gibt es eine ganze Pinnwand mit Rapsbildern“, lacht Julia Welzel fröhlich. Zu Hause wohnen noch zwei der Kinder, 16 und 18 Jahre alt, der Älteste studiert bereits Medizin. Eine Haushälterin gibt es nicht, Saugroboter „Saugi“ist immer im Einsatz, die Lebensmittel werden meist über einen Internetdienst geliefert, „mein Mann kann gut kochen“– und auch Frau Doktor steht ganz gern am Herd. So funktioniert der Haushalt.
Der Garten ist ihre Domäne, ihr Hobby. Klavier spielen, ein bisschen singen, dreimal die Woche laufen und dann auch Bauch-Beine-Po mithilfe von Youtube. Das reicht. Bei all dem Trubel seit über 30 Jahren immer noch mit dem gleichen Mann zusammen – gibt es da ein Geheimnis? Die „große Zuneigung“und „sich erhalten, was man zu Anfangszeiten gefühlt hat, aber auch, sich Freiräume verschaffen“, sagt Julia Welzel lächelnd und fügt hinzu: „Vielleicht auch nur Glück!“