Augsburger Allgemeine (Land West)
Montagabend lassen sie die Saiten erklingen
Bei der Probe im Neusässer Haus der Musik sind die Mitglieder des Kammerorchesters konzentriert zugange. Dirigent Wolfgang Weber gibt den Takt vor. Was zurzeit einstudiert wird
Neusäß Jeden Montag, abends ab halb acht, versammeln sich die Mitglieder des Neusässer Kammerorchesters im Haus der Musik zur gemeinsamen Probe. Nach und nach treffen die Hobbymusiker ein, sorgsam werden die Instrumente ausgepackt, die Bögen gespannt, und die ersten Töne klingen durch den Raum.
Zum Einstimmen gibt Eva-Maria Heidelberger, erste Geige im Ensemble, ein A vor, an dem sich nach und nach alle Geigen, Celli, die Bratsche und der Kontrabass ausrichten. Die Anfänge des Orchesters reichen bis in die 60er-Jahre zurück.
Aber 1991 wurde es mit der Dirigentin Astrid Müller neu ins Leben gerufen. Vor drei Jahren übernahm Wolfgang Weber das generationenübergreifende und gut geführte Laienorchester von seinem Vorgänger Frank Lippe. Wolfgang Weber ist in seinem Metier ein Fachmann, denn er deckt ein breites musikalisches Feld ab. Jährlich finden Darbietungen in der Stadthalle Neusäß statt und im Rahmen des Musiksommers das beliebte Freiluftkonzert „Serenade im Park“.
Das Ensemble brilliert auf hohem Niveau, so standen sie beim letzten Konzert gemeinsam mit Jazzviolinist Sandro Roy, einem jungen Neusässer Talent mit internationalen Auftritten, auf der Bühne. Und noch ein großes Projekt hat das Orchester bereits vollendet. Es ist die Compact Disc „Viva la Musica!“, eine Konzertaufzeichnung italienischer Opernmelodien gemeinsam mit dem Coro Polifonico di Bracciano in der Stadthalle Neusäß aus dem Jahr 2014. Bracciano ist die italienische Partnerstadt von Neusäß.
Der Schwerpunkt für die diesjährige Sommerserenade im Park ist Filmmusik, Schlager der 30er- und 40er-Jahre. Die Titel auf den Notenblättern verraten, dass man sich nicht mit leichten Werken befasst. Die Wahl fiel auf Stücke der Komponisten Jean Sibelius, Georges Bizet und einem russischen Lied aus der Feder von Theo Mackeben. Jeder Takt ist eine Herausforderung an jeden einzelnen Musiker und an das Orchester. Wolfgang Weber weiß das Ensemble zu fördern und auch die einzelnen Passagen passgenau zu formen.
Es ist ein gewaltiger Unterschied, ob mit dem Bogen ein satter voller Klang gestrichen oder mit den Fingern ein hüpfendes Pizzicato ge- wird. Bei schwierigen Taktpassagen gibt Wolfgang Weber Orientierung, er übernimmt wie ein Metronom den monotonen Grundschlag mit seinen Händen, bis das Orchester die Hürde nimmt und in Harmonie die Instrumentenklänge zusammenfinden.
Die Streichmusiker sind konzentriert bei der Sache, mit Herzblut führen sie den Bogen und wiederholen Takt für Takt die ausgefeilten Notensätze. Und plötzlich ist er zu hören, der Wohlklang – es ist das, was Wolfgang Weber seinen Musikern zu verstehen gibt. Wie Perlen an einer Kette aneinandergereiht folgen die Violinen der Bratsche und dem Kontrabass aufs Sechzehntel taktgenau.
Die Instrumente bauen Note für Note eine musikalische Welle auf, „wie ein leichter Mittelmeerwind soll es klingen“, so Weber. Immer wieder nimmt der Dirigent Instrumentengruppen einzeln heraus und lässt die Passagen üben. Das Duett zwischen Geigen und Celli nimmt elegant den Tonartenwechsel von Dur zu Moll. Im Takt 17 ist eine knifflige Stelle. „Gut ausspielen“, weist Weber an und „lasst euch nicht irritieren, wenn das Cello von G nach A spielt und die Geige ein Gis greift“.
Beinahe in jedem Takt steckt ein rhythmisches Phänomen, in der Fachsprache nennt man es Synkopen, Triolen oder eine Fermate. Die Betonungen bringt man mit Forte, Piano oder gar „pp“, Pianissimo, zum Ausdruck. Die Saiten werden mit dem Bogen glatt gestrichen oder mit virtuosem Tremolo zum Erklinzupft gen gebracht. Hinzu kommt noch, dass der Ton „liegend und nicht werfend“ertönen soll. Nach zwei Stunden Probe erklang der „Valse triste“ebenso virtuos wie das „Andantino“und endete mit Mackebens „Nur nicht aus Liebe weinen“.