Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum begann die Messerstec­herei?

Im Juni 2017 verletzte ein 19-Jähriger drei Männer bei einer Auseinande­rsetzung in einer Disco schwer. Das Motiv wird über das Strafmaß entscheide­n

- VON MAXIMILIAN CZYSZ Symbolfoto: Marcus Merk

Gersthofen/Augsburg Zum Auftakt der Verhandlun­g an der Jugendkamm­er des Landgerich­ts hatte der 19-jährige Messerstec­her eingeräumt, dass er im Juni 2017 drei Männer in einer Disco in Gersthofen schwer verletzt hatte. Was allerdings noch nicht zur Sprache kam: Hatte der junge Mann ein Motiv? Die Staatsanwa­ltschaft geht von Heimtücke aus, was den Vorwurf des versuchten Mordes stützt. Der Angeklagte stellte es am ersten Prozesstag anders dar.

Es habe zunächst einen Streit gegeben. Aus der verbalen Auseinande­rsetzung mit einem anderen, fremden Mann wurde ein Gerangel, bei dem er festgehalt­en wurde und auch einen Faustschla­g abbekam. Am Ende zog er ein Messer aus der Hosentasch­e. Wollte er sich also nur verteidige­n? Erinnerung­slücken hatte der Angeklagte bei der Frage, wie er die Männer verletzt hatte. Ob eine Glasflasch­e im Spiel gewesen sein könnte, wusste er ebenfalls nicht. Ihm sei erst in der Untersuchu­ngshaft klar geworden, was er angerichte­t hatte. Was er noch wusste: In der Nacht hatte er viel Alkohol konsumiert. Und er wurde bei dem Vorfall selbst verletzt.

Nach seiner Schilderun­g hatten ihn Mitarbeite­r des Sicherheit­sdienstes der Diskothek überwältig­t und vor die Türe gebracht. Dort sei er dann auf den Rücken und den Kopf getreten worden. Auch an der Hand und am Arm sei er verletzt worden und musste operiert werden. Seit damals könne er einen Zeigefinge­r nicht mehr richtig bewegen.

Am ersten von vier angesetzte­n Prozesstag­en war auch die Rede von einem Facebook-Account, in dem der junge Mann für Kampfsport geworben haben soll. Außerdem ging es um die Frage, ob er sich im Netz als „Boss der Albaner“darstellen wollte. Ging es in dem Streit am Ende nicht nur um eine junge Frau, die der Angeklagte an dem Abend kennengele­rnt hatte, sondern um zwei rivalisier­ende Gruppen, die sich bekämpfen wollten? Der junge Mann, der einen Dolmetsche­r an seiner Seite hatte, erklärte: Wenn er der „Boss der Albaner“sei, dann hätte er nicht aus dem Land fliehen müssen.

Mit 15 Jahren verließ er zusammen mit seiner Schwester Albanien. Ein Grund für die Flucht sei gewesen, dass der Vater gewalttäti­g war. Der junge Mann kam in Jugendhilf­eeinrichtu­ngen unter und begann eine Ausbildung. Ein „schlechter Freundeskr­eis“brachte ihn auch auf Kräuterdro­gen, die er zwei- bis dreimal konsumiert­e. Nachdem er im Asylverfah­ren keine Aufenthalt­sgenehmigu­ng erhalten hatte, probierte er auch Cannabis. Gegenüber der Jugendgeri­chtshilfe sagte der 19-Jährige einmal, dass er sich alleine fühle und Selbstmord­gedanken in sich trage. Er habe Angst vor einer Rückkehr in seine Heimat. Denn: Dort würde er totgeschla­gen.

Der Prozess an der Jugendkamm­er des Landgerich­ts Augsburg wird am 16. April fortgesetz­t. Ein Urteil soll eine Woche später, am 27. April, fallen.

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Ging es bei der Messerstec­herei in Gersthofen um eine Frau, oder um rivalisier­ende Gruppen? Vom Motiv wird das Strafmaß abhängen.

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