Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum begann die Messerstecherei?
Im Juni 2017 verletzte ein 19-Jähriger drei Männer bei einer Auseinandersetzung in einer Disco schwer. Das Motiv wird über das Strafmaß entscheiden
Gersthofen/Augsburg Zum Auftakt der Verhandlung an der Jugendkammer des Landgerichts hatte der 19-jährige Messerstecher eingeräumt, dass er im Juni 2017 drei Männer in einer Disco in Gersthofen schwer verletzt hatte. Was allerdings noch nicht zur Sprache kam: Hatte der junge Mann ein Motiv? Die Staatsanwaltschaft geht von Heimtücke aus, was den Vorwurf des versuchten Mordes stützt. Der Angeklagte stellte es am ersten Prozesstag anders dar.
Es habe zunächst einen Streit gegeben. Aus der verbalen Auseinandersetzung mit einem anderen, fremden Mann wurde ein Gerangel, bei dem er festgehalten wurde und auch einen Faustschlag abbekam. Am Ende zog er ein Messer aus der Hosentasche. Wollte er sich also nur verteidigen? Erinnerungslücken hatte der Angeklagte bei der Frage, wie er die Männer verletzt hatte. Ob eine Glasflasche im Spiel gewesen sein könnte, wusste er ebenfalls nicht. Ihm sei erst in der Untersuchungshaft klar geworden, was er angerichtet hatte. Was er noch wusste: In der Nacht hatte er viel Alkohol konsumiert. Und er wurde bei dem Vorfall selbst verletzt.
Nach seiner Schilderung hatten ihn Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes der Diskothek überwältigt und vor die Türe gebracht. Dort sei er dann auf den Rücken und den Kopf getreten worden. Auch an der Hand und am Arm sei er verletzt worden und musste operiert werden. Seit damals könne er einen Zeigefinger nicht mehr richtig bewegen.
Am ersten von vier angesetzten Prozesstagen war auch die Rede von einem Facebook-Account, in dem der junge Mann für Kampfsport geworben haben soll. Außerdem ging es um die Frage, ob er sich im Netz als „Boss der Albaner“darstellen wollte. Ging es in dem Streit am Ende nicht nur um eine junge Frau, die der Angeklagte an dem Abend kennengelernt hatte, sondern um zwei rivalisierende Gruppen, die sich bekämpfen wollten? Der junge Mann, der einen Dolmetscher an seiner Seite hatte, erklärte: Wenn er der „Boss der Albaner“sei, dann hätte er nicht aus dem Land fliehen müssen.
Mit 15 Jahren verließ er zusammen mit seiner Schwester Albanien. Ein Grund für die Flucht sei gewesen, dass der Vater gewalttätig war. Der junge Mann kam in Jugendhilfeeinrichtungen unter und begann eine Ausbildung. Ein „schlechter Freundeskreis“brachte ihn auch auf Kräuterdrogen, die er zwei- bis dreimal konsumierte. Nachdem er im Asylverfahren keine Aufenthaltsgenehmigung erhalten hatte, probierte er auch Cannabis. Gegenüber der Jugendgerichtshilfe sagte der 19-Jährige einmal, dass er sich alleine fühle und Selbstmordgedanken in sich trage. Er habe Angst vor einer Rückkehr in seine Heimat. Denn: Dort würde er totgeschlagen.
Der Prozess an der Jugendkammer des Landgerichts Augsburg wird am 16. April fortgesetzt. Ein Urteil soll eine Woche später, am 27. April, fallen.