Augsburger Allgemeine (Land West)
Was jeder für die Zugvögel tun kann
Täglich kehren neue Vögel aus dem Süden zurück. Doch die Populationen schrumpfen
Landkreis Augsburg Klaus Stampfer hat alles genau dokumentiert: Am 20. Februar um 11.48 Uhr kamen die ersten Stare nach Bonstetten zurück. „Heuer waren sie etwas später dran“, sagt Stampfer. Die Lichtschranken und Kameras, die der Vogelfreund an seinen speziellen Nistkästen angebracht hat, erlauben es ihm, das Verhalten der Tiere zu dokumentieren. Aktuell seien die Männchen damit beschäftigt, das alte Nestmaterial aus den Nistkästen zu entfernen und neues herbeizuschaffen, erklärt Stampfer. Er konnte beobachten, wie die Weibchen dann alles genau inspizieren. „Bei Vögeln ist Damenwahl und dabei zählt auch die Immobilie“, sagt er.
Der Star ist ein Zugvogel und überwintert im Mittelmeerraum, bevor er im Februar zurückkehrt. Der Naturschutzbund hat den Star zum Vogel des Jahres erklärt. Er sei „kein Allerweltsvogel“, so der Verband auf seiner Internetseite. Vor allem die Fähigkeit verschiedenste Laute, sogar Handyklingeltöne und Alarmanlagen nachzuahmen, unterscheide die Art von anderen Vögeln.
Sowohl von Berufswegen als auch in seinem eigenen Garten beobachtet Nicolas Liebig mit Begeisterung Vögel. Er ist Geschäftsführer des Landschaftspflegeverbands Augsburg. „Momentan kommen viele Vogelarten wieder an. Eigentlich tut sich jeden Tag etwas“, so Liebig. In der vergangenen Woche hat er zum Beispiel zum ersten Mal in diesem Jahr einen Fitis gehört. Das Weitstreckentier überwintert südlich der Sahelzone und kommt meist in der Zeit um Ostern zurück. Äußerlich ist der Fitis kaum von einem anderen Zugvogel zu unterscheiden: dem Zilpzalp. Der charakteristische Gesang mache die beiden Vögel allerdings „zu komplett unterschiedlichen Arten“, sagt der Landschaftspfleger. Außerdem hat der Zilpzalp kürzere Flügel als der Fitis und überwintere meist in Spanien.
Alles in allem betont Nicolas Liebig: „Wer aufpasst, kann jeden Tag eine neue Art entdecken.“Es gibt allerdings auch Arten, die in der Region überwintert haben und sich jetzt wieder in Richtung ihrer Brutplätze in Skandinavien und Sibirien aufmachen, vor allem Wasservögel. Ein Beispiel ist die Schellente. Die Balz finde noch hier in der Region statt, danach folgt das männliche Tier dem Weibchen zur Brutstätte in den Norden. Aktuell auch auf der Durchreise: die Bergfinken.
Viele Vogelfans beklagen aktuell, dass immer weniger Tiere im eigenen Garten zu sehen sind. Klaus Stampfer hat diese Erfahrung bisher nicht gemacht, seine Nistkästen sind weiter voll besetzt. Er betont allerdings, dass einzelne Beobachter kaum beurteilen könnten, ob eine Population zurückgegangen ist oder nicht. Deshalb verlässt er sich auf die Zahlen des Naturschutzbundes. Dieser betont: „Die Präsenz des Stares im Alltag täuscht, denn der Starenbestand nimmt ab.“Dass Populationen schrumpfen, bestätigt auch Nicolas Liebig. Insektensterben und die Vernichtung von Lebensraum betreffen alle. Wandernde Arten hätten es doppelt schwer. Durch Rodung und Pestizideinsatz wird auch in den Regionen, in denen die Vögel überwintern, immer mehr Lebensraum zerstört. „Sehr besorgniserregend“findet Nicolas Liebig vor allem den Rückgang der Feldlerchen. „Dieser Vogel ist normalerweise hart im Nehmen und kommt gut mit veränderten Bedingungen zurecht“, sagt der Experte.
Doch wie kann jeder einzelne den Vögeln helfen? „Vor allem wer einen Garten hat, kann unheimlich viel tun“, so Liebig. Starenkobel gebe es zum Beispiel im Baumarkt und Bastler fänden gute Bauanleitungen im Internet. Auch Klaus Stampfer hat viele Informationen auf seiner Internetseite zusammengetragen. Außerdem sollten Gartenbesitzer „Wildnis“zulassen. Wer nicht jeden Tag den Rasen mäht und die Sträucher jetzt nicht mehr zurückschneidet, schützt die Insektenpopulation und somit auch die Vögel. Vor allem Jungtiere brauchen das Eiweiß für den Aufbau der Muskeln.
Ein zweiter wichtiger Punkt ist für Nicolas Liebig auch das persönliche Konsumverhalten. „Bauern werden gezwungen, sehr intensiv zu wirtschaften“, erklärt er. Die „Industrialisierung der Landwirtschaft“vernichte immer mehr Lebensraum. „Die Menschen in Deutschland müssen bereit sein, mehr Geld für Lebensmittel auszugeben“, sagt der Experte. Er denkt dabei an ökologische und umweltverträgliche Landwirtschaft.