Augsburger Allgemeine (Land West)
Die Spende seines Lebens
Der Diedorfer Andreas Müller hat einem anderen Menschen die Chance auf Leben gegeben. Vor der Stammzellenentnahme in Nürnberg hatte er einige unruhige Nächte
Der Diedorfer Andreas Müller hat sich zu einer Stammzellenspende entschlossen. Damit gibt er einem an Krebs erkrankten Mann eine große Chance.
Diedorf/Gersthofen Was sind schon einige Tage im Vergleich zu einem ganzen Menschenleben? Das ist einer der Gedanken, die Andreas Müller nach seiner Stammzellenspende hatte. Wie der 35 Jahre alte Diedorfer dazu kam, welche Sorgen ihn umtrieben und was seine Gefühle nach der erfolgreichen Spende waren, berichtet er im Interview. Die DKMS (Anm. d. Red.: Deutsche Knochenmarkspenderdatei) bedankt sich bei jedem Spender mit den Worten: „Sie sind ein Held!“Fühlen Sie sich jetzt auch als Held? Andreas Müller: Nein. Eher als ganz normaler Mensch mit dem Wissen, das ich hoffentlich jemandem das Leben retten konnte. Aber Sie sind stolz?
Müller: Natürlich. Wie wurden Sie eigentlich zum Stammzellenspender? Müller: Vor knapp zehn Jahren gab es in meiner Heimatgemeinde Schäfstall und dem Nachbarort eine Typisierungsaktion, an der ich mich beteiligt hatte. Ich hatte damals auch bei der Organisation geholfen. So bin ich in die Datei gekommen. Und dann?
Müller: Kurz vor Weihnachten kam ein Paket von der DKMS, auf dem sich ein großer roter Aufkleber befand. Darauf stand, dass man vor dem Öffnen unbedingt anrufen sollte. Meine Frau und ich sind erst einmal erschrocken. Doch nach dem Anruf war klar: Es gibt einen Patienten, für den meine Stammzellen passen. Natürlich macht man sich dann Gedanken, was schlimmstenfalls mit einem selbst passieren kann. Was gibt es für Risiken?
Müller: Eine Infektion mit der Nadel. Aber die kann sich jeder auch bei einer Impfung zuziehen. Das wusste ich vorher aber nicht.
Was hatten Sie gedacht? Müller: Ich hatte befürchtet, dass mein Immunsystem durch die Spende dauerhaft eingeschränkt werden könnte. Außerdem macht man sich Gedanken, wenn plötzlich jemand in der Familie selbst Stammzellen benötigt und ich passen würde. Und?
Müller: Tatsächlich wäre kurz danach eine erneute Spende möglich. Auf der einen Seite die Sorgen um die eigene Gesundheit und die Familie, auf der anderen Seite ein Menschenleben, das unbedingt Stammzellen braucht: Treiben einen solche Gedanken lange um? Müller: Ja. Es gab schon ein paar unruhige Nächte und Tage. Als dann alle Zweifel ausgeräumt waren, fiel die Entscheidung mit meiner Frau: Wir ziehen es jetzt durch. Wie ging es weiter?
Müller: Nach Weihnachten musste ich beim Arzt Blut abnehmen lassen. Ende Januar gab es dann die Bestätigung, dass die Werte tatsächlich mit dem Patienten übereinstimmen. Ich sollte mich aber noch gedulden, denn vor der Spende musste klar sein, dass der Patient stabil ist. Das heißt, dass die Spende nur dann Sinn macht, wenn der infrage gekommene Patient auch gesund ist? Müller: Er muss in der Verfassung sein, die Spende annehmen zu können. Er muss also gesundheitlich stabil sein. Der Stammzellen-Empfänger war es.
Müller: Ja, denn Mitte Februar, also nach einer langen Zeit der Ungewissheit, kam der Anruf mit dem Termin nach Ostern. Den habe ich mit meinem Arbeitgeber, der mir den Rücken freigehalten hat, abgestimmt. Vor der eigentlichen Spende gab es noch eine Voruntersuchung, was im Grunde nichts anderes als ein großer Gesundheitscheck war. Vier Tage lang vor dem großen Termin musste ich mir selbst alle zwölf Stunden Spritzen setzen, damit die Stammzellen vom Knochen ins Blut übergehen. Das war weniger angenehm. Ich hatte Rücken- und Gelenkschmerzen. Aber die DKMS wäre bei Komplikationen rund um die Uhr erreichbar, man wird also nicht alleingelassen. Dann kam der große Tag.
Müller: Ich war sehr nervös. Die DKMS hatte alles vorbereitet, einschließlich der Zugtickets und der Hotelübernachtungen in Nürnberg, wo sich eine der Entnahmekliniken befindet. Dort wurde ich herzlichst empfangen und die Ängste waren sofort weg. Es waren dann ja auch nur zwei Pikser der Nadeln und drei Stunden gemütliches Liegen in einem bequemen Sessel. Das war’s. Das könnte also jeder machen?
Müller: Ja, ein paar Einschränkungen gibt es schon, zum Beispiel das Alter oder der Gesundheitszustand. Das Gefühl, wirklich jemandem zu helfen, ist inklusive. Können Sie das Gefühl näher beschreiben? Müller: Es war einfach nur schön. Vor allem, als ich dann erfahren habe, dass meine Stammzellen ein 61-jähriger Mann aus Schweden bekommen soll. Ich hoffe, dass es ihm gut geht und er wieder gesund wird. Wird es eine Möglichkeit geben, denn Mann persönlich kennenzulernen? Müller: Das wäre in zwei Jahren möglich, wenn er das auch möchte. Ich würde mich über ein Treffen sehr freuen.