Augsburger Allgemeine (Land West)

Fahrer werden dringend gesucht

Das Freiwillig­en-Zentrum bietet vor allem für Senioren einen Beförderun­gsdienst an. Das kommt an, doch es fehlt an Fahrern

- VON MARIA HEINRICH

In Neusäß gibt es einen Fahrdienst, der nicht mehr mobile Menschen zum Beispiel zum Arzt oder Einkaufen bringt. Die Nachfrage danach ist groß. Doch jetzt gibt es einen Engpass. Das Freiwillig­en-Zentrum sucht dringend ehrenamtli­che Fahrer.

Neusäß „Sagen Sie mal, muss man sich hier eigentlich anschnalle­n?“, fragt die Seniorin auf dem Rücksitz des Kleinbusse­s und beugt sich zu Hermann Frommelt nach vorne. Er ist an diesem Tag der Fahrer für das Freiwillig­en-Zentrum Neusäß und bringt eine Gruppe Senioren vom Notburgahe­im zum Einkaufen – ein Angebot des sozialen Fahrdienst­es. Hermann Frommelt blickt verschmitz­t durch seine große schwarze Brille in den Rückspiege­l nach hinten und antwortet: „Normal schon, aber ich fahre extra ganz langsam.“Von der Rückbank ertönt ein Ruf: „Aber wir sind doch nicht normal!“, und die Senioren kichern.

So lustig die Einkaufsfa­hrt ist – eigentlich ist Hermann Frommelt nicht zum Lachen zumute. Denn die Lage für den Fahrdienst ist angespannt. Wolfgang Fritz leitet das Projekt am Freiwillig­en-Zentrum und beklagt: „Wir haben einen extremen Mangel. Im vergangene­n Jahr sind zwei unserer Stammfahre­r gestorben, einer ist ausgeschie­den. Jetzt können wir die Anfragen kaum noch stemmen.“

Der soziale Fahrdienst in Neusäß ist ein Angebot für Hilfsbedür­ftige, die mit den öffentlich­en Verkehrsmi­tteln nicht mehr zurechtkom­men und sich keine Taxifahrte­n leisten können. Hermann Frommelt fährt mit den Leuten zum Arzt oder ins Krankenhau­s und begleitet sie sogar manchmal in die Praxis. Einmal in der Woche bringt er mit dem Kleinbus Hilfsbedür­ftige zur Tafel oder macht Einkaufsfa­hrten. Er holt zum Beispiel Senioren im Heim ab, bringt sie zum Supermarkt und trägt ihnen die schweren Taschen.

Der 72-Jährige aus Ottmarshau­sen macht das alles freiwillig. Er sagt: „Ich habe immer schon etwas für andere gemacht, nur so funktionie­rt die Gesellscha­ft.“Vor ein paar Jahren hat der Rentner ein Inserat in der Zeitung gesehen, dass Fahrer gesucht werden. Seitdem fährt er im Schnitt dreimal pro Woche.

Herbert Frommelt weiß, dass man viel Zeit investiere­n muss. „Trotzdem mache ich das gerne. Seit ich in Rente bin, habe ich viel Zeit. Meine Frau ist berufstäti­g, da ist mir manchmal langweilig.“Die Fahrten seien für ihn eine Bereicheru­ng. „Man lernt Menschen mit den unterschie­dlichsten Lebensbiog­rafien kennen. Und viele Alleinsteh­ende, die ihr Leben meistern müssen.“Es mache ihn bescheiden und zufrieden, wenn er manchmal traurige Einblicke in die Lebenssitu­ation anderer Leute erhält. „Leben im Augenblick, das habe ich hier gelernt.“

Zusammen mit einem zweiten Fahrer versucht Hermann Frommelt, so viele Fahrten wie möglich zu übernehmen. „Doch das reicht für die vielen Anfragen nicht aus“, sagt Wolfgang Fritz. „Ich musste schon Fahrten absagen, weil es zu wenige Fahrer gibt. Wir brauchen mindestens drei bis fünf Stammfahre­r.“Das Problem ist: Es gibt viele Leute, die engagiert sind, aber nur sporadisch ab und zu fahren wollen. „Kaum jemand will sich fest verpflicht­en. Das brauchen wir aber, damit wir die Fahrten planen und besetzen können und die anderen Fahrer nicht überlasten“, erklärt Fritz.

Ihm ist es ein Anliegen, neue Fahrer für das Projekt zu gewinnen. Am liebsten wären ihm Freiwillig­e, die viel Zeit haben. „Für Berufstäti­ge ist das eher schwierig. Frischrent­ner nehmen wir immer gerne.“Neben der freien Zeit müssen sie auch körperlich fit sein. „Man muss schon mit anpacken können“, sagt Frommelt. Zum Beispiel, wenn man den Fahrgästen beim Aussteigen helfe, den Rollstuhl verlade oder beim Tragen helfe. Für den Kleinbus reicht ein Führersche­in der Klasse B aus. „Doch mit dem großen Auto zu fahren, muss man sich schon zutrauen. Die Einfahrt am Notburgahe­im ist zum Beispiel sehr eng. “

Den Männern und Frauen aus dem Westheimer Seniorenhe­im macht die Fahrt an diesem sonnigen Vormittag viel Spaß. Ein Mann am Fenster bewundert das gute Wetter. Seine Sitznachba­rin lacht und sagt: „Tja, wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel.“Und wieder bricht hinter Hermann Frommelt Gekicher auf der Rückbank aus.

OKontakt Freiwillig­en Zentrum Neu säß, Leiterin Ursula Meyer, Telefon 0821/4552280.

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Foto: Maria Heinrich Hermann Frommelt, 72, aus Ottmars hausen, ist Fahrer beim Freiwillig­en Zentrum Neusäß.

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