Augsburger Allgemeine (Land West)
Fahrer werden dringend gesucht
Das Freiwilligen-Zentrum bietet vor allem für Senioren einen Beförderungsdienst an. Das kommt an, doch es fehlt an Fahrern
In Neusäß gibt es einen Fahrdienst, der nicht mehr mobile Menschen zum Beispiel zum Arzt oder Einkaufen bringt. Die Nachfrage danach ist groß. Doch jetzt gibt es einen Engpass. Das Freiwilligen-Zentrum sucht dringend ehrenamtliche Fahrer.
Neusäß „Sagen Sie mal, muss man sich hier eigentlich anschnallen?“, fragt die Seniorin auf dem Rücksitz des Kleinbusses und beugt sich zu Hermann Frommelt nach vorne. Er ist an diesem Tag der Fahrer für das Freiwilligen-Zentrum Neusäß und bringt eine Gruppe Senioren vom Notburgaheim zum Einkaufen – ein Angebot des sozialen Fahrdienstes. Hermann Frommelt blickt verschmitzt durch seine große schwarze Brille in den Rückspiegel nach hinten und antwortet: „Normal schon, aber ich fahre extra ganz langsam.“Von der Rückbank ertönt ein Ruf: „Aber wir sind doch nicht normal!“, und die Senioren kichern.
So lustig die Einkaufsfahrt ist – eigentlich ist Hermann Frommelt nicht zum Lachen zumute. Denn die Lage für den Fahrdienst ist angespannt. Wolfgang Fritz leitet das Projekt am Freiwilligen-Zentrum und beklagt: „Wir haben einen extremen Mangel. Im vergangenen Jahr sind zwei unserer Stammfahrer gestorben, einer ist ausgeschieden. Jetzt können wir die Anfragen kaum noch stemmen.“
Der soziale Fahrdienst in Neusäß ist ein Angebot für Hilfsbedürftige, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr zurechtkommen und sich keine Taxifahrten leisten können. Hermann Frommelt fährt mit den Leuten zum Arzt oder ins Krankenhaus und begleitet sie sogar manchmal in die Praxis. Einmal in der Woche bringt er mit dem Kleinbus Hilfsbedürftige zur Tafel oder macht Einkaufsfahrten. Er holt zum Beispiel Senioren im Heim ab, bringt sie zum Supermarkt und trägt ihnen die schweren Taschen.
Der 72-Jährige aus Ottmarshausen macht das alles freiwillig. Er sagt: „Ich habe immer schon etwas für andere gemacht, nur so funktioniert die Gesellschaft.“Vor ein paar Jahren hat der Rentner ein Inserat in der Zeitung gesehen, dass Fahrer gesucht werden. Seitdem fährt er im Schnitt dreimal pro Woche.
Herbert Frommelt weiß, dass man viel Zeit investieren muss. „Trotzdem mache ich das gerne. Seit ich in Rente bin, habe ich viel Zeit. Meine Frau ist berufstätig, da ist mir manchmal langweilig.“Die Fahrten seien für ihn eine Bereicherung. „Man lernt Menschen mit den unterschiedlichsten Lebensbiografien kennen. Und viele Alleinstehende, die ihr Leben meistern müssen.“Es mache ihn bescheiden und zufrieden, wenn er manchmal traurige Einblicke in die Lebenssituation anderer Leute erhält. „Leben im Augenblick, das habe ich hier gelernt.“
Zusammen mit einem zweiten Fahrer versucht Hermann Frommelt, so viele Fahrten wie möglich zu übernehmen. „Doch das reicht für die vielen Anfragen nicht aus“, sagt Wolfgang Fritz. „Ich musste schon Fahrten absagen, weil es zu wenige Fahrer gibt. Wir brauchen mindestens drei bis fünf Stammfahrer.“Das Problem ist: Es gibt viele Leute, die engagiert sind, aber nur sporadisch ab und zu fahren wollen. „Kaum jemand will sich fest verpflichten. Das brauchen wir aber, damit wir die Fahrten planen und besetzen können und die anderen Fahrer nicht überlasten“, erklärt Fritz.
Ihm ist es ein Anliegen, neue Fahrer für das Projekt zu gewinnen. Am liebsten wären ihm Freiwillige, die viel Zeit haben. „Für Berufstätige ist das eher schwierig. Frischrentner nehmen wir immer gerne.“Neben der freien Zeit müssen sie auch körperlich fit sein. „Man muss schon mit anpacken können“, sagt Frommelt. Zum Beispiel, wenn man den Fahrgästen beim Aussteigen helfe, den Rollstuhl verlade oder beim Tragen helfe. Für den Kleinbus reicht ein Führerschein der Klasse B aus. „Doch mit dem großen Auto zu fahren, muss man sich schon zutrauen. Die Einfahrt am Notburgaheim ist zum Beispiel sehr eng. “
Den Männern und Frauen aus dem Westheimer Seniorenheim macht die Fahrt an diesem sonnigen Vormittag viel Spaß. Ein Mann am Fenster bewundert das gute Wetter. Seine Sitznachbarin lacht und sagt: „Tja, wenn Engel reisen, dann lacht der Himmel.“Und wieder bricht hinter Hermann Frommelt Gekicher auf der Rückbank aus.
OKontakt Freiwilligen Zentrum Neu säß, Leiterin Ursula Meyer, Telefon 0821/4552280.