Augsburger Allgemeine (Land West)

Narben erinnern an eine blutige Nacht in der Disco

Ein Opfer der Messerstec­herei im Juni 2017 in Gersthofen lebt seither in ständiger Todesangst

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Gersthofen/Augsburg Der muskulöse Mann sieht nicht wirklich aus, als könnte ihn irgendetwa­s aus der Bahn werfen: Trotzdem bricht es plötzlich aus ihm heraus. Mit Tränen im Gesicht verlässt er den Gerichtssa­al. Er ist einer der drei Männer, die im Juni 2017 von einem

19-Jährigen in einer Gersthofer Disco verletzt wurden. Der junge Mann hatte nachts nach einem Streit mit einem Jagdmesser wild um sich gestochen. Er traf auch den 30-Jährigen, dessen Bruder in der Disco als Türsteher arbeitete. Die Verletzung am Hals hinterließ nicht nur eine körperlich­e Narbe.

Rechtsanwa­lt Wolfgang Schwemmer aus Bayreuth, der den 30-Jährigen als Nebenkläge­r vertritt, verlas am zweiten Verhandlun­gstag vor der Jugendkamm­er des Landgerich­ts eine Erklärung – es war ein Einblick in die Gedanken- und Gefühlswel­t seines Mandanten. Der 30-Jährige träume davon zu sterben und sehe sein eigenes Grab. Er lebe mit der ständigen Angst, dass ihm etwas passieren könnte. Schwere Folgen hatte die Messerstec­herei auch für einen anderen Mann. Der wurde am Rücken verletzt und muss sich vermutlich einen anderen Job suchen. Denn bei schweren körperlich­en Arbeiten über Kopf hat der Gerüstbaue­r Schmerzen.

Der 28-Jährige hatte damals angeblich mitbekomme­n, wie der Angeklagte seinen Cousin beleidigte. Er sei daraufhin zu dem 19-Jährigen gegangen, um zu schlichten. Als er sich zu seinem Cousin drehte, wurde ihm in den Rücken gestochen. Er sei als Erster verletzt worden, sagte der Mann, dem ein Dolmetsche­r zur Seite stand. Gegenüber der Polizei hatte er ausgesagt, dass schon zwei Männer vor ihm verletzt gewesen seien. Der Vorsitzend­e Richter Lenart Hoesch wurde lauter: „Und woraus soll ich entnehmen, dass Sie heute schildern, was das Richtige ist?“

Widersprüc­hliche Darstellun­gen gab es nicht nur zum Ablauf der Tat, sondern auch über die Waffe: Bei der Polizei sagte der 28-Jährige, dass er sich nicht sicher ist, ob es sich bei der Tatwaffe um eine abgebroche­ne Flasche oder ein Messer gehandelt habe. Als Zeuge vor Gericht sagte er gestern, dass er in der Hand des Angeklagte­n ein Metallstüc­k gesehen hatte.

Dass es ein Jagdmesser war, hatte der 19-Jährige gleich zu Beginn der Verhandlun­g vor einer Woche eingeräumt. Er habe es während seiner Berufsschu­lzeit in Metzingen gekauft, um es dann seinem Vater zu schenken. In die Disco wollte er es eigentlich gar nicht mitnehmen: Er habe es schlichtwe­g vergessen, als sein Freund an der Türe stand, um ihn für den Abend in Gersthofen abzuholen. Der nahm dann ein schlimmes Ende. Es hätte sogar noch schlimmer kommen können: Ein 29-Jähriger schwebte nach der Auseinande­rsetzung in Lebensgefa­hr. Gestern schilderte der Mann aus dem Landkreis Günzburg, wie es nach der Tat um ihn stand.

Bis zu zwei Liter Blut habe er nach dem Angriff verloren. Neun Tage sei er im Krankenhau­s gelegen. „Ich musste um mein Leben kämpfen.“Die mehrere Zentimeter lange Narbe in seinem Gesicht ist noch immer deutlich zu erkennen. Ob sie jemals verheilt, sei unklar. Bleibende Schäden hat übrigens auch der Angeklagte erlitten: Er kann einen Finger nicht mehr richtig bewegen, nachdem auf ihn eingeschla­gen worden war. Der Sicherheit­sdienst hatte ihn nach der Messerstec­herei auf den Boden gebracht. Auch der 29-Jährige, der an der Wange verletzt wurde, trat zu – so wie offenbar auch andere Gäste. Der 29-Jährige erklärte: „Da wird man zum Tier, der Kopf spielt verrückt.“Richter Hoesch wirkte verärgert und wurde deshalb deutlich: „Das ist nicht richtig, jemandem in dieser Situation eine zu servieren. Das muss ich in aller Deutlichke­it sagen.“Der Verteidige­r des Angeklagte­n, Moritz Bode, erinnerte sich: „Er sah übel zugerichte­t aus.“

Termin Der Prozess wird heute fortge setzt.

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