Augsburger Allgemeine (Land West)
Warum die Schwaben ein „Maiala“setzen
Die Zeichen der Verehrung gibt es bereits seit dem späten 16. Jahrhundert. Volkskundler sehen den Maibaum als Freiheitssymbol. In der Region gibt es eine besondere Variante
Ein vielfältiges Brauchtum rankt sich um den „Wonnemonat“Mai. Bekannteste Phänomene sind der Maibaum und die „Maiala“. Vor allem im westlichen Landkreis, im Zusamtal und in der Reischenau wird der Brauch des Maiala-Setzens in der Nacht zum 1. Mai gepflegt.
Fischach Ein vielfältiges Brauchtum rankt sich um den „Wonnemonat“Mai. Bekannteste Phänomene sind der Maibaum und die „Maiala“.
Bei Maiala handelt es sich um einen typisch schwäbischen Mundartbegriff, der ein grünendes Birkenbäumchen bezeichnet. Vor allem im westlichen Landkreis, im Zusamtal und in der Reischenau wird der Brauch des Maiala-Setzens in der Nacht zum 1. Mai gepflegt. Seit dem Frühbarock ist der Brauch, jemandem als Zeichen der Verehrung und der Hochachtung einen Baum zu setzen, bekannt. Heutzutage werden die mit bunten, meist roten oder goldfarbenen Bändern geschmückten Maiala in der Regel in den Gärten junger Mädchen aufgestellt, als Zeichen der Liebe und Zuneigung ihrer – manchmal auch heimlichen – Verehrer. Neben der geschmückten Form des grünenden Bäumchens gibt es aber auch die weniger schmeichelhafte Variante eines kahlen, struppigen Besens („Boaza“). Unbeliebte, hochnäsige Mädchen mussten am Morgen nach der Mainacht gewärtig sein, einen solchen Boaza am Gartenzaun zu finden. Wie groß diese Schmach für die ganze Familie gewesen sein muss, lässt sich daran erkennen, dass die aufmerksamen Väter dieser jungen Damen die ganze Nacht ums Haus geschlichen sind, um den ehrenrührigen Besen möglichst schnell wieder zu entfernen. Aber nicht nur jungen Mädchen wurden in der Mainacht Maiala gesetzt. Vielerorts kamen früher auch Bürgermeister, Vereinsvorsitzende oder die höheren Dienstgrade beim Militär in den Genuss eines geschmückten Bäumchens („Ehren-Maiala“).
Schon seit jeher sind der 1. Mai und die Nacht davor besondere Daten im Jahreslauf gewesen. Am 1. Mai wird seit dem Jahre 1890 der Tag der Arbeit gefeiert, wird der Maibaum erstellt, werden Maiala gesetzt und wird der Neubeginn der Natur und der warmen Jahreszeit gefeiert („Wonnemonat“). Darüber hinaus ist der Monat Mai seit alters her auch der Monat der Marienverehrung.
Wie kam es nun zur Feier dieses 1. Mai und zum Setzen des Maibaumes? Das Symbol Baum steht für Hoffnung, Neubeginn und Solidarität. Der große Baum in der Ortsmitte (die frühere Dorflinde) leitet sich aber auch von der Genesis ab und wird mit dem Baum der Versuchung im Paradies in Verbindung gebracht. Der Baum stand in der Mitte des Paradieses und nicht irgendwo am Rand, er ist also vor allem weltanschaulicher Mittelpunkt. Dieser Grundgedanke ist unbedingt erforderlich, um sich das Brauchtumsphänomen des Maibaumes zu erschließen.
Nicht gelten lässt die heutige Volkskundewissenschaft die vielfach noch verbreitete Theorie, wonach der Maibaum bis in die Altsteinzeit zurückgeht und als Fruchtbarkeitssymbol anzusehen ist. Vielmehr muss der Maibaum, davon sind die Volkskundler überzeugt, als Freiheitszeichen verstanden werden. Ein richtiger Maibaum-Boom war während der Französischen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts zu beobachten. Der heutige Maibaum mit seinen Querstreben, Zunftzeichen, Kränzen und Girlanden taucht erstmals im Jahre 1585 in Starnberg auf. Seither ist er überall in Altbayern nachweisbar. Im ausgehenden 16. und beginnenden 17. Jahrhundert ist aus Gerichtsakten auch das Stehlen der Maibäume belegt. In Schwaben hielt der Brauch, einen Maibaum zu errichte, erst relativ spät Einzug. Im Dritten Reich, benutzte die NSDAP das alte Freiheitszeichen für ihre Zwecke. Doch gleich nach dem Zusammenbruch des Hitler-Regimes erlangte der Maibaum seine ursprüngliche Bedeutung als wahres Freiheitssymbol zurück.