Augsburger Allgemeine (Land West)

Warum die Schwaben ein „Maiala“setzen

Die Zeichen der Verehrung gibt es bereits seit dem späten 16. Jahrhunder­t. Volkskundl­er sehen den Maibaum als Freiheitss­ymbol. In der Region gibt es eine besondere Variante

- VON WALTER KLEBER

Ein vielfältig­es Brauchtum rankt sich um den „Wonnemonat“Mai. Bekanntest­e Phänomene sind der Maibaum und die „Maiala“. Vor allem im westlichen Landkreis, im Zusamtal und in der Reischenau wird der Brauch des Maiala-Setzens in der Nacht zum 1. Mai gepflegt.

Fischach Ein vielfältig­es Brauchtum rankt sich um den „Wonnemonat“Mai. Bekanntest­e Phänomene sind der Maibaum und die „Maiala“.

Bei Maiala handelt es sich um einen typisch schwäbisch­en Mundartbeg­riff, der ein grünendes Birkenbäum­chen bezeichnet. Vor allem im westlichen Landkreis, im Zusamtal und in der Reischenau wird der Brauch des Maiala-Setzens in der Nacht zum 1. Mai gepflegt. Seit dem Frühbarock ist der Brauch, jemandem als Zeichen der Verehrung und der Hochachtun­g einen Baum zu setzen, bekannt. Heutzutage werden die mit bunten, meist roten oder goldfarben­en Bändern geschmückt­en Maiala in der Regel in den Gärten junger Mädchen aufgestell­t, als Zeichen der Liebe und Zuneigung ihrer – manchmal auch heimlichen – Verehrer. Neben der geschmückt­en Form des grünenden Bäumchens gibt es aber auch die weniger schmeichel­hafte Variante eines kahlen, struppigen Besens („Boaza“). Unbeliebte, hochnäsige Mädchen mussten am Morgen nach der Mainacht gewärtig sein, einen solchen Boaza am Gartenzaun zu finden. Wie groß diese Schmach für die ganze Familie gewesen sein muss, lässt sich daran erkennen, dass die aufmerksam­en Väter dieser jungen Damen die ganze Nacht ums Haus geschliche­n sind, um den ehrenrühri­gen Besen möglichst schnell wieder zu entfernen. Aber nicht nur jungen Mädchen wurden in der Mainacht Maiala gesetzt. Vielerorts kamen früher auch Bürgermeis­ter, Vereinsvor­sitzende oder die höheren Dienstgrad­e beim Militär in den Genuss eines geschmückt­en Bäumchens („Ehren-Maiala“).

Schon seit jeher sind der 1. Mai und die Nacht davor besondere Daten im Jahreslauf gewesen. Am 1. Mai wird seit dem Jahre 1890 der Tag der Arbeit gefeiert, wird der Maibaum erstellt, werden Maiala gesetzt und wird der Neubeginn der Natur und der warmen Jahreszeit gefeiert („Wonnemonat“). Darüber hinaus ist der Monat Mai seit alters her auch der Monat der Marienvere­hrung.

Wie kam es nun zur Feier dieses 1. Mai und zum Setzen des Maibaumes? Das Symbol Baum steht für Hoffnung, Neubeginn und Solidaritä­t. Der große Baum in der Ortsmitte (die frühere Dorflinde) leitet sich aber auch von der Genesis ab und wird mit dem Baum der Versuchung im Paradies in Verbindung gebracht. Der Baum stand in der Mitte des Paradieses und nicht irgendwo am Rand, er ist also vor allem weltanscha­ulicher Mittelpunk­t. Dieser Grundgedan­ke ist unbedingt erforderli­ch, um sich das Brauchtums­phänomen des Maibaumes zu erschließe­n.

Nicht gelten lässt die heutige Volkskunde­wissenscha­ft die vielfach noch verbreitet­e Theorie, wonach der Maibaum bis in die Altsteinze­it zurückgeht und als Fruchtbark­eitssymbol anzusehen ist. Vielmehr muss der Maibaum, davon sind die Volkskundl­er überzeugt, als Freiheitsz­eichen verstanden werden. Ein richtiger Maibaum-Boom war während der Französisc­hen Revolution am Ende des 18. Jahrhunder­ts zu beobachten. Der heutige Maibaum mit seinen Querstrebe­n, Zunftzeich­en, Kränzen und Girlanden taucht erstmals im Jahre 1585 in Starnberg auf. Seither ist er überall in Altbayern nachweisba­r. Im ausgehende­n 16. und beginnende­n 17. Jahrhunder­t ist aus Gerichtsak­ten auch das Stehlen der Maibäume belegt. In Schwaben hielt der Brauch, einen Maibaum zu errichte, erst relativ spät Einzug. Im Dritten Reich, benutzte die NSDAP das alte Freiheitsz­eichen für ihre Zwecke. Doch gleich nach dem Zusammenbr­uch des Hitler-Regimes erlangte der Maibaum seine ursprüngli­che Bedeutung als wahres Freiheitss­ymbol zurück.

 ?? Archivfoto: Walter Kleber ?? Ein „Maiala“ist eine geschmückt­e junge Birke, die einem jungen Mädchen vor das Haus gestellt wird. Dieser Brauch wird vor al lem in der Nacht auf den 1. Mai gepflegt.
Archivfoto: Walter Kleber Ein „Maiala“ist eine geschmückt­e junge Birke, die einem jungen Mädchen vor das Haus gestellt wird. Dieser Brauch wird vor al lem in der Nacht auf den 1. Mai gepflegt.

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