Augsburger Allgemeine (Land West)
Das Kreuz mit dem Kreuz
Thema schon in den 90er Jahren umstritten
München In Bayern entzündet sich ein neuer Kruzifix-Streit. Nach dem Beschluss des Kabinetts unter Führung von Ministerpräsident Söder (CSU) zu Kreuzen in Landesbehörden hagelt es Kritik. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich BedfordStrohm, mahnte in dem Zusammenhang eine humane Flüchtlingspolitik an: „Das Entscheidende ist, dass das Kreuz nicht nur an der Wand hängt, sondern auch vom Inhalt her mit Leben erfüllt wird“, sagte er.
Das Thema Kruzifixe in öffentlichen Gebäuden ist in Bayern nicht neu, sondern wurde bereits in den
1990er Jahren heftig diskutiert.
1995 beschlossen die Verfassungsrichter in Karlsruhe, dass die bis dahin gültige Pflicht, in bayerischen Klassenzimmern Kreuze anzubringen, nicht verfassungskonform ist: Sie verstoße gegen das Grundrecht auf Religionsfreiheit und die staatliche Neutralitätspflicht. Der Aufschrei in konservativen und katholischen Kreisen war groß. Sogar der Münchner Erzbischof, Kardinal Friedrich Wetter, demonstrierte damals für das Kreuz an Schulen. Passende Pointe: Söder hängte in der Staatskanzlei ein Kreuz auf, das einst Wetter geweiht hatte. In den meisten Schulen hängen bis heute Kreuze. Das bayerische Unterrichtsgesetz wurde lediglich so verändert, dass die Schulleitung bei Konfliktfällen eine gütliche Einigung herbeiführen muss, wenn „der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung widersprochen“wird.
Einen Missbrauch des Christentums warf der katholische Würzburger Hochschulpfarrer Burkhard Hose dem Ministerpräsidenten vor: Er habe mit vielen Christen gesprochen, schrieb Hose in dem offenen Brief an Söder. „Viele empfinden es zunehmend als eine Provokation und als Heuchelei, wie Sie über das Christentum öffentlich reden. In unserer Wahrnehmung wird das Christentum von Ihnen dazu missbraucht, um die Ausgrenzung von Menschen anderen Glaubens zu betreiben. Über diese Entwicklung bin ich gemeinsam mit vielen anderen sehr besorgt.“