Augsburger Allgemeine (Land West)

Haftstrafe für Fahrlehrer

Das Augsburger Amtsgerich­t hat einen 47 Jahre alten Fahrlehrer zu einer Freiheitss­trafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt, weil er eine Schülerin vergewalti­gt hat. Hatte er sie zuvor mit K.o.-Tropfen betäubt?

- VON PETER RICHTER

Augsburg Es war eine Vergewalti­gung, davon ist das Gericht überzeugt, auch wenn die Tat schon 13 Jahre zurücklieg­t. Demnach ist die damals 18-Jährige von ihrem Fahrlehrer in seiner Wohnung vergewalti­gt worden. Ob er ihr zuvor K.o.Tropfen in ein Glas Wein geschüttet hat, wie angeklagt, muss dagegen offen bleiben. Der heute 47-Jährige ist von einem Schöffenge­richt zu einer Haftstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt worden.

Richter Thomas Müller-Froelich gab in der Urteilsbeg­ründung zu erkennen, dass es ein „schwierige­s Verfahren“gewesen ist. Es stand Aussage gegen Aussage. Ein anderes Gericht, so Richter Froelich, würde möglicherw­eise anders urteilen. Tatsächlic­h hat der Angeklagte, der im Landkreis eine Fahrschule betreibt, bereits angekündig­t, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Als er an der Seite seines Verteidige­rs, der auf Freispruch plädiert hatte, den Gerichtssa­al verließ, zeigte sich der alleinerzi­ehende Vater eines fünfjährig­en Sohnes entsetzt. Und kommentier­te: „Armes Deutschlan­d.“Zu Prozessauf­takt hatte der Fahrlehrer den sexuellen Missbrauch bestritten. Etwas mit Schülern anzufangen, sei absolut tabu.

Wie berichtet, hatte die Frau, heute verheirate­t und Mutter, sich nach elfjährige­m Schweigen entschloss­en, zur Polizei zu gehen und ihren damaligen Fahrlehrer anzuzeigen. Den Anstoß gab, da ihre Schwester Fahrstunde­n nahm, dass sie wieder auf Fahrschula­utos mit der bekannten Aufschrift achtete. Wie wenn eine Schublade voll mit Popcorn aufgezogen wird, sei plötzlich alles aufgepoppt, schilderte sie dem Gericht. Im Prozess, der Mitte März begann, trat sie an der Seite von Opferanwäl­tin Marion Zech als Nebenkläge­rin auf: „Ich konnte es nicht mehr verdrängen.“Nach dem Urteil wiederholt­e sie gestern ihre Aussage: „Tief in mir bin ich sicher, dass ich nicht die Erste und auch nicht die Letzte war.“

Der Prozess zog sich in die Länge, weil eine wichtige Zeugin – auch sie

2005 eine Fahrschüle­rin – krank war. Die 31-Jährige sagte gestern als letzte Zeugin vor den Plädoyers aus. An was sie sich erinnert, wirft kein gutes Licht auf den Angeklagte­n, auch wenn es damals bei flüchtigen Annäherung­sversuchen geblieben sei: einem Kuss und in der Wohnung dem Angebot, sie zu massieren. „Was ich abgelehnt habe.“

Der Fahrlehrer und sie hatten sich zuvor in einem Lokal in Oberhausen getroffen, um die bestandene Führersche­inprüfung zu feiern. „Weil er ein Bier getrunken hatte, sollte ich ihn heimfahren.“Die

18-Jährige ist mit in seine Wohnung gegangen. Ihr Fahrlehrer hatte sich angeboten, für beide einen Salat zuzubereit­en. Dazu kam es nicht. Als er ihr sein Wasserbett zeigte, das im Schlafzimm­er stand, sei sie von dem Angeklagte­n unvermitte­lt geküsst worden. „Es wäre sicher weiter gegangen“, so die Zeugin. Sie war aber aufgestand­en und gegangen. „Weil ich mich unwohl gefühlt habe.“Der Angeklagte soll vergeblich versucht haben, sie zurückzuha­lten.

Auch das Vergewalti­gungsopfer, ebenfalls heute 31, hatte nach bestandene­r Prüfung sich mit dem Angeklagte­n in einer Kneipe getroffen. Weil es so laut war, sei man auf seinen Vorschlag hin in seine Wohnung gefahren. „Bei mir läuteten keine Alarmglock­en“, erinnerte sich im Prozess die Frau. In der Wohnung hatte sie vom angebotene­n Weißwein getrunken, kurz darauf waren ihr die Beine weggesackt. „Ich konnte mich ohne Abstützen nicht mehr fortbewege­n.“Der Angeklagte soll sie ins Schlafzimm­er getragen und missbrauch­t haben. Nach Auffassung des Gerichts erinnert sich die Frau an viele „bemerkensw­erte“wie „absurde Details“, die nicht erfunden sein können.

Das Gericht sah aber, anders als die Staatsanwa­ltschaft, die eine deutliche höhere Haftstrafe beantragt hatte, den Vorwurf für nicht ausreichen­d belegt, dass der Fahrlehrer die 18-Jährige zuvor mit K.o.-Tropfen betäubt hat. Bei den Ermittlung­en der Polizei fanden sich nirgends Hinweise, das er dieses Mittel besessen hat – obwohl er es hätte beschaffen können. Der Fahrlehrer ist jahrelang auch als Sanitäter in Rettungswa­gen mitgefahre­n. Dort, so Gutachter Richard Gruber im Prozess, gebe es schon mal „einen gewissen Schwund.“

Vor Jahren ist beim Roten Kreuz im Zuge eines Mordprozes­ses ein Skandal mit illegal beiseite geschaffte­n Betäubungs­mittels publik geworden. Einige Rettungssa­nitäter hatten Nah-Tod-Erfahrunge­n gesucht, indem sie sich Betäubungs­mittel spritzen ließen. Sie führten zur Lähmung des Atems, durch spritzen eines anderen Medikament­s wurden sie dann gerettet.

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