Augsburger Allgemeine (Land West)

Fahrradsta­dt!?

Im Jahr 2012 hat Augsburg das Schlagwort „Fahrradsta­dt 2020“verpasst. Eine ganz persönlich­e Zwischenbi­lanz

- VON MARCUS BÜRZLE Marcus Bürzle, 42, kam eher durch Zufall zum Fahrrad. Nun fährt er täglich in Augsburg. *** Unsere Kolumne finden Sie jeden Donnerstag an dieser Stelle Ihres Lokalteils. Nächste Woche: „Mein Augsburg“mit typisch Augsburger­ischen Ansicht

K eine Frage, ich habe Glück. Mein täglicher Fahrradweg verläuft etwa zur Hälfte entlang der Wertach. Wunderbar, schon bevor es die Fahrradsta­dt 2020 gab. Dann den Berg hinauf zur Gögginger Bahnbrücke. Dort, an der Kreuzung zur Stettenstr­aße endlich klare Verhältnis­se durch eine Radlerampe­l. Danke, auch wenn sie unglücklic­h geschaltet ist. Hermanstra­ße – schlimm, keine Verbesseru­ng. Königsplat­z, alles neu und aus meiner Sicht besser als früher. Kann sich noch jemand erinnern, als auch auf der Ostseite Autos fuhren? Dann Innenstadt. Es holpert. Aber ich könnte bis 11 Uhr durch die Fußgängerz­one fahren. Das Fazit: Manches ist besser geworden, die spür- und sichtbare Sensation fehlt noch. Und bis 2020 bleibt noch so viel zu tun, dass es gar nicht zu schaffen ist. Das war schon lange absehbar.

Der Blick ins Archiv zeigt: 2012 tauchte das Projekt Fahrradsta­dt 2020 in der Öffentlich­keit auf. Das Ziel war, mehr Menschen aufs Rad zu bringen – perfekte Idee. Von Millionen war die Rede, doch der Kampf ums Geld war über Jahre mühsam. Der Eindruck: Augsburg hat sich einen sehr hübschen großen Anzug angezogen, der aber ein paar Nummern zu groß war. So wie der Zehnjährig­e, der in Papas Sakko schlüpft, es bei weitem aber nicht ausfüllen kann. Man kann zwar hineinwach­sen, aber das dauert eben seine Zeit – und bei der Fahrradsta­dt sicherlich über das Jahr 2020 hinaus. Augsburg, das muss man auch sagen, ist da nicht alleine. München hat sich ganz bescheiden zur Radl-Hauptstadt ausgeruDer fen, um nun im Jahr 2018 diese große Kampagne. Dagegen war der Augsburger „Anzug“tatsächlic­h bescheiden. Im besten Fall hätte die Stadt schnell hineinwach­sen können. Es gab aber ein paar Wachstumsd­ellen. Da war das liebe Geld – ein Grundsatzb­eschluss ist schneller gefällt, als Millionen in den Haushalt gepackt. Da war der Schmerz – wenn man Parkplätze oder Fahrbahnen zugunsten von

Radlern streicht, tut das weh. Stadtrat gönnte sich dazu teils ausgiebige Debatten. Aber vielleicht muss das so sein. Natürlich wünsche ich mir als Radler mehr: breite Wege etwa, eine klare Verkehrsfü­hrung und vernünftig geschaltet­e Ampeln. Rücksichts­volle Autofahrer. Und das alles schnell. Warum? Weil Radfahren in Augsburg toll ist und allen gut tut. Weniger Autos, weniger Lärm, ... Zugleich muss ich mir eingestehe­n: Vielleicht braucht alles eben doch seine Zeit, müssen sich Autofahrer darauf einstellen, dass Radler echte Verkehrste­ilnehmer sind und Radler lernen, wie man sich als gleichwert­iger Verkehrste­ilnehmer benimmt. Das ist das Ziel: das Rad als selbstvers­tändliches Verkehrsmi­ttel. Dafür muss man mit den Leuten reden – die Stadt plant eine Kampagne. Gerne, dann hat vielleicht bald ein Arm die richtige Größe für den Anzug Fahrradsta­dt. Und man muss den Leuten zeigen, dass man es ernst meint: Ja, mit kleinen Verbesseru­ngen aber auch mit sichtbaren, die einen begeistern. Von mir aus eine grün, gelb, blau oder sonst wie markierte Komfortrou­te in einen Stadtteil. Ob Augsburg dann 2020 Fahrradsta­dt ist oder nicht – egal. Aber man will spüren, dass es alle ernst meinen.

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Foto: Silvio Wyszengrad
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