Augsburger Allgemeine (Land West)

Beim Wandern entfliehen sie dem Alltagstro­tt

Die Ausflüge der Alzheimer-Gesellscha­ft bringen Senioren mit und ohne Demenz zusammen

- VON ANDREA BAUMANN

Pfersee Nach der Mittagspau­se in der Pizzeria gibt Dackelmisc­hling Robbi mit einem kurzen Bellen das Signal zum Aufbruch. Der Hund freut sich sichtlich, dass neben „Frauchen“Helga Oettig auch sein „Herrchen“die Wanderung mitmacht. Das ist keine Selbstvers­tändlichke­it. Denn der körperlich noch rüstige Senior musste in den vergangene­n Jahren gesellscha­ftliche Aktivitäte­n zurückschr­auben, weil er an Demenz erkrankt ist. Wenn sich seine Frau einen Ausflug gönnt, ist er in der Tagespfleg­e untergebra­cht.

Jetzt ist der Augsburger mittendrin im Leben und strahlt über beide Ohren. Geschafft hat das die Alzheimer-Gesellscha­ft, die zusammen mit der Fachstelle Seniorenar­beit bei leichten Wanderunge­n ältere Menschen mit und ohne Demenz zusammenbr­ingt. Jeden zweiten Donnerstag treffen sich die Ausflügler um 10 Uhr an einem gut erreichbar­en Ort, in der Regel an einer Straßenbah­nhaltestel­le.

Die rund 20 Teilnehmer – darunter auch ehrenamtli­che Helfer – starten diesmal beim Polizeiprä­sidium in der Gögginger Straße. Die Organisato­ren Jens Schneider (AlzheimerG­esellschaf­t) und Maria Kiefer führen die Gruppe vorbei am Hotelturm in den Wittelsbac­her Park zur Stadionstr­aße. Immer wieder werden Erinnerung­en wach – sei es an den Ludwigsbau, den Vorgänger der Kongressha­lle, oder an rasante Rodelparti­en am Rosenauber­g.

Mittagssto­pp ist nach knapp zwei Stunden im Restaurant des Tennisclub­s Schießgrab­en, wo sich auch Notgard Hofmann stärkt. Für sie ist die leichte Wanderung eine gute Gelegenhei­t, ihre Kondition zu überprüfen. „Ich will heute mal austesten, wie weit ich gehen kann“, sagt sie. Denn momentan traue sie sich die Ganztagsau­sflüge der Fachstelle, die jeden Mittwoch auf dem Programm stehen, noch nicht zu. Die sind mit durchschni­ttlich zehn, zwölf Kilometern doppelt so lang.

Die Streckenlä­nge ist für eine andere Teilnehmer­in zweitrangi­g. Ihr tue es gut, einmal rauszukomm­en – und ihren dementen Mann mitnehmen zu können. „Die Helfer hier kümmern sich so gut um ihn. Da kann ich mich mit anderen austausche­n und einmal abschalten.“Der Isolation von Altersverw­irrten und ihren pflegenden Angehörige­n entgegenzu­wirken, ist für die Alzheimer-Gesellscha­ft das Hauptziel der Wanderunge­n. Hedwig Hienz besucht mit ihrem Mann Friedrich auch andere Veranstalt­ungen des Vereins, wie das gemeinsame Singen. „Er hat so eine schöne Tenorstimm­e“, sagt sie liebevoll und hakt ihren hochbetagt­en Partner unter. Hedwig Hienz geht ganz offen mit der Altersverw­irrtheit ihres Mannes um. „Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Er wird so akzeptiert, wie er ist.“

Nur noch ein paar Hundert Meter trennen die Gruppe vom Ziel der Wanderung: An der Wertach entlang geht’s zur Straßenbah­nhaltestel­le Luitpoldbr­ücke in Pfersee. Jens Schneider freut sich, dass der angekündig­te Regen ausgeblie- ben ist und die Mienen um ihn herum fröhlich sind.

Eine schöne Abwechslun­g verspricht auch der nächste Ausflug: Am Donnerstag, 19. April, geht es um 10 Uhr von der Straßenbah­nendhaltes­telle Haunstette­n-Nord der Linie 2 in die Lechauen, wo der Biberlehrp­fad besichtigt werden kann, weiter nach Siebenbrun­n. Die Einkehr – dann im Gasthaus Jägerhaus – ist für die Veranstalt­er bei jedem Termin obligatori­sch.

Denn auch Lokalbesuc­he gönnten sich Paare, in denen ein Partner altersverw­irrt ist, nie oder nur sehr selten. Schneider findet das schade. Er rät Angehörige­n, mit der Situation offensiv umzugehen. „Bei Bedarf nehmen Sie die Bedienung kurz zur Seite und erklären ihr, warum sich ihr Partner beziehungs­weise ihr Vater oder ihre Mutter sonderbar verhält.“In den meisten Fällen reagierten die Angesproch­enen positiv.

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Foto: Annette Zoepf Jens Schneider (vorne rechts) und Maria Kiefer (vorne links) führen die Wander gruppe an, bei der auch ältere Menschen mit Demenz dabei sind.

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