Augsburger Allgemeine (Land West)
Beim Wandern entfliehen sie dem Alltagstrott
Die Ausflüge der Alzheimer-Gesellschaft bringen Senioren mit und ohne Demenz zusammen
Pfersee Nach der Mittagspause in der Pizzeria gibt Dackelmischling Robbi mit einem kurzen Bellen das Signal zum Aufbruch. Der Hund freut sich sichtlich, dass neben „Frauchen“Helga Oettig auch sein „Herrchen“die Wanderung mitmacht. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Denn der körperlich noch rüstige Senior musste in den vergangenen Jahren gesellschaftliche Aktivitäten zurückschrauben, weil er an Demenz erkrankt ist. Wenn sich seine Frau einen Ausflug gönnt, ist er in der Tagespflege untergebracht.
Jetzt ist der Augsburger mittendrin im Leben und strahlt über beide Ohren. Geschafft hat das die Alzheimer-Gesellschaft, die zusammen mit der Fachstelle Seniorenarbeit bei leichten Wanderungen ältere Menschen mit und ohne Demenz zusammenbringt. Jeden zweiten Donnerstag treffen sich die Ausflügler um 10 Uhr an einem gut erreichbaren Ort, in der Regel an einer Straßenbahnhaltestelle.
Die rund 20 Teilnehmer – darunter auch ehrenamtliche Helfer – starten diesmal beim Polizeipräsidium in der Gögginger Straße. Die Organisatoren Jens Schneider (AlzheimerGesellschaft) und Maria Kiefer führen die Gruppe vorbei am Hotelturm in den Wittelsbacher Park zur Stadionstraße. Immer wieder werden Erinnerungen wach – sei es an den Ludwigsbau, den Vorgänger der Kongresshalle, oder an rasante Rodelpartien am Rosenauberg.
Mittagsstopp ist nach knapp zwei Stunden im Restaurant des Tennisclubs Schießgraben, wo sich auch Notgard Hofmann stärkt. Für sie ist die leichte Wanderung eine gute Gelegenheit, ihre Kondition zu überprüfen. „Ich will heute mal austesten, wie weit ich gehen kann“, sagt sie. Denn momentan traue sie sich die Ganztagsausflüge der Fachstelle, die jeden Mittwoch auf dem Programm stehen, noch nicht zu. Die sind mit durchschnittlich zehn, zwölf Kilometern doppelt so lang.
Die Streckenlänge ist für eine andere Teilnehmerin zweitrangig. Ihr tue es gut, einmal rauszukommen – und ihren dementen Mann mitnehmen zu können. „Die Helfer hier kümmern sich so gut um ihn. Da kann ich mich mit anderen austauschen und einmal abschalten.“Der Isolation von Altersverwirrten und ihren pflegenden Angehörigen entgegenzuwirken, ist für die Alzheimer-Gesellschaft das Hauptziel der Wanderungen. Hedwig Hienz besucht mit ihrem Mann Friedrich auch andere Veranstaltungen des Vereins, wie das gemeinsame Singen. „Er hat so eine schöne Tenorstimme“, sagt sie liebevoll und hakt ihren hochbetagten Partner unter. Hedwig Hienz geht ganz offen mit der Altersverwirrtheit ihres Mannes um. „Wir versuchen, das Beste aus der Situation zu machen. Er wird so akzeptiert, wie er ist.“
Nur noch ein paar Hundert Meter trennen die Gruppe vom Ziel der Wanderung: An der Wertach entlang geht’s zur Straßenbahnhaltestelle Luitpoldbrücke in Pfersee. Jens Schneider freut sich, dass der angekündigte Regen ausgeblie- ben ist und die Mienen um ihn herum fröhlich sind.
Eine schöne Abwechslung verspricht auch der nächste Ausflug: Am Donnerstag, 19. April, geht es um 10 Uhr von der Straßenbahnendhaltestelle Haunstetten-Nord der Linie 2 in die Lechauen, wo der Biberlehrpfad besichtigt werden kann, weiter nach Siebenbrunn. Die Einkehr – dann im Gasthaus Jägerhaus – ist für die Veranstalter bei jedem Termin obligatorisch.
Denn auch Lokalbesuche gönnten sich Paare, in denen ein Partner altersverwirrt ist, nie oder nur sehr selten. Schneider findet das schade. Er rät Angehörigen, mit der Situation offensiv umzugehen. „Bei Bedarf nehmen Sie die Bedienung kurz zur Seite und erklären ihr, warum sich ihr Partner beziehungsweise ihr Vater oder ihre Mutter sonderbar verhält.“In den meisten Fällen reagierten die Angesprochenen positiv.