Augsburger Allgemeine (Land West)
Bahnhofstunnel ist teuer, aber nötig
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hat inzwischen eine neue Bodenplatte bekommen, die gleichzeitig die Decke des Tunnels sein wird. Ab dem kommenden Jahr wird das Erdreich unter der Bodenplatte mit Minibaggern abgebaggert und dann von Kippern über die Abfahrtsrampe in der Halderstraße abtransportiert.
2023 soll dann die erste Straßenbahn durch den neuen Tunnel unter dem Hauptbahnhof rollen. Zunächst werden die Linie 3 nach Stadtbergen (die bestehenden Gleise in der Pferseer Unterführung werden herausgerissen) und die Linie 4, die in der dortigen Wendeschleife umdreht, den Tunnel nutzen. Frühestens ab 2024 kommt die geplante Linie 5 zum Klinikum dazu. Auch für Fußgänger gibt es mit Fertigstellung des Tunnels eine direkte Verbindung zwischen Bahnhof und dem Thelottviertel. Fahrgäste aus der Straßenbahn können künftig von der unterirdischen Haltestelle über Aufzüge und Rolltreppen bequem zu den Bahnsteigen gelangen.
Auf der Innenstadt-Seite ist der Tunnel bis unter den Bahnhofsvor- platz fertiggestellt, auf der Westseite arbeiten sich die Bauarbeiter gerade in den Gleisbereich des Personenbahnhofs vor. Zum Fahrplanwechsel am 9. Dezember soll der neue Nahverkehrs-Bahnsteig F in Betrieb gehen, der als Ausweichkapazität dient, wenn während der Tunnelarbeiten im Gleisbereich jedes Jahr zwei Gleise samt Bahnsteigen vorübergehend außer Betrieb genommen werden müssen.
Dass die Arbeiten unter dem Bahnhofsgebäude anspruchsvoller sind als gedacht, machte sich zuletzt an den Kosten bemerkbar. Zusammen mit gestiegenen Baupreisen sorgte das für prognostizierte Kosten von 181,4 Millionen Euro (wir berichteten). Zuletzt lag die Berechnung bei 159,3 Millionen Euro. Insgesamt haben sich Stadt und Stadtwerke einen Kostenrahmen von 193,75 Millionen Euro gesetzt. Nach derzeitigem Stand kann er eingehalten werden, so die Stadtwerke.
Allerdings gibt es eine Unbekannte: Im Mai werden die Bauarbeiten für die unterirdische Haltestelle unter den Bahnsteigen des Bahnhofs ausgeschrieben. Unklar ist, mit welchen Angeboten die Baufirmen einsteigen werden. Bei der letzten Ausschreibung hatten die Unternehmen jedenfalls deutlich höhere Preise angesetzt, als die Stadtwerke gedacht hatten. Dem Kostenrahmen zugrunde liegt eine jährliche Preissteigerungsrate von drei Prozent, die aufgrund der starken Auftragslage im Bausektor zuletzt überschritten wurde. Gut die Hälfte des Betrags wird von Bund und Land gefördert. Bahn und Stadtwerke sind mit 20 bzw. 25 Prozent beteiligt. Die Stadt Augsburg steuert etwa zwei Prozent der Kosten zu.
Beim wichtigsten Verkehrsinfrastrukturprojekt in Augsburg – der Untertunnelung des Hauptbahnhofs – gab es in der Vergangenheit nicht nur gute Nachrichten: Es gab deutliche Kostensteigerungen und mehrmalige Verzögerungen. In den kommenden Jahren steht die komplizierteste Phase des Projekts an – abermalige Kostensteigerungen aufgrund von Baupreissteigerungen sind nicht ausgeschlossen. Die schon vor Jahren eingetretenen Verteuerungen haben das Vertrauen der Bürger in die Stadtwerke nicht gerade gestärkt, was vor allem bei der Planung künftiger Vorhaben wie der Linie 5 noch zu spüren sein wird.
Grundsätzlich ist das Projekt aber ein Schritt in die richtige Richtung. Es geht nicht nur darum, dass man bequem zum Zug kommt, wenn man mal verreist (auch wenn Verbesserungen seit Jahrzehnten überfällig sind). Vor allem geht es darum, den täglichen Fahrgästen den Umstieg zu erleichtern. Wer vom Umland mit der RegioS-Bahn nach Augsburg pendelt, wird eine viel attraktivere Anbindung ans Straßenbahnnetz haben als bisher. Der Wechsel vom Verkehrssystem Bahn zum Verkehrssystem Tram wird fließend sein. Die Lösung mit der Haltestelle unter den Bahnsteigen ist die aufwendigste und teuerste, sie ist aber auch die komfortabelste. Wenn der Nahverkehr mehr Fahrgäste anziehen will (und somit Autofahrten aus dem Umland vermeiden hilft), muss er attraktiv sein. Das Bevölkerungswachstum der kommenden Jahre im Ballungsraum wird aufgrund der Wohnflächen-Knappheit nicht nur in der Stadt, sondern auch im Umland stattfinden. Mobilitätsmöglichkeiten abseits des Autos sind der richtige Ansatz.