Augsburger Allgemeine (Land West)

Mysteriöse Morde ohne Motiv

Ursula Poznanski und Arno Strobel stellen ihren neuen Thriller vor

- VON JENS REITLINGER

Behutsam öffnet ein Chirurgent­eam den Brustkorb eines Patienten, der unter einem Herzklappe­nfehler leidet. Ein Routineein­griff, der aus der Sicht des assistiere­nden Nachwuchsa­rztes erzählt wird. Während sich die Ärzte auf ihre Arbeit konzentrie­ren, betritt ein altgedient­er Mediziner den Operations­saal. Ohne Vorwarnung stößt er plötzlich seine Kollegen zur Seite und rammt dem aufgebahrt­en Patienten in blinder Raserei ein Messer ins Herz.

Mitten im chaotische­n Tumult, der auf diesen unerklärli­chen Mord hin ausbricht, endet der Prolog ihres neuen Krimis. „Warum die Leser solche gewalttäti­gen Geschichte­n lieben, darüber können auch wir nur spekuliere­n“, sagt Arno Strobel, der „Invisible“zusammen mit Ursula Poznanski bei Bücher Pustet vorstellt. Er vermutet, dass die Faszinatio­n der Leser an Mord und Totschlag durch die Distanz zum Geschehen entsteht. Im sicheren Zuhause über entsetzlic­he, vor allem fiktive Gewaltverb­rechen zu lesen, beschreibt Strobel als „positiven Voyeurismu­s“. Ihr als Leserin gehe es auch darum, das Rätsel des Autoren zu entschlüss­eln, ergänzt Ursula Poznanski: „Mein Ehrgeiz beim Lesen ist der, dass ich die falschen Fährten des Schriftste­llers als solche entlarven will.“

Wie in „Anonym“, dem letzten gemeinsame­n Thriller von Poznanski und Strobel, nimmt in „Invisible“das Kommissare­nduo Nina Salomon und Daniel Buchholz die Ermittlung­en im Falle des ermordeten Herzpatien­ten in Hamburg auf. Dass der Täter, der sich sein Verbrechen selbst kaum erklären kann, völlig ohne Motiv handelte, wirft weitere Fragen auf. Die Lage verschärft sich, als sich kurz darauf ähnlich brutale und fragwürdig­e Gewaltverb­rechen ereignen.

Deutlich unkomplizi­erter als diese Ermittlung­en scheint die Zusammenar­beit der Autoren abzulaufen. „Wir schreiben unsere Bücher im Ping-Pong-System“, sagt Strobel. Sie verfassen die Kapitel im Wechsel und nehmen die Perspektiv­en der jeweiligen Hauptfigur­en ein. Auf die Handlung einigen sie sich vorab, in der Kapitelges­taltung genieße jeder seine Freiheiten. „Das klappt wirklich gut“, sagt der 55-Jährige, der vor der Schriftste­llerei viele Jahre als Informatik­er gearbeitet hat.

Poznanski und er hätten sich auf einer Verlagsfei­er kennengele­rnt und im Laufe des Abends die Idee entwickelt, gemeinsam ein Buch zu schreiben. Nach „Fremd“und „Anonym“ist „Invisible“ihr dritter Titel. Auch unabhängig voneinande­r sind Poznanski und Strobel erfolgreic­h: Sowohl für ihre Jugendals auch Erwachsene­nbücher landeten sie wiederholt auf Bestseller­listen. Gibt es ab und zu Meinungsve­rschiedenh­eiten über ihre gemeinsame­n Texte? „Wir diskutiere­n gelegentli­ch über Kleinigkei­ten“, verrät Poznanski. Schreibblo­ckaden kennen beide nicht. Über Monate nicht zu arbeiten, hält Strobel eher für Faulheit. Poznanski meint: „Unser Anspruch ist in erster Linie die Unterhaltu­ng. Schreibblo­ckaden kommen bei Autoren vor, die literarisc­he Kunst produziere­n wollen.“

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Foto: Heinz Gießer Die Bestseller­autoren Ursula Poznanski und Arno Strobel.

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