Augsburger Allgemeine (Land West)
Fahrradstadt: „Qualität statt Schnelligkeit“
Augsburg soll fahrradfreundlicher werden. Weil bis 2020 nicht alles zu schaffen ist, läuft das Projekt weiter. Baureferent Gerd Merkle spricht über Erfolge, enttäuschte Erwartungen und geplante „Leuchttürme“
Das Projekt Fahrradstadt 2020 sorgt für viele Diskussionen. Sinnvoll oder nicht, erfolgreich oder nicht – Baureferent Gerd Merkle zieht eine Zwischenbilanz.
● Schlagwort „Fahrradstadt 2020“Unter diesem Titel fördert Augsburg den Radverkehr. Er weckt zugleich hohe Erwartungen – bis zum Jahr 2020. In den kommenden zwei Jahren sind nicht alle zu erfüllen. Das Projekt läuft daher weiter. Dennoch sagt Merkle: „Eine Verlängerung des Projektes über das Jahr 2020 hinaus sagt nicht, dass die gesteckten Ziele nicht erreicht werden.“Er verweist auf eine laufende Haushaltsbefragung zum Thema Mobilität. Mitte 2019 werden Ergebnisse erwartet. Der Baureferent ist zuversichtlich, die angepeilten 25 Prozent Radverkehrsanteil erreichen zu können (2014 waren es 17 Prozent). Merkle: „Gerne können Sie mich Ende 2019 an diesen Ergebnissen messen.“Zudem habe es in vielen Bereichen „wesentliche Veränderungen“gegeben – „und wurden Erwartungen erfüllt“.
● Größte Erfolge Aus Sicht von Merkle geht es in einer Zwischenbilanz nicht alleine um einzelne Maßnahmen. Er sagt: „Ein wesentlicher Erfolg des Projekts Fahrradstadt ist es, dass das Thema Fahrradverkehr in das Bewusstsein der Politik und der Bürgerinnen und Bürger gerückt ist.“Der Stadtrat habe zahlreiche Beschlüsse gefasst – vom Grundsatzbeschluss über den Netzplan bis hin zu Kriterien, wie Radwege oder -spuren in Augsburg aussehen sollen. Es geht unter anderem um Mindestbreiten. Merkle: „Die Standardanforderungen gehen dabei zum Teil über die Regelbreiten der Empfehlungen für Radverkehrsanlagen hinaus. Erfreulich ist aus Sicht des Baureferenten der Fahrradklimatest 2016 des ADFC. Augsburg verbesserte sich im Vergleich zu
2014 und erreichte „einen erfolgreichen 3. Platz in der Kategorie ,Aufholer‘ (Beste Entwicklung)“.
● Umgesetzte Projekte „Als wichtiges Infrastrukturprojekt kann neben vielen kleineren Maßnahmen der Ausbau der Ost-West-Achse über die Grottenau bis zum Jakobertor genannt werden“, sagt Merkle. Dieses Jahr werde die letzte Netzlücke auf dieser Achse unter anderem durch die neue Gehwegbrücke am Jakobertor geschlossen. Merkle nennt ein zweites Beispiel: „Mit der des zweiten Fahrradparkhauses am Hauptbahnhof hat Augsburg nach wie vor eine Vorreiterrolle in Bayern.“
● Unzufriedene Radler Aus Kreisen der Radfahrer gibt es immer wieder Kritik an der Fahrradstadt. Kann er das nachvollziehen? Merkle: „Grundlage der Radverkehrsförderung sollte nicht die Schnelligkeit sein, sondern die Schaffung qualitativ hochwertiger Maßnahmen.“Diese benötigten unter Umständen eine gewisse Vorbereitungszeit.
● Hürden des Projekts Der Grundsatzbeschluss enthielt laut Merkle auch Schätzungen zu den Kosten. Aber: „Aufgrund der angespannten Haushaltslage konnten diese Mittel jedoch nicht in voller Höhe bereitgestellt werden“, sagt Merkle. Daher mussten Projekte geschoben werden. Für einzelne Maßnahmen würden Zuschüsse beantragt – auch das dauere seine Zeit. Intern wollte die Stadt nach seinen Worten mehr Personal für die Fahrradstadt einsetzen; auch das ging nicht sofort. Und ein weiterer Punkt: „Es hat sich gezeigt, dass nach der grundsätzlichen Zustimmung zur Radverkehrsförderung die tatsächliche Entscheidung über konkrete Einzelmaßnahmen weitergehende Diskussion und damit auch Zeit erfordert.“Ein Beispiel dafür waren die Schutzstreifen für Radler in der Deutschenbaurstraße. Weil dadurch Parkplätze entfielen, wurde in der Politik lange diskutiert. Schließlich wurden die Streifen beschlossen.
● Ziel Fahrradstadt Wie stellt sich der Baureferent eines Tages die Fahrradstadt vor? „Ein attraktives und sicheres Netz für den Radverkehr wird wesentlich dazu beitraEröffnung gen, die Aufenthalts- und Lebensqualität in Augsburg nachhaltig zu stärken“, sagt Merkle.
● Leuchtturmprojekt Augsburg hat Fahrradständer aufgebaut, die Einbahnstraßen für Radler geöffnet, Radwege gebaut. Was manche vermissen, ist ein herausragendes Projekt als Signal. Laut Merkle ist ein „Leuchtturmprojekt“in Sicht. Im Mai werde der Bauausschuss über eine geplante Fahrradstraße in Pfersee sprechen. Dabei geht es um eine Ausweichroute für die Augsburger Straße, die unter anderem wegen der Straßenbahnschienen und parkender Autos unangenehm für Radler ist. Zu den Details hält sich Merkle noch bedeckt. Mögliche Alternativrouten durch Wohngebiete sind aber schon länger im Gespräch, sie könnten zum Beispiel durch die Leonhard-Hausmann-Straße führen oder durch Treustraße – Färberstraße – Gollwitzerstraße.
● Die nächsten Schritte Das eine sind laut Merkle die Maßnahmen im Bereich der Infrastruktur, die für
2018 auf den Weg gebracht sind. Zudem sind aus seiner Sicht „Information und Kommunikation sowie Serviceangebote wichtige Beiträge zur Schaffung und Unterstützung der Augsburger Fahrradkultur“.
● Wunsch an Radler Der Baureferent plädiert für ein „rücksichtsvolles Miteinander aller Verkehrsteilnehmer“. Das sei ein wichtiger Beitrag zur „Verbesserung der Verkehrssituation und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit“.
● Radelnder Referent Auch Merkle steigt aufs Rad – als „Ausgleich nach einer langen Arbeitswoche“. Und wo? „Augsburg bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten.“