Augsburger Allgemeine (Land West)
So klingt das Schwäbische in Bayern
Zur Frage, wie „bairisch“Schwaben ist, verweist Mundartexperte Hans Ferk auf den Dialekt. Bei einem Besuch in Langenneufnach machte er die Umgangssprache als Gegner der alten Begriffe aus
Landkreis Augsburg Wie bayerisch sind die Schwaben im Landkreis Augsburg eigentlich? Dieser Frage gehen wir mit unserem Thema der Woche nach. Heute geht es um den Dialekt. Und da fängt es schon bei der Schreibweise an. Der Mundartexperte Hans Ferk aus dem Raum Memmingen schreibt durchwegs „bairisch“statt „bayerisch“. Denn „bairisch“sei die historische Schreibweise, während „bayerisch“erst im 19. Jahrhundert eingeführt wurde.
Wie vermischen sich der bayerische und der schwäbische Dialekt?
Hans Ferk: Es ist selbstverständlich, dass sich vor allem im Grenzbereich Schwäbisch und Bairisch vermischen. Da wir Schwaben tendenziell eher zurückstehen, setzen sich mehr bairische Wörter durch.
Welche Beispiele gibt es hierfür?
Ferk: Vielfach werden nicht mehr in Rosis Bierstüble Ripple mit Kraut angeboten, sondern in Rosis Bierstüberl Ripperl mit Kraut. Laienbühnen und Amateurtheater spielen landauf, landab Stücke in – vermeintlich – bairischer Mundart, obwohl die Darsteller Schwaben sind und Bairisch nicht beherrschen. Dabei muss freilich festgehalten werden, dass es in der Theaterliteratur auch viel mehr Stücke auf bairisch gibt.
Gibt es dadurch neue Sprachformen? Also eine Mischung aus Bayerisch und Schwäbisch?
Ferk: Ja, solche Mischformen entstehen. Die klassische Bairisch-Schwäbisch-Mischung finden wir im Lechrainischen, also der Mundart östlich des Lechs und südlich von Augsburg, während der Lech nördlich von Augsburg eine recht klare Sprachgrenze zwischen Schwäbisch und Bairisch bildet. Noch mehr neue Sprachmischung geschieht aber durch die Mitverwendung einer halbwegs an der Hochsprache orientierten Umgangssprache. Heutzutage finden wir in vielen Bereichen kaum mehr urwüchsigen, unverfälschten Dialekt, sondern eine Umgangssprache, in die die Mundart in Wort und Klang einwirkt.
Was sind die Unterschiede zwischen dem Bayerischen und Schwäbischen?
Ferk: Bairisch ist oft etwas knapper und schneller, Schwäbisch dagegen etwas bedächtiger – wia d‘ Leit halt! Die häufige schwäbische Verniedlichung -le (oder nach Geschmack -la) wird bairisch zum -l oder -erl: das schwäbische Mädla und das bairische Madl, das schwäbische Weagale und das bairische Wegerl. Orte westlich des Lechs enden auf -ingen (Großaitingen, Wehringen, Bobingen), Ortsnamen östlich des Lechs enden auf -ing (Prittriching, Mering, Kissing).
Warum gibt es diese Unterschiede? Wie und wann sind diese entstanden?
Ferk: Da die Menschen in früherer Zeit gegenüber heutigen Verhältnissen einen winzigen Aktionsradius hatten, fand entsprechend geringer Austausch mit anderen Gebieten statt und Ausdrücke verfestigten sich umso mehr. Die politischen Grenzen waren die Bistumsgrenzen mit ihrer jeweils einheitlichen Schriftsprache. Auch natürliche Grenzen wie beispielsweise undurchdringliche Auwälder oder der unüberbrückbare Lech wirkten trennend und damit auch sprachtrennend.
Was setzt sich mehr in unserer Gegend durch? Bayerisch oder Schwäbisch?
Hans Ferk: Wie schon gesagt: Die Baiern sind die mehreren, wir Schwaben müssen zugeben, dass wir im Land Bayern vor allem gegenüber dem starken Oberbayern mit München und dem gesamten fränkischen Nordbayern vergleichsweise untergeordnet sind. Somit wird es unser Schwäbisch trotz heldenhaften Kampfes schwer haben, sich zu behaupten. Ich wiederhole aber: Der eigentliche übermächtige Gegner unseres Schwäbisch ist nicht das Bairische, sondern die Umgangssprache.
Wo ist im Augsburger Land die „Kultur-/Sprachgrenze“?
Ferk: Der Lech war über Jahrhunderte die Grenze zwischen Alemannien/Schwaben und Baiern. Augsburg, am Lech gelegen, sah sich aber immer schwäbisch – gegenüber dem großen Baiern, vor allem auch als Freie Reichsstadt.
Wie prägt der Dialekt unsere Region und die Lebenshaltung der Menschen?
Ferk: Mundart gibt Identität und ist ein Hauptmerkmal des weit ausgreifenden und wieder modern gewordenen Begriffs Heimat. Mundart ist Muttersprache; wie eine Fremdsprache bietet sie eine Erweiterung der sprachlichen Möglichkeiten, insbesondere auch im emotionalen Ausdruck.
Warum sprechen so wenige Kinder und Jugendliche Dialekt in unserer Region?
Ferk: Da sie von den Eltern immer weniger Mundart hören, sprechen logischerweise auch die Kinder immer weniger Dialekt.
Warum sprechen hingegen im oberbayerischen oder niederbayerischen Raum viele, auch im beruflichen Alltag, mehr Dialekt im Vergleich zu unserer Region?
Ferk: Zum einen sind die Altbaiern oft recht selbstbewusst (Mia san mia!), während wir Schwaben häufig zur Zurückhaltung neigen: Dadurch fühlen sich die Altbaiern auch im Dialekt sicher. Zum anderen ist das „Bairische“durch Rundfunk, Fernsehen und Musikgruppen sympathisch gemacht worden, während wir Schwaben auch da in der Minderzahl sind. Und zu dem uns verwandten Württemberger Schwäbisch halten wir wiederum Distanz, da wir nun doch schon seit über 200 Jahren zu Bayern gehören und nicht zum Land Württemberg.
Müssten Ihrer Ansicht nach Schulen und Lehrer das Sprechen von Dialekt im Unterricht wieder mehr fördern und unterstützen?
Ferk: Klar: Es gab Zeiten, wo Mundart sprechen als minderwertig abgetan und damit in der Schule geradezu verboten wurde. Und ja: Hochdeutsch lernen, sprechen, schreiben ist lebenswichtig! Aber es gibt auch eine Renaissance der Mundart in Kindergarten und Schule, da sich die Überzeugung durchsetzt, dass Mundart-Kinder, also zweisprachliche Kinder, vieles leichter lernen.
OHans Ferk aus Memmingen ist ehe maliger Lehrer und Verfasser mehrerer Bücher über die schwäbische Mundart. Er besitzt ein umfangreiches Fachwissen und Archiv zu diesem Thema.
OMorgen geht es kulinarisch weiter beim Thema der Woche: Ein Koch erzählt über die bayerisch schwäbische Küche.