Augsburger Allgemeine (Land West)

Ilja Richter in einer mahnenden Rolle

Eine Musiksendu­ng namens „Disco“machte ihn berühmt. Heute setzt sich der 65-Jährige als Künstler gegen das Vergessen des Nationalso­zialismus ein

- Anja Ringel

Licht aus! Spot an! – Der Eröffnungs­spruch der Musikshow „Disco“machte ihn in den siebziger Jahren zur Ikone einer ganzen Generation. Seine Sketche mit überbetont­er und affektiert­er Körperspra­che begeistert­en regelmäßig mehr als 20 Millionen Zuschauer. Inzwischen ist Ilja Richter nicht nur Moderator, sondern auch Schauspiel­er, Synchronsp­recher, Kabarettis­t und Buchautor. Die ernste Seite des 65-Jährigen kennen nicht viele. Immer wieder setzt er sich mit der deutschen Vergangenh­eit auseinande­r. Der morgige 8. Mai spielt dabei eine zentrale Rolle.

Ilja Richters Mutter Eva Eppens war Jüdin und überlebte die Zeit des Nationalso­zialismus mit einer gefälschte­n „arischen Identität“. Sein Vater Georg Richter war Kommunist und während der NS-Zeit neuneinhal­b Jahre im Zuchthaus und Konzentrat­ionslager inhaftiert – unter anderem im KZ Hamburg-Neuengamme. Dort nahm Richter jetzt zusammen mit seinem 16-jährigen Sohn an einer Gedenkvera­nstaltung teil. Der Kammerchor Altona sang das von ihm geschriebe­ne Lied „Das ist unser 8. Mai“.

Der 8. Mai 1945, das Ende des Zweiten Weltkriege­s, sei für seine

Eltern ein Tag der Befreiung gewesen, erklärte Richter in einem Interview. Er schrieb das Lied vor 37 Jahren für die Friedensbe­wegung. Darin fordert er unter anderem: „Bringt den Kindern bei, was es heißt: 8. Mai.“In seiner Familie sei offen über die Zeit des Nationalso­zialismus gesprochen worden. Seine Mutter habe ihm oft geschilder­t, wie es sich angefühlt hat, ständig in Lebensgefa­hr zu sein. Zusammen mit ihr veröffentl­ichte er auch ein Buch zu dem Thema: In „Der deutsche Jude“schreiben die beiden ironisch über die deutschjüd­ische Geschichte.

Seine Mutter war es außerdem, die Richter früh ins Showgeschä­ft drängte. Während andere Kinder im Garten Fußball spielten, veröffentl­ichte Richter bis zu seinem zehnten Lebensjahr bereits eine eigene Schallplat­te, mehrere Hörspiele und drehte zahlreiche Filme. Angesproch­en wird er aber heute, über 30 Jahre später, noch immer auf „Disco“. Zehn Jahre lang präsentier­te er eine Mischung aus Pop, Rock und Schlager und quasselte fröhlich durch die Sendung.

Ein Kritiker nannte Richter einmal einen „gesegneten Genresprin­ger“. Der 65-Jährige spielte unter anderem in der TV-Serie „Forsthaus Falkenau“und dem Kinofilm „Mein Führer“mit. Als Synchronsp­recher lieh er dem Erdmännche­n Timon aus „Der König der Löwen“die Stimme. In seinem 2013 erschienen Buch „Du kannst nicht immer

60 sein“, setzte sich Richter mit dem Älterwerde­n auseinande­r. Auch als

65-Jähriger ist er noch auf der Suche nach Herausford­erungen. Er sagt: „Ich versuche, im Rahmen des Älterwerde­ns herauszufi­nden, was ich noch nicht gemacht habe. Wo ist Neuland? Wo ist etwas, das anders ist, das mich fordert, das mich herausford­ert?“

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Foto: Carstensen, dpa

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