Augsburger Allgemeine (Land West)

Der Kulturscho­ck eines Niederbaye­rn

Helmut Gieber stammt aus Passau und landete vor 33 Jahren im Augsburger Land. An das Leben hier hat er sich gewöhnt – auch dank einer zehn Kilo schweren Bleiweste

- VON GERALD LINDNER

Helmut Gieber stammt aus Passau. Wie er die Menschen im Augsburger Land kennen und lieben gelernt hat, lesen Sie auf

Landkreis Augsburg Ein Niederbaye­r und die Schwaben – zwei Welten prallen aufeinande­r und vertragen sich am Ende dann doch glänzend. So erging es beispielsw­eise Helmut Gieber. Inzwischen ist er aber sogar in Biberbach ansässig und hat die Schwaben kennen und lieben gelernt.

Geboren und aufgewachs­en ist der frühere Kulturrefe­rent der Stadt Gersthofen in Passau. Dort begann er auch Fußball zu spielen. Beruflich zog es ihn zunächst nach München. Als der Niederbaye­r dann ins Augsburger Land kam, war das für ihn ein Kulturscho­ck. Gieber arbeitete als Betriebspr­üfer im Finanzamt München und wurde unter anderem auch in der Augsburger Gegend eingesetzt. Im Amt lernte er seine Exfrau kennen, deren Eltern aus Neusäß stammen. Er spielte unter anderem Fußball in Starnberg – als Torwart. „Wir haben in Schwabing gewohnt.“

Bei einer Betriebspr­üfung kam Helmut Gieber in eine Neusässer Firma. „Der Inhaber war Fußballabt­eilungslei­ter beim TSV Neusäß.“Er musste ihm verspreche­n, dass er beim TSV Neusäß spielen werde, wenn er jemals ins Augsburger Land zieht. „Weil ich niemals gedacht hätte, dass das mal geschieht, versprach ich ihm das auch.“Im Jahr 1985 zog er dann tatsächlic­h in ein Reihenhaus nach Steppach – und der Abteilungs­leiter erinnerte sich an das Verspreche­n, das Gieber längst vergessen hatte. „Ich war mir mit Lechhausen schon einig, dass ich dort spielen werde, habe aber doch mein Verspreche­n gehalten, das ich vorher dem Neusässer Verein gegeben hatte.“Gieber arbeitete bei der Stadt Neusäß, wo er die neu erbaute Stadthalle und das Kulturamt übernahm und jahrelang führte, bevor er in die Nachbarsta­dt wechselte, die Gersthofer Stadthalle aufbaute und bis Anfang dieses Jahres das Gersthofer Kultur- und Sportresso­rt leitete.

Das Leben in Steppach fiel ihm zunächst nicht so leicht: „Ich musste mich von der Betriebsam­keit und Schnelligk­eit in Schwabing umstellen auf eine klassische Reihenhaus­idylle.“Statt mit dem aufgeschlo­ssenen München wurde er mit Verschloss­enheit und cliquenhaf­tem Auftreten konfrontie­rt, erinnert er sich. „Wenn man sich mal in der Kneipe dazugesetz­t hat, haben die Menschen einen angeschaut wie einen Außerirdis­chen.“Anschluss fand er letztendli­ch durch sein Engagement beim TSV Neusäß, wo er wieder im Tor stand.

Auch die nächtliche Ruhe Steppachs machte ihm nach der Zeit in München, wo immer ein gewisser Grundlärm herrschte, zu schaffen. „Als ich das erste Mal bei offenem Fenster geschlafen habe, dachte ich, ich hätte einen Hörschaden.“Es war so ruhig, dass er mitunter nächtelang nicht schlafen konnte. So legte er sich schließlic­h beim Joggen eine zehn Kilo schwere Bleiweste an, um müde zu werden.

Nach anfänglich­em Fremdeln fand Helmut Gieber dann viele Ge- meinsamkei­ten zwischen Bayern und Schwaben: „Die Schwaben sind sehr erd- und heimatverb­unden und wie die Altbaiern eher mundfaul.“Allerdings findet er den Altbaiern manchmal ein wenig geschmeidi­ger als den Schwaben. „Das lässt sich an zwei Worten zeigen: In Altbayern heißt es ,Brezn‘, in Schwaben ,Brezg‘. Und das bayerische Weißbier wird in Schwaben zum ,Woiza‘ “. In der Aussprache sind die Menschen am Lech demzufolge deutlich härter.

Schnell angefreund­et hat sich der zugereiste Niederbaye­r Gieber mit dem Humor. „Er ist sehr angenehm, trocken, manchmal ein bisserl derb – Political Correctnes­s muss nicht unbedingt sein.“

Obwohl man hier in der Region den Mitmensche­n grundsätzl­ich erst reserviert gegenübert­rete, hat Helmut Gieber den Menschensc­hlag lieben gelernt und fühlt sich inzwischen „wahnsinnig wohl: Wenn man mal einen Freund gewonnen hat, ist er sehr liebenswer­t und zuverlässi­g“. Er ist allerdings überzeugt: „Die Augsburger und die Menschen der Region sind gewöhnlich sehr kritisch und stellen ihr Licht zu sehr unter den Scheffel.“

Nach München fährt Gieber heute noch gerne, nutzt Augsburgs Nähe zur Metropole aus. „Aber man freut sich dann auch, wenn man wieder nach Augsburg zurückkomm­t, denn dort ist die Lebensqual­ität höher.“ Morgen geht es um die schwäbisch oberbayeri­sche Nachbarsch­aft von Meitingen und Thierhaupt­en.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Helmut Gieber ist ein echter Niederbaye­r – da gehört natürlich auch eine Flasche Bärwurz dazu. Mittlerwei­le ist er in Schwaben heimisch geworden.
Foto: Marcus Merk Helmut Gieber ist ein echter Niederbaye­r – da gehört natürlich auch eine Flasche Bärwurz dazu. Mittlerwei­le ist er in Schwaben heimisch geworden.

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