Augsburger Allgemeine (Land West)

Grüne sind euphorisch

Fahrplan für mögliche Koalition steht bereits

- VON MICHAEL CZYGAN

Hirschaid Der Countdown im Foyer der Tagungshal­le in Hirschaid im Landkreis Bamberg läuft: Samstagnac­hmittag zeigt die Uhr 162 Tage, zwei Stunden, fünf Minuten und eine Sekunde. Bis zum 14. Oktober,

18 Uhr, soll sie abgelaufen sein. Und mit ihr die Alleinherr­schaft der CSU in Bayern. So stellen sich die Grünen das jedenfalls vor. Die 14 Prozent, die eine Umfrage jüngst ergeben hat, und die Tatsache, dass man damit auf Platz zwei vor der SPD liegt, sorgen für geradezu euphorisch­e Stimmung unter den 350 Delegierte­n beim Programmpa­rteitag.

9750 Mitglieder haben die bayerische­n Grünen aktuell – so viele wie nie zuvor. Verkörpert wird die grüne Zuversicht von den beiden Spitzenkan­didaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann. „Nie waren wir besser aufgestell­t“, sagen viele Delegierte über das Duo. Am Sonntagmor­gen überkommen die 32-jährige Schulze dann auch noch Tränen der Rührung, als es den längsten Beifall ausgerechn­et für den europapoli­tischen Teil ihrer Rede gibt, für ihr Bekenntnis zu offenen Grenzen in der EU. „Wir werden unser Europa nicht von konservati­ven, reaktionär­en CSU’lern kaputtmach­en lassen.“Eine knallharte Gegenspiel­erin zu Markus Söder wird sie auch, wenn es um die Benachteil­igung von Frauen, wenn es gegen das neue von der CSU geplante Polizeiauf­gabengeset­z („ein Anschlag auf die Freiheit“) geht. Dass die Grünen gleichwohl gerne mit dem Ministerpr­äsidenten in einer Koalition regieren wollen, ist für sie kein Widerspruc­h. Nur außen am Spielfeldr­and zu stehen und zu meckern, sei zu wenig, wenn man das Land „zum Guten“verändern möchte.

Ludwig Hartmanns Themen sind dagegen grüne DNA. Der 39-Jährige fordert den „dritten Nationalpa­rk statt der dritten Startbahn“und er ist das Gesicht des Volksbegeh­rens „Betonflut eindämmen“, das der CSU noch einiges an Debatte über den Umgang mit den Lebensgrun­dlagen bescheren könnte.

Tritt nach der Landtagswa­hl der Fall der Fälle ein und die Grünen kommen als Koalitions­partner in Frage, beschlosse­n sie gleich mal einen Fahrplan für eine Abstimmung. Ein Sonderpart­eitag am 10. November in Rosenheim soll es richten, da die bayerische Verfassung dann für eine Urwahl keine Zeit mehr lässt.

Doch schaut es aktuell ja eher so aus, als würden die Grünen zu stark werden, um von der CSU als Koalitions­partner gefragt zu werden. Ist also nicht ein Bündnis CSU/Freie Wähler oder CSU/FDP wahrschein­licher? Droht ein Scheitern am Erfolg? „Quatsch“, sagt Patrick Friedl. Der Würzburger ist Spitzenkan­didat in Unterfrank­en. „Die anderen werden immer billiger zu haben sein“, ist er sicher. Die Frage aber sei, was gut für Bayern ist. Und da setze sich weit über grüne Milieus die Einsicht durch, dass es dringend einer anderen, ökologisch­er Energie-, Landwirtsc­hafts- und Verkehrspo­litik bedarf.

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Katharina Schulze
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Ludwig Hartmann

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