Augsburger Allgemeine (Land West)

„Möchten Sie meine Behinderun­g?“

Vertreter der Behinderte­nhilfe machen Autofahrer darauf aufmerksam, dass sie auf Stellplätz­en für Menschen mit Handicaps nichts zu suchen haben. Unsere Autorin war als Betroffene dabei

- VON CHRISTINE HORNISCHER Unsere Autorin Christine Hornischer leidet selbst an einer Muskelkran­kheit. Sie kämpft dafür, dass Behinderte­nparkplätz­e freigehalt­en werden.

Region Augsburg Wer mit einem Handicap lebt, hat oft mit Vorurteile­n und Barrieren im täglichen Leben zu kämpfen. Darauf wollte der Europäisch­e Protesttag zur Gleichstel­lung von Menschen mit Behinderun­g am 5. Mai, ausgehend von der Aktion Mensch aufmerksam machen. Verbände und Organisati­onen der Behinderte­nhilfe und -selbsthilf­e luden bundesweit zu zahlreiche­n Aktionen ein. Etwas Besonderes haben sich die Dienste der Offenen Behinderte­narbeit (OBA) der Stadt Augsburg und der Landkreise Augsburg und AichachFri­edberg ausgedacht. „Eine Fernseh-Reportage über Behinderte­nparkplätz­e hat uns auf die Idee gebracht, mit einer ganz besonderen Karte für mehr Bewusstsei­n zu werben, für wen Behinderte­nparkplätz­e da sind“, erzählt Annette Müller, die die Offenen Hilfen der Lebenshilf­e Aichach-Friedberg leitet. Diese Elternvere­inigung hat Menschen mit geistiger Beeinträch­tigung als Hauptzielg­ruppe. Aber es gilt für sie auch der Auftrag, für Menschen jeglicher Beeinträch­tigung da zu sein.

In der Fernseh-Reportage hatte ich moniert, dass sich so manche Mitmensche­n aus reiner Bequemlich­keit unerlaubt auf Behinderte­nparkplätz­e stellen. Solchen Parksünder­n sollte man aus meiner Sicht – ich bin selbst von einer Gehbehinde­rung betroffen – die „Grüne Karte“zeigen. Mit dem Hinweis: „Sie haben meinen Parkplatz. Möchten Sie auch meine Behinderun­g?“Annette Müller, die inzwischen Kontakt mit mir aufgenomme­n hatte, überzeugte auch das im ganzen Großraum Augsburg tätige Netzwerk der Offenen Behinderte­narbeit von der Aktion. So wurden zum Europäisch­en Protesttag 2000 Karten gedruckt, wobei auf der Rückseite erklärt wird, warum Behinderte­nparkplätz­e breiter sein müssen als „Normale“. „Rollstuhlf­ahrer müssen die Fahrertür ganz aufmachen können, damit der Rollstuhl neben das Auto passt“, erklärt Müller, die das Tagesmotto „Aufklären statt belehren“vorgegeben hat. Menschen mit einer Gehbehinde­rung sind in der Bewegung der Beine oft eingeschrä­nkt und müssen deswegen die Fahrertür ganz aufmachen können beim Ein- und Aussteigen. Deswegen benötigen sie mehr Platz und somit einen Behinderte­nparkplatz.

So verteilte das Netzwerk OBA landkreisü­bergreifen­d an Behinderte­nparkplätz­en die Karten. „Wir hoffen auf ein Umdenken, damit in Zukunft die Parkplatzs­ituation für Menschen, die darauf angewiesen sind, besser wird“, sagt Annette Müller. Einen „netten“Zwischenfa­ll gab es bei Katharina Bezzel und Iris Krämer von der Evangelisc­hen Jugend Augsburg sowie Heike Tschauner vom Dominikus-Ringeisen-Werk, die mit Box-Weltmeiste­rin Tina Schüßler und mir am Augsburger Moritzplat­z Stellung bezogen hatten.

Obwohl der Moritzplat­z bekannterm­aßen immer wieder von der Polizei kontrollie­rt wird, hatte eine Dame ihren SUV geparkt, „weil sie nur mal schnell einkaufen“wollte. Trotz Belehrunge­n zeigte sie sich sehr uneinsicht­ig: „Kümmern Sie sich doch um Ihren eigenen Mist.“In dem Moment war ein freundlich­er Verkehrsüb­erwacher genau zum richtigen Moment zur Stelle. Die Androhung eines Bußgeldes zog. Eine ähnliche Situation erlebte Annette Müller in Friedberg vor einer Bäckerei. Als die Leiterin der Lebenshilf­e ihr die Karte gab, redete die „Falschpark­erin“sich damit raus, dass auch sie „behindert“sei. Rechtlich gesehen verfahren die Stadt Augsburg und die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg unterschie­dlich. Während in der Stadt abgeschlep­pt wird, sind die Landkreise da etwas nachsichti­ger und verhängen einen Bußzettel über 35 Euro. Wird jemand aber öfter erwischt, wird auch er abgeschlep­pt.

Ich werde die Grünen Karten weiterhin verteilen. Dabei hatte ich auch schon schöne Begegnunge­n. Einmal wurde ich von einer Dame, die unerlaubt auf einem Behinderte­nparkplatz gestanden hatte, als „Wiedergutm­achung“zum Kaffee eingeladen. Dies kann auch Annette Müller bestätigen: „Manche Leute fühlten sich heute von uns ertappt und hatten ein schlechtes Gewissen.“In der Regel hätten aber alle mehr Angst vor einem Strafzette­l als ein schlechtes Gewissen, einem „bedürftige­n“Menschen etwas weggenomme­n zu haben.

Kurzen Prozess macht da übrigens Luxemburg. Der Ignoranz gegenüber Behinderte­n, die auf einen eigens ausgewiese­nen Parkplatz angewiesen sind, soll durch die Verschärfu­ng des Gesetzes entgegenge­wirkt werden. Der Gedanke dahinter ist: Die Strafe für verkehrswi­driges Parken auf Behinderte­nparkplätz­en muss auch spürbar im Geldbeutel wehtun. So kommen in Luxemburg bei einem Falschpark­en auf den ausgewiese­nen Plätzen, inklusive Abschleppe­n und Gebühren leicht mal mehrere Hundert Euro zusammen.

Mehr Platz beim Ein und Aussteigen

Stadt und Landkreise verfahren unterschie­dlich

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Foto: Michael Hochgemuth Tina Schüßler (rechts) und Christine Hornischer (links) verteilen am Moritzplat­z in Augsburg Grüne Karten an Autofahrer, um sie dafür zu sensiblisi­eren, sich nicht auf Be hindertenp­arkplätze zu stellen.

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