Augsburger Allgemeine (Land West)
„Möchten Sie meine Behinderung?“
Vertreter der Behindertenhilfe machen Autofahrer darauf aufmerksam, dass sie auf Stellplätzen für Menschen mit Handicaps nichts zu suchen haben. Unsere Autorin war als Betroffene dabei
Region Augsburg Wer mit einem Handicap lebt, hat oft mit Vorurteilen und Barrieren im täglichen Leben zu kämpfen. Darauf wollte der Europäische Protesttag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung am 5. Mai, ausgehend von der Aktion Mensch aufmerksam machen. Verbände und Organisationen der Behindertenhilfe und -selbsthilfe luden bundesweit zu zahlreichen Aktionen ein. Etwas Besonderes haben sich die Dienste der Offenen Behindertenarbeit (OBA) der Stadt Augsburg und der Landkreise Augsburg und AichachFriedberg ausgedacht. „Eine Fernseh-Reportage über Behindertenparkplätze hat uns auf die Idee gebracht, mit einer ganz besonderen Karte für mehr Bewusstsein zu werben, für wen Behindertenparkplätze da sind“, erzählt Annette Müller, die die Offenen Hilfen der Lebenshilfe Aichach-Friedberg leitet. Diese Elternvereinigung hat Menschen mit geistiger Beeinträchtigung als Hauptzielgruppe. Aber es gilt für sie auch der Auftrag, für Menschen jeglicher Beeinträchtigung da zu sein.
In der Fernseh-Reportage hatte ich moniert, dass sich so manche Mitmenschen aus reiner Bequemlichkeit unerlaubt auf Behindertenparkplätze stellen. Solchen Parksündern sollte man aus meiner Sicht – ich bin selbst von einer Gehbehinderung betroffen – die „Grüne Karte“zeigen. Mit dem Hinweis: „Sie haben meinen Parkplatz. Möchten Sie auch meine Behinderung?“Annette Müller, die inzwischen Kontakt mit mir aufgenommen hatte, überzeugte auch das im ganzen Großraum Augsburg tätige Netzwerk der Offenen Behindertenarbeit von der Aktion. So wurden zum Europäischen Protesttag 2000 Karten gedruckt, wobei auf der Rückseite erklärt wird, warum Behindertenparkplätze breiter sein müssen als „Normale“. „Rollstuhlfahrer müssen die Fahrertür ganz aufmachen können, damit der Rollstuhl neben das Auto passt“, erklärt Müller, die das Tagesmotto „Aufklären statt belehren“vorgegeben hat. Menschen mit einer Gehbehinderung sind in der Bewegung der Beine oft eingeschränkt und müssen deswegen die Fahrertür ganz aufmachen können beim Ein- und Aussteigen. Deswegen benötigen sie mehr Platz und somit einen Behindertenparkplatz.
So verteilte das Netzwerk OBA landkreisübergreifend an Behindertenparkplätzen die Karten. „Wir hoffen auf ein Umdenken, damit in Zukunft die Parkplatzsituation für Menschen, die darauf angewiesen sind, besser wird“, sagt Annette Müller. Einen „netten“Zwischenfall gab es bei Katharina Bezzel und Iris Krämer von der Evangelischen Jugend Augsburg sowie Heike Tschauner vom Dominikus-Ringeisen-Werk, die mit Box-Weltmeisterin Tina Schüßler und mir am Augsburger Moritzplatz Stellung bezogen hatten.
Obwohl der Moritzplatz bekanntermaßen immer wieder von der Polizei kontrolliert wird, hatte eine Dame ihren SUV geparkt, „weil sie nur mal schnell einkaufen“wollte. Trotz Belehrungen zeigte sie sich sehr uneinsichtig: „Kümmern Sie sich doch um Ihren eigenen Mist.“In dem Moment war ein freundlicher Verkehrsüberwacher genau zum richtigen Moment zur Stelle. Die Androhung eines Bußgeldes zog. Eine ähnliche Situation erlebte Annette Müller in Friedberg vor einer Bäckerei. Als die Leiterin der Lebenshilfe ihr die Karte gab, redete die „Falschparkerin“sich damit raus, dass auch sie „behindert“sei. Rechtlich gesehen verfahren die Stadt Augsburg und die Landkreise Augsburg und Aichach-Friedberg unterschiedlich. Während in der Stadt abgeschleppt wird, sind die Landkreise da etwas nachsichtiger und verhängen einen Bußzettel über 35 Euro. Wird jemand aber öfter erwischt, wird auch er abgeschleppt.
Ich werde die Grünen Karten weiterhin verteilen. Dabei hatte ich auch schon schöne Begegnungen. Einmal wurde ich von einer Dame, die unerlaubt auf einem Behindertenparkplatz gestanden hatte, als „Wiedergutmachung“zum Kaffee eingeladen. Dies kann auch Annette Müller bestätigen: „Manche Leute fühlten sich heute von uns ertappt und hatten ein schlechtes Gewissen.“In der Regel hätten aber alle mehr Angst vor einem Strafzettel als ein schlechtes Gewissen, einem „bedürftigen“Menschen etwas weggenommen zu haben.
Kurzen Prozess macht da übrigens Luxemburg. Der Ignoranz gegenüber Behinderten, die auf einen eigens ausgewiesenen Parkplatz angewiesen sind, soll durch die Verschärfung des Gesetzes entgegengewirkt werden. Der Gedanke dahinter ist: Die Strafe für verkehrswidriges Parken auf Behindertenparkplätzen muss auch spürbar im Geldbeutel wehtun. So kommen in Luxemburg bei einem Falschparken auf den ausgewiesenen Plätzen, inklusive Abschleppen und Gebühren leicht mal mehrere Hundert Euro zusammen.
Mehr Platz beim Ein und Aussteigen
Stadt und Landkreise verfahren unterschiedlich
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