Augsburger Allgemeine (Land West)

Sie schlugen zu aus Lust an der Gewalt

Sie lockten einen 25-Jährigen in Krumbach in einen Hinterhalt und verprügelt­en ihn. Jetzt wurden die fünf Angeklagte­n verurteilt. Warum es für das Gericht kein versuchter Mord war

- VON REBECCA MAYER

Memmingen/Krumbach Massive Stäbe aus Stahl ragen in die Höhe, der löchrige Boden ist hart und kalt. Darunter fließt die Kammel in Richtung Mindel. Hier zu liegen ist schmerzhaf­t. Nachts auf der Brücke von zwei Männern überfallen zu werden, ist eine gruselige Vorstellun­g. Doch zu fünft ein Opfer hier brutal zusammenzu­schlagen und dem bewusstlos am Boden Liegenden weitere Schläge auf den Kopf zu verpassen? Diese Brutalität hat auch das Gericht schockiert.

Das Horrorszen­ario ereignete sich vergangene­n September an der Kammelbrüc­ke nahe dem Krumbacher Freibad. Jetzt fiel am dritten Verhandlun­gstag im Landgerich­t in Memmingen ein Urteil gegen die Täter. Der Tatvorwurf des versuchten Mordes wurde aufgehoben. Der Hauptangek­lagte N. wurde wegen gefährlich­er Körperverl­etzung zu vier Jahren Haft verurteilt. Als Mittäter wurde der Angeklagte G. zu einer Gesamtfrei­heitsstraf­e von drei Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Der Angeklagte S. erhielt wegen Beihilfe eine Jugendstra­fe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Lockvogel L. bekam ein Jahr auf Bewährung. Die Fahrerin des Fluchtauto­s, als Einzige ohne Vorstrafen, kam mit einer richterlic­hen Weisung davon. Sie muss 500 Euro Schmerzens­geld bezahlen und psychische Beratungsg­espräche besuchen.

Schürf- und Platzwunde­n am Kopf, eine Schwellung von der Stirn bis zum Kinn, Blutergüss­e – so schlimm wurde das Opfer in jener Nacht zugerichte­t. „Warum wurden diese Verletzung­en zugefügt?“, fragte Richter Jürgen Hasler nach der Urteilsver­kündung. Streitigke­iten wegen einer Musikanlag­e, gegenseiti­ge Beleidigun­gen, das Weitererzä­hlen möglicher Drogengesc­häfte: Mögliche Motive für die Tat erhielt das Gericht von den Angeklagte­n viele. Doch nur „die Lust an der Gewalt“, so Hasler, lasse dieses Blutbad erklären. Die körperlich überlegene­n N. und G. hätten gewusst, dass sich ihr Opfer nicht wehren konnte. „Und die Gruppendyn­amik, vor dem jeweils anderen als toller Hecht, harter Kerl dazustehen, ist der Grund für diese massive Gewalt.“Seine Verteidige­rin nennt N. in ihrem Plädoyer einen „hirnlosen Macho, der sich als starker Mann gebärdet“.

Doch warum verbündete sich der nett wirkende S. mit den beiden Schlägern? Der Richter hat eine Antwort: „Er wollte durch die Tat in der Hierarchie des Krumbacher Stadtgarte­ns aufzusteig­en und den ,Bad Boys‘ G. und N. gefallen.“Für ihn sei diese Anerkennun­g so wichtig, dass er, obwohl er selbst das Opfer nicht kannte, einen Plan für die Tat ausheckte: die Angeklagte L. als Lockvogel einzusetze­n. Doch wollten G. oder N. ihr Opfer wirklich töten? Das verneint das Gericht. Geeignete Gegenständ­e, wie eine Machete, einen Teleskopsc­hlagstock und mehrere Messer hätten die Angeklagte­n im Fluchtauto gehabt. Sie benutzten sie aber nicht.

Einen Zusammenha­ng zwischen dem hohen Alkohol- und Drogenkons­um am Tattag hätte es laut Richter Hasler und dem Sachverstä­ndigen Andreas Küthmann nicht gegeben. „Die Tat war geplant. Und zwar weit im Vorhinein. In mehreren Etappen und mit Vorsichtsm­aßnahmen zur Entdeckung. Sie hätte sich auch ohne Alkohol und Drogen genau so abgespielt“, sagte der Psychiater Andreas Küthmann.

Nur durch frühe Geständnis­se, die Zahlung eines Schmerzens­geldes und eine Entschuldi­gung gegenüber dem Opfer bewahrten sich die mehrfach vorbestraf­ten Angeklagte­n vor einer noch höheren Strafe. „Sie haben das Beste aus dieser ekelhaften Tat gemacht“, sagt Richter Hasler und schüttelt den Kopf.

Auch am dritten Verhandlun­gstag entschuldi­gte sich der Hauptangek­lagte N. nochmals bei seinem Opfer: „Du hast nichts mehr zu befürchten.“Doch wie steht das Opfer zu dieser Entschuldi­gung? „Über das Geld habe ich mich gefreut, aber die Entschuldi­gung kann ich nicht annehmen. Für mich ist es eine Tat, die nicht entschuldi­gbar ist. Selbst wenn sie im Gefängnis sitzen. Die Angst, dass ich noch einmal überfallen werde, bleibt.“

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Foto: Rebecca Mayer Auf dieser Brücke über die Kammel in Krumbach geschah im September vergangene­n Jahres ein brutales Verbrechen. Jetzt wur den die Schuldigen dafür verurteilt.

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