Augsburger Allgemeine (Land West)

Die Zahl der tatverdäch­tigen Flüchtling­e steigt

Etwa jeder fünfte mutmaßlich­e Sexualstra­ftäter war im vorigen Jahr ein Zuwanderer. Auch bei anderen Delikten fallen Asylbewerb­er inzwischen häufiger auf. Unsicherer geworden ist Augsburg deshalb aber nicht

- VON JÖRG HEINZLE

Es fiel ihm schwer, seine Schuld einzugeste­hen. Und er glaubte an eine Bewährungs­strafe. Im März ist ein

24-jähriger Afghane vor dem Augsburger Landgerich­t wegen versuchter Vergewalti­gung zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden. Der junge Mann hatte im Mai 2017 eine Joggerin überfallen. Er riss die 23-jährige Studentin zu Boden, schlug sie und forderte Sex. Nur weil sie sich heftig wehrte, gelang es ihr, den Täter in die Flucht zu schlagen.

Der Übegriff löste Besorgnis aus. Frauen berichtete­n unserer Redaktion, dass sie sich nicht mehr trauen, allein am Lech oder im Siebentisc­hwald zu joggen. Allerdings: Das Risiko, zum Opfer einer solchen überfallar­tigen Vergewalti­gung zu werden, ist nicht größer geworden. Drei Fälle dieser Art gab es voriges Jahr in Augsburg, zwei Taten weniger als im Jahr 2016. Schaut man länger zurück, so sieht man, dass sich die Zahl dieser Sexattacke­n jedes Jahr in der Regel immer im niedrigen bis mittleren einstellig­en Bereich bewegt.

Was jedoch auffällt beim Blick in die Statistik der Polizei: Bei den Sexualstra­ftaten generell – von der Vergewalti­gung bis zur sexuellen Belästigun­g – ist die Zahl der tatverdäch­tigen Asylbewerb­er deutlich gestiegen. Sie hat sich innerhalb eines Jahres mehr als verdoppelt.

2016 ermittelte die Polizei in Augsburg 13 Asylbewerb­er als Sexualstra­ftäter. Im Jahr 2017 waren es 30 Flüchtling­e, das entspricht einem Anteil von 19,4 Prozent aller Verdächtig­en. Genaue Zahlen, wie groß der Bevölkerun­gsanteil der Flüchtling­e in der Stadt ist, gibt es nicht. Er dürfte sich aber nur im Bereich von um die zwei Prozent bewegen.

Wie kommt es dazu, dass verhältnis­mäßig viele Flüchtling­e als Sexualtäte­r auffallen? Befragt man dazu Fachleute, gibt es eine ganze Reihe von Erklärunge­n. Marco Böck, Leiter der Kriminalit­ätsbekämpf­ung im Polizeiprä­sidium, nennt stets Alter und Geschlecht als einen Grund. Unter den Zuwanderer­n sind sehr viele junge Männer. Und jüngere Männer sind schon mal generell besonders anfällig für Straftaten – egal, woher sie kommen oder welche Nationalit­ät sie haben. Bei Flüchtling­en kommen öfter noch weitere Risikofakt­oren für Kriminalit­ät hinzu – etwa traumatisc­he Erlebnisse in der Heimat, Langeweile, ein relativ niedriger Bildungsst­and.

Ein Beamter der Augsburger Kripo sagt: „Wir merken bei den Fällen teils auch, dass die Täter ein ganz anderes Frauenbild haben.“Der Afghane, der die Studentin am Lech überfallen hat, gab vor Gericht an, er habe eigentlich nur gehofft, die Frau küssen und mit ihr Sex haben zu können. Er habe wochenlang keinen Sex mehr gehabt. Es dauerte, bis er sich dazu überwinden konnte, ein echtes Geständnis abzulegen.

Beim Augsburger Verein „Brücke“kümmern sich Sozialpäda­gogen um junge Straftäter. BrückeChef Erwin Schlettere­r hat im vorigen Jahr mit mehreren jungen Flüchtling­en gesprochen, die wegen einer sexuellen Belästigun­g von einem Jugendgeri­cht verurteilt worden sind. In der Regel seien die jungen Männer mit einer Zurückweis­ung oder Abfuhr durch eine Frau nicht klar gekommen, erzählt er. Auch Alkohol sei mehrmals im Spiel gewesen. Er habe die meisten Delinquent­en aber als reumütig erlebt. Sie hätten in den Gesprächen oft das Ziel genannt, hier Fuß zu fassen und ein geordnetes Leben zu führen.

Deutlich gestiegen ist die Zahl der tatverdäch­tigen Zuwanderer innerhalb eines Jahres auch bei Gewaltdeli­kten wie gefährlich­er Körperver- letzung im öffentlich­en Raum (von 39 auf 73) oder Raub (von 8 auf 27). Auch hier ist ihr Anteil überpropor­tional hoch. Interessan­t: Schaut man nicht nur auf Flüchtling­e, sondern auf ausländisc­he Tatverdäch­tige insgesamt, zeigen sich in den meisten Bereichen keine dramatisch­en Steigerung­en. Salopp gesagt: Während Flüchtling­e öfter als Täter erwischt wurden, scheinen andere hier lebende Ausländer braver geworden zu sein. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass sich Integratio­ns- und Sozialarbe­it langfristi­g auszahlen.

Auch gefährlich­er geworden ist es nicht in Augsburg. Bei vielen Straftaten vermeldet die Polizei sinkende Zahlen. Das liegt auch daran, dass es weniger deutsche Täter gibt. Auch hier kommt die Altersentw­icklung ins Spiel. Die deutsche Bevölkerun­g wird im Durchschni­tt älter. Und Ältere neigen weniger zu Kriminalit­ät.

Experten wie Erwin Schlettere­r sind zuversicht­lich, dass es keine dauerhafte­n Probleme mit Flüchtling­en geben wird. Sie nennen das Beispiel der Spätaussie­dler aus der Ex-Sowjetunio­n in den 1990er Jahren. Junge Aussiedler seien damals vermehrt durch Gewalt aufgefalle­n, es bildeten sich Jugendband­en. Dieses Thema ist längst abgehakt. Aussiedler fallen in der Kriminalst­atistik nicht mehr auf.

Die meisten Betroffene­n zeigten sich reumütig

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