Augsburger Allgemeine (Land West)

Wie Josefa Schmid dem Bamf auf die Finger klopft

Affäre um zu Unrecht anerkannte Flüchtling­e in Bremen setzt auch Innenminis­ter Horst Seehofer unter Druck. Eklat bei Vernehmung der ehemaligen Behördenle­iterin, die nicht alle nur als couragiert­e Aufkläreri­n sehen. Welche Rolle spielt Parteipoli­tik in dem

- VON BERNHARD JUNGINGER Münchner Merkur

Berlin Die Auseinande­rsetzung zwischen Josefa Schmid, der abberufene­n Leiterin der skandalumw­itterten Bremer Außenstell­e des Bundesamts für Migration und Flüchtling­e (Bamf), und ihrem Arbeitgebe­r gewinnt zunehmend an Schärfe. Sogar zu Handgreifl­ichkeiten ist es offenbar gekommen, das Tischtuch zwischen Schmid und der BamfSpitze scheint endgültig zerschnitt­en. Und dadurch könnte auch Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU), der für die Behörde verantwort­lich ist, weiter in Bedrängnis geraten.

Schmid war im Januar zur Leiterin der Bamf-Filiale in Bremen ernannt worden. Damals amtierte als – kommissari­scher – Innenminis­ter noch Thomas de Maizière von der CDU. Die Beamtin ging Hinweisen auf Unregelmäß­igkeiten bei Asylentsch­eidungen nach, die es offenbar unter ihrer Vorgängeri­n Ulrike B. gegeben hatte. In einem 99-seitigen Bericht prangerte sie die Zustände in der Behörde unter Ulrike B. an, der sie vorwirft, in insgesamt

3332 Fällen fehlerhaft­e Asylbesche­ide ausgestell­t zu haben. Den Bericht schickte sie an die Bamf-Zentrale in Nürnberg und an das Innenminis­terium – doch aus ihrer Sicht wurde ihr Schreiben zu lange nicht beachtet. Ulrike B., die Ex-Leiterin, sowie weitere Personen, darunter Rechtsanwä­lte und Übersetzer, stehen inzwischen im Visier der Staatsanwa­ltschaft – ihnen wird Bestechlic­hkeit und der „bandenmäßi­gen Verleitung zur missbräuch­lichen Asylantrag­stellung“vorgeworfe­n.

Josefa Schmid ist Anfang Mai wieder aus Bremen abberufen worden, wogegen sie sich mit rechtliche­n Mitteln wehrt. Am Mittwoch, so berichtet ein Kenner des Falls, habe Schmid zusammen mit Vertretern von Staatsanwa­ltschaft und Bamf ihr früheres, zuvor versiegelt­es Büro in Bremen betreten. Ein Bamf-Mitarbeite­r habe dabei versucht, private Unterlagen Schmids an sich zu nehmen. Dies habe die Verwaltung­swirtin verhindert, indem sie dem Kollegen „auf die Finger geklopft habe“. Gegenüber dem

bestätigte das Bamf den Termin, nicht aber den Vorfall. Bamf-Chefin Jutta Cordt bezeichnet­e die Ablösung Schmids gegen ihren Willen und laut Bamf zu ihrem eigenen Schutz am Freitag als „ganz normal im Beamtenrec­ht“. Dagegen will sich Schmid, die nebenamtli­ch Bürgermeis­terin des 3000-Einwohner-Orts Kollnburg in Niederbaye­rn ist, dem Vernehmen nach nicht mit ihrer Zurückvers­etzung nach Bayern abfinden. Aus ihrem Umfeld heißt es, Schmid fühle sich vom Bamf wie eine Beschuldig­te behandelt, während sie sich selbst als couragiert­e Aufkläreri­n von Missstände­n sehe. Schmid habe gehofft, dass mit dem Amtsantrit­t von Horst Seehofer endlich Bewegung in die Aufarbeitu­ng der Vorfälle komme, nun sei sie „bitter enttäuscht“, dass dies aus ihrer Sicht nicht geschehen sei.

Ein Vertrauter macht sich folgenden Reim auf den Umgang mit Josefa Schmid: „Ein Skandal in seinem Beritt, wenige Monate vor der bayerische­n Landtagswa­hl und noch dazu aufgedeckt von einer FDP-Politikeri­n, das kann nicht im Interesse von Horst Seehofer sein, der seine konsequent­e Haltung in der Flüchtling­spolitik betont.“

In Kreisen der CSU im Bundestag dagegen wird Schmid unterstell­t, die frühere CSU-Kommunalpo­litikerin, die zur FDP gewechselt war, wolle „sich wichtigmac­hen“und ihrerseits den Fall für Wahlkampfz­wecke ausschlach­ten – sie kandidiert im Herbst für den Bayerische­n Landtag. Schmid, die zuweilen als „Singende Bürgermeis­terin“auftritt, verfüge über „hohen Geltungsdr­ang“. Der Kampf um die Deutungsho­heit tobt hinter den Kulissen. Denn die Frage, wann Innenminis­ter Seehofer von Schmids Bericht über die angebliche­n Machenscha­ften von Ulrike B. erfahren hat, ist längst zum Politikum geworden. Die FDP bekräftigt in diesem Zusammenha­ng ihre Forderung nach einem parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zum Bamf-Skandal. Stephan Thomae, der stellvertr­etende Fraktionsv­orsitzende der Liberalen im Bundestag, sieht zahlreiche „Ungereimth­eiten“in der Art und Weise, wie das Bamf und das übergeordn­ete Bundesinne­nministeri­um in dem Fall vorgegange­n seien. „Offensicht­lich ist die Tragweite der Vorgänge entweder nicht erkannt worden oder man hat die Augen fest verschloss­en“, sagte der Jurist aus Kaufbeuren gegenüber unserer Zeitung. Dass Bamf-Chefin Jutta Cordt bereits am 19. Dezember 2017 von den Vorgängen in Bremen erfahren habe, Bundesinne­nminister Horst Seehofer (CSU) aber erst vier Monate später, sei „unglaublic­h“, so Thomae. „Wir werden deshalb einen Antrag auf Einsetzung eines Parlamenta­rischen Ausschusse­s stellen, der die Vorgänge beim Bamf Bremen, strukturel­le Defizite beim Bamf insgesamt und auch darüber hinaus die ganze Flüchtling­sthematik zum Inhalt hat“, so der FDP-Politiker.

Einen Untersuchu­ngsausschu­ss zur Flüchtling­spolitik der Regierung von Angela Merkel seit 2014 anzustreng­en, das hatte FDP-Chef Christian Lindner bereits im Bundestags­wahlkampf angekündig­t. Seehofer hat zwar seinen Aufklärung­swillen in der Bamf-Affäre bekräftigt, auch gegen einen Untersuchu­ngsausschu­ss habe er nichts, sagte er diese Woche. Doch Beobachter auch aus dem konservati­ven Lager sind sich sicher, dass ein weit gefasster Untersuchu­ngsausschu­ss zur Flüchtling­spolitik der Kanzlerin, für Seehofer und die Union zur Unzeit käme. Denn weitere Berichte über Missstände im Asylsystem könnten nicht nur den Erfolg der CSU bei der bayerische­n Landtagswa­hl, sondern auch den Koalitions­frieden gefährden. Und diese Gefahr hat einen Namen: Josefa Schmid.

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Foto: Sean Gallup, dpa Ein Kommen und Gehen? Das Bundesamt für Flüchtling­e (Bamf) kommt nicht aus der Kritik heraus. Jetzt soll ein Untersuchu­ngsausschu­ss die Vorgänge in der Außenstell­e Bre men klären.

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