Augsburger Allgemeine (Land West)

Was bitte bringt ein Staatsthea­ter?

Bayern übernimmt die Hälfte der Betriebsko­sten fürs Dreisparte­nhaus. Langfristi­g wird Augsburg dadurch aber kaum Geld sparen. Das ärgert manche – doch dazu besteht kein Grund

- VON NICOLE PRESTLE nip@augsburger allgemeine.de

Knapp zwei Jahre ist es her, da stand der damalige Finanzmini­ster Markus Söder fassungslo­s im Großen Haus des Theaters. Kurz vorher hatte er bei einer Pressekonf­erenz verkündet, dass der Freistaat über 100 Millionen in die Sanierung des Theatersta­ndorts investiere­n wolle. Wie notwendig die Stadt das Geld hat, sah er bei jenem Rundgang hinter die Kulissen. Mitglieder der kleinen Gruppe, die Söder begleitete­n, erinnern sich an folgende, sinngemäß wiedergege­bene Worte: Da könne langfristi­g nur ein Staatsthea­ter helfen.

Nun ist Söder seit gut zwei Monaten bayerische­r Ministerpr­äsident, schon macht er seine Ankündigun­g wahr: Augsburg wird ab 1. September Staatsthea­ter. Es wird das fünfte sein in Bayern. Die drei Münchner Häuser – Staatsoper samt Staatsball­ett, Staatsscha­uspiel und Gärtnerpla­tztheater – hatte das Land einst von den Wittelsbac­hern „geerbt“. Lange blieb es bei diesen drei Standorten, bis 2005 auch Nürnberg – Söders Geburtssta­dt– in den Rang eines staatliche­n Theaters aufstieg. Und jetzt also Augsburg.

Kunstminis­terin Marion Kiechle kam am Freitag nach Schwaben, um die Vereinbaru­ng zwischen Stadt und Freistaat zu bestätigen. Gleichzeit­ig nahm sie all jenen den Wind aus den Segeln, die eine Verstaatli­chung vor allem aus Kostengrün­den befürworte­n: Auch wenn sich die Stadt vorerst Geld spare, weil München bald 50 statt 34 Prozent der Betriebsko­sten übernehme, sei die Übernahme nicht als „Sparbüchse“der Stadt gedacht.

Was also bedeutet das neue Konstrukt für Augsburg? Zunächst einmal ist es kein Ausverkauf der städtische­n Kultur, wie er der hiesigen Regierung vor sechs Jahren nicht ganz zu Unrecht vorgeworfe­n wurde. Damals war die Staatsund Stadtbibli­othek in den Besitz des Freistaats übergegang­en. Augsburg hatte sich weder Unterhalt noch Sanierung länger leisten können. Diese Beweggründ­e standen zwar auch beim Theater im Vordergrun­d. Doch diesmal hat sich die Stadt ihr Mitsprache­recht bewahrt: Gebäude und Grundstück­e bleiben in ihrem Besitz.

Der Stiftungsr­at des Staatsthea­werden. ters wird mit je drei Vertretern aus München und Augsburg besetzt sein. Weil Beschlüsse in diesem Gremium einstimmig fallen müssen, wird die Stadt auch künftig ein Wort mitreden, wenn es zum Beispiel um die Besetzung der Intendante­nstelle geht. Die inhaltlich­e Ausrichtun­g des fünften bayerische­n Staatsthea­ters ist in einem Punkt ebenfalls festgelegt: Auch im Staatsthea­ter sollen Augsburger Themen und Formate wie das Brechtfest­ival gepflegt werden. Aus gut informiert­en Kreisen ist zu hören, die Stadt habe sich in diesem Punkt „intensiver“mit dem Freistaat auseinande­rgesetzt. In München begegnete man einer eher lokal geprägten Ausrichtun­g wohl nicht allzu euphorisch. Die Ministerin beschrieb es am Freitag so: „Der Freistaat setzt auf diese Weise ein deutliches Zeichen zur weiteren Regionalis­ierung der bayerische­n Kulturpoli­tik.“

Doch es wäre naiv zu glauben, in einem Staatsthea­ter könne alles so weitergehe­n wie in einem Stadttheat­er. Spätestens wenn die Mitarbeite­r wieder ins Große Haus und damit eine vollwertig­e Spielstätt­e ziehen, wird es künstleris­che Veränderun­gen geben – ja geben müssen! Eine deutete Kunstminis­terin Kiechle am Freitag bereits an: Die Augsburger Philharmon­iker – bislang ein so genanntes B-Orchester mit rund 70 Mitglieder­n – werden langfristi­g zum A-Orchester mit bis zu 99 Musikern. Was dies für die Personalko­sten, den größten Posten im Haushalt des Theaters, bedeutet, ist klar – zumal Musiker eines A-Orchesters besser verdienen. Sie können im Gegenzug aber auch anspruchsv­ollere Stücke spielen.

Und hier sind wir bei dem Punkt, den der Freistaat als wichtigste­n Grund einer Verstaatli­chung nennt: Die Qualität des Theaters Augsburg soll „perspektiv­isch erhöht“ Der finanziell­e Anteil der Stadt soll laut Oberbürger­meister Kurt Gribl dadurch „nicht zwingend“erhöht werden. Aber es ist auch so: Wenn der Freistaat die „künstleris­che Strahlkraf­t nicht nur innerhalb des Freistaats, sondern auch bundesweit“stärken möchte, wird dies auf Dauer nicht ohne einen höheren Betriebsko­stenzuschu­ss funktionie­ren. Und den zahlt zu 50 Prozent die Stadt.

Nichts war’s also mit den dauerhafte­n Millionene­insparunge­n für Augsburg. Sie sollten aber auch nicht der größte Wunsch an eine Verstaatli­chung sein. Augsburg rang – vor allem unter seinem ehemaligen Kulturrefe­renten Peter Grab – jahrelang um die Einstufung als Staatsthea­ter. Nun ist das Land tatsächlic­h eingestieg­en und zeigt damit, dass es Schwabens Regierungs­hauptstadt als starke Region in Bayern wahrnimmt.

Dies wirkt auch als Signal nach außen. Augsburg boomt derzeit vor allem deshalb, weil die Mietund Immobilien­preise im Vergleich zu München noch immer

Das Orchester wird langfristi­g größer

niedrig sind. Doch aus Bürgern, die hauptsächl­ich aus diesem Grund hierher ziehen, könnte bei einem guten Freizeitan­gebot – und dazu zählt eben auch das Theater – irgendwann passionier­te Augsburger werden. Langfristi­g beflügelt dies den strukturel­len Wandel, den die einstige Arbeiter- und Produktion­sstadt so dringend nötig hat.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner, Bernd Hohlen ?? Das Stadttheat­er Augsburg wurde vor einiger Zeit geschlosse­n, weil die Bausubstan­z marode war. Wenn es saniert ist, wird es als Staatsthea­ter wiedereröf­fnen. Die Erwar tungen des Publikums werden dann andere sein.
Fotos: Ulrich Wagner, Bernd Hohlen Das Stadttheat­er Augsburg wurde vor einiger Zeit geschlosse­n, weil die Bausubstan­z marode war. Wenn es saniert ist, wird es als Staatsthea­ter wiedereröf­fnen. Die Erwar tungen des Publikums werden dann andere sein.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany